B+T Unternehmensgruppe

"Hier müssen wir mal Gas geben"

Die Vision ist klar. Der Zeitplan auch: Spätestens bis Ende kommenden Jahres möchte Frank Benner, Geschäftsführer und Gesellschafter der B+T Unternehmensgruppe mit Hauptsitz in Hüttenberg, einen Wasserstoffcampus im Rechtenbacher Gewerbegebiet „Am Surbach“ errichten, Nahwärmeversorgung für die Gemeinde inklusive. Vor einem Jahr startete die Planung, starke Partner hat der Unternehmer bereits im Boot, erste Orientierungsgespräche mit den Hochschulen, der Gemeinde und der LandesEnergieAgentur (LEA) haben bereits stattgefunden. Die große Unbekannte: ein Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung. „Wir wollen so früh wie möglich die Bürger mitnehmen, nur muss vorher das Gesamtkonzept gemeinsam erarbeitet werden“, erklärt Frank Benner.
„Wasserstoff ist die Kohle der Zukunft“, sagt Frank Benner und weiß ganz genau, wovon er spricht. Der 58-jährige Unternehmer, der seit diesem Jahr 75 Prozent des CO2-Fußabdruckes seiner Firmengruppe durch Modernisierung und Umstellungen konsequent neutralisiert hat, geht nun den nächsten Schritt. Dafür hat er mehrere Monate noch einmal die Schulbank gedrückt und auf dem Wasserstoffcampus Salzgitter Online und in Präsenz eine Weiterbildung zur Fachkraft für Wasserstofftechnologie absolviert. Mit diesem Wissen als Basis will er nun durchstarten: „Ich möchte auf meinem Firmengelände Wasserstoff herstellen – primär für die Mobilität.“
Deutlich mehr Energie als benötigt
Die LKW-Flotte des Spezialisten für Oberflächentechnik (Galvanik) soll mit der neuen Technologie zukünftig über die Straßen rollen. Doch es geht um viel mehr: Elektrolyseure „mögen es nicht“, ständig angefahren und abgestellt zu werden. Das bedeutet, es müssen Lösungen für eine ausreichende Abnahme einerseits und eine gleichmäßige Stromversorgung aus erneuerbarer Energie andererseits gefunden werden. „Die alleinige Energieversorgung aus Windkraft oder Solarenergie ist dafür nicht geeignet, da sie stark volatil ist“, so Benner, Der Einsatz rentiere sich also nur, wenn man den Elektrolyseur im Dauerbetrieb laufen lassen kann. Dadurch würde Frank Benner allerdings deutlich mehr Energie produzieren, als er aktuell benötigt.
„Ich brauche Abnehmer“
„Ich brauche Abnehmer.“ Die Rede ist dabei nicht nur von Wasserstoff. Denn bei der Elektrolyse von Wasser entsteht auch Sauerstoff. Benner: „Damit könnte man beispielsweise Kliniken versorgen.“ Am spannendsten aber sei die Speicherung und Verwertung der entstehenden Wärmeenergie beim Elektrolyseprozess: „Die könnte in ein Nahwärmenetzwerk fließen.“ Frank Benner kann sich also durchaus vorstellen, als Galvaniseur zum Nahwärmeversorger für die Gemeinde Hüttenberg zu werden – und ist mit den Gemeindevertretern bereits in ersten Sondierungsgesprächen.
„Es muss alles verwendet werden“
Konkret schwebt dem Unternehmer ein Hochtemperatur-Speicher (HT-Store) vor, wie er bei der Technischen Hochschule Mittelhessen entwickelt wurde. Der Fachmann für Wasserstofftechnologie erklärt: „Überschüssige Wärmeenergie aus unserer Produktion könnte in dem HT-Store gespeichert, die Temperatur verstromt und damit der Elektrolyseur betrieben werden, der wiederum Wasserstoff und Sauerstoff sowie auch Wärme produziert. Aus diesem Prozess muss dann alles verwendet werden, nur dann macht der Betrieb ökonomisch Sinn.“
Campus mit Besucherzentrum, Vorlesungsräumen und Forschungsmöglichkeiten
Damit das Projekt nicht nur Sinn, sondern auch Schule machen kann, will Frank Benner den Prozess transparent machen und in einen Wasserstoffcampus einbinden – mit Besucherzentrum, Vorlesungsräumen und Forschungsmöglichkeiten für die Hochschulen. Benner: „Der Campus wäre dann der erste seiner Art in Hessen.“ Partner für das Projekt sind bereits das Fraunhofer Institut für Schicht- und Oberflächentechnik und die die MAN Energie Solutions SE. Gespräche führt Benner mit der THM ebenso wie mit der LandesEnergieAgentur und der Gemeinde Hüttenberg. Das Grundstück für den Campus hat er bereits erworben, es schließt genau an sein Firmengelände an.
„Wasserstoff ist nicht gefährlicher als Erdgas“
Damit es weitergeht, müssen jedoch Genehmigungen erteilt werden, unter anderem sieht der Gesetzgeber (konkret das Bundes-Immissionsschutzgesetz, BImSchG) ein vom Regierungspräsidium durchzuführendes sogenanntes „Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung“ vor. „So etwas kann locker zwei Jahre dauern“, erklärt Benner. Der Ausgang sei wegen der Öffentlichkeitsbeteiligung dazu noch völlig offen. Benner: „Die wenigsten kennen sich mit diesem Gas aus, kennen es allerhöchstens noch aus dem Chemieunterricht durch die Knallgasprobe und denken, es explodiert schon, wenn man laut seinen Namen nennt. Doch wer weiß schon, dass das Gas nach oben steigt und am Boden wenig Schaden anrichten kann? Das Gas ist im Handling nicht gefährlicher als Erdgas oder Stickstoff“, erklärt Benner und macht klar, dass hier auch noch einiges an Aufklärungsarbeit geleistet werden muss.
Er wundert sich über die gesetzliche Vorgabe, Grundwassermessstellen einzurichten und dafür neue Probebohrungen durchzuführen: „Dadurch, dass wir Galvanik-Betrieb sind, haben wir bereits drei Grundwassermessstellen, die Bohrungen haben uns knapp 100.000 Euro gekostet. Warum sollte ich neue Probebohrungen machen – noch dazu für Wasser, das wir in zwei Gase zerlegen wollen? Ich bin froh, mit dem Regierungspräsidium in Gießen einen Partner an der Seite zu haben, welcher uns in allen Genehmigungsfragen intensiv unterstützt“.
Frank Benner hofft auf weitere Unterstützung der anderen beteiligten Behörden, die Bildung neuer Netzwerke und vor allen Dingen auf Unterstützung aus der Politik, auch konkret in Form von Fördermaßnahmen: „Dieses Projekt muss politisch gewollt sein. Wir brauchen Konzepte für und in Deutschland. Hier müssen wir jetzt einfach mal Gas geben!“ Iris Baar
Kontakt:
B+T Unternehmensgruppe
Tel.: 06 44 1 / 78 06 20
bt-unternehmensgruppe.de
LahnDill Wirtschaft März/April 2024