Metallgießerei Stauß, Gladenbach

Den Krisen immer einen Schritt voraus sein

Von der Metallgießerei zur innovativen Leichtmetallmanufaktur

Als ihre Mutter im Dezember 1970 unternehmerisch neue Wege einschlug, mit ihrem Mann als Geschäftsführer die Metallgießerei Stauß KG in Gladenbach-Mornshausen gründete und einen Vertrag als Gesellschafterin unterzeichnete, stammte die zweite Unterschrift auf dem Gesellschaftervertrag von Roswitha Stauß – mit damals gerade einmal 16 Jahren. Seit mehr als einem Vierteljahrhundert steht die Tochter nun selbst als Geschäftsführerin an der Spitze des Unternehmens. Mit Leidenschaft, Mut und Ideen hat sie den kleinen Familienbetrieb in den vergangenen 25 Jahren durch mehrere Krisen geführt – zuletzt durch die Corona-Zeit.

Mit Mut durch die Krisen
„2000 war ein ganz schwieriges Jahr“, erinnert sich Roswitha Stauß. Da haben wir unsere drei größten Kunden verloren und damit 50 Prozent des Umsatzes. Roswitha Stauß brachte durch großes persönliches Engagement und private Mittel die Firma wieder zum Laufen.
„2005 konnten wir einen Spezialisten für Magnesiumguss gewinnen und sind seit dieser Zeit eines von vier Unternehmen in Deutschland, die auf Magnesiumsandguss spezialisiert sind. Geplant war die Fertigung von Prototypen für die Sauganlagen in der Automobilindustrie. Dann wurde von den Kunden von heute auf morgen auf eine andere Technik umgestellt.“ Es war der zweite harte Schlag, den die Firmenchefin einstecken musste. „Wir hatten gerade Mitarbeiter für diesen neuen Fertigungsbereich eingestellt, einen Kredit aufgenommen und hohe Umsatzerwartungen gehabt.“
Es gab neue – gute - Kontakte in die Automobilbranche, die jedoch sehr zeitaufwendig ausgebaut werden mussten, um zu Aufträgen zu kommen. „Endlich hatten wir bei einem großen deutschen Autokonzern Fuß gefasst, da kam die Wirtschaftskrise.“ Es war das Jahr 2008. Als das Unternehmen sich von diesem – dritten – Schlag erholte, kam die Dieselkrise. Der Gießerei, die hauptsächlich Zulieferer für die Automobilbranche ist, brach der Umsatz erneut um die Hälfte ein. „An diesem Punkt entschieden wir uns, den Krisen immer einen Schritt voraus zu sein. Seitdem investierten wir verstärkt in die Forschung. Unser Ziel ist es, unsere Firma, die MGST, wobei die Abkürzung für Metallgießerei Stauß und auch für Magnesium, Guss, Sandguss und Teamleistung steht, zu einer innovativen Leichtmetallmanufaktur auszubauen. Mit unserer Leidenschaft für den Leichtbau, neuen Legierungen und umweltfreundlichen Bindersystemen und anderem leisten wir einen Beitrag das Ziel der Industrie zur CO2-Einsparung zu erreichen.“
In Zukunft jedoch will Roswitha Stauß den Krisen immer um einen Schritt voraus sein und setzt auf Forschungsvorhaben, um ihre Firma voranzubringen – mit Erfolg: In diesem Zusammenhang ist ein bewilligtes ZIM Projekt, das Zentrale Innovations-programm Mittelstand des Wirtschaftsministeriums zu nennen. Die Firma trägt ein Wirtschaftssiegel für innovative Forschung und ist inzwischen Mitglied in der Europäischen Forschungsgemeinschaft Magnesiumguss (EFM). Seit Anfang des Jahres ist Stauß mit ihrem Unternehmen für die Forschungsergebnisse sogar ausgezeichnet worden – mit dem Technologie Sonderpreis beim Magnesium Euroguss-Award 2020 in Nürnberg – dort durfte sie sich erstmalig auf dem Stand der Europäischen Forschungsgemeinschaft Magnesiumguss präsentieren.
„Den Preis haben wir für unsere Bemühungen erhalten, qualitativ hochwertigen Magnesium- und Aluminiumsandguss mit einem umweltfreundlichen Bindersystem zu realisieren. Dieser neue Formstoff, Purolit, enthält keine aromatischen Alkohole, kein Formaldehyd, keine giftigen organischen Verbindungen, ist als ungiftig gekennzeichnet und erlaubt zusätzlich eine Verbesserung der Gussqualität“, erklärt Roswitha Stauß. Der Sonderpreis wurde ebenfalls an die Firma Bindur aus Leipzig, Entwickler des neuen Purolit-Bindersystems verliehen. Noch in diesem Jahr plant das Unternehmen die Umstellung der gesamten Fertigung auf das neue Formstoff-System. „Damit wollen wir einen wichtigen Beitrag im Bereich Arbeits- und Umweltschutz leisten.“ Wenn sie „wir“ sagt, meint sie sich und vor allem ihr Team aus zwölf Mitarbeitern.
Schon von klein auf hat Roswitha Stauß das Thema Metall interessiert. „In der Schulzeit habe ich einen Film über die Eisen- und Stahlherstellung gesehen, da war es um meine Liebe zur Gießerei endgültig geschehen“, erzählt die Ingenieurin. Dass die Metallgießerei eine sehr männerdominierte Branche war – und bis heute ist – hatte sie dabei nie gestört. Roswitha Stauß machte ihr Abitur und ging – entgegen der elterlichen Ratschläge – zum Gießereikunde-Studium an die Fakultät für Bergbau und Hüttenkunde der RWTH Aachen. „Dort habe ich als erste Frau angefangen, zu studieren und meinen Abschluss gemacht.“ Da sie, um die elterliche Firma leiten zu können, auch betriebswirtschaftliche Kenntnisse benötigte, sattelte sie in Aachen noch ein Wirtschaftsingenieurstudium drauf und kehrte Mitte der 80er Jahre als Diplom-Ingenieurin sowie als Diplom-Wirtschaftsingenieurin nach Gladenbach-Mornshausen an die Seite ihres Vaters in die Geschäftsleitung zurück. Seit 1994, nach dem Tod des Vaters in 1995, ist sie alleinige Geschäftsführerin.
„Wir hatten viel Pech gehabt in den vergangenen Jahren“, erzählt Roswitha Stauß. „Die Branche verändert sich ständig.“ Für sie war klar: „Wir wollen nicht mehr reagieren, sondern proaktiv vorangehen.“ Dabei wird die Firmenchefin von ihrem Mann unterstützt. „Wir haben uns beim Studium in Aachen kennengelernt.“ Aus ihrem Fachgebiet kam er zwar nicht, doch ist der promovierte Diplombiologe in den Themen der virtuellen Gießerei (gießtechnische Simulation seit 2003) und 3-D-Messtechnik tätig. „Mein Mann ist nicht nur unser Prokurist, sondern auch unser virtueller Gießer“, so Roswitha Stauß. Im Rahmen des aktuellen ZIM-Projektes arbeiten beide mit Projektpartnern daran, eine gießtechnische Messeinrichtung zu entwickeln, mit der die Schmelzeeigenschaften unmittelbar vor dem Gießprozess beurteilt werden können. „Es gibt so viele Themen in der Gießerei, die bis heute wenig erforscht sind“, so Roswitha Stauß. „Wir haben jetzt verschiedene Themen eingereicht und wollen weitere Forschungsprojekte realisieren.“

Das Team der Metallgießerei Stauß KG fertigt im Sandgussverfahren hochwertige Gussteile aus allen gängigen Aluminium- und Magnesium- legierungen sowie hochwarmfesten Magnesium-Sonderlegierungen. In Mornshausen hergestellte Sandgussprototypen werden unter anderem zur Erprobung im Automobilsektor benötigt, um die teilweise zwölf Monate dauernde Produktionszeit der Druckgussform für die spätere Serienfertigung zu überbrücken. Neben Prototypen stellt die Gießerei Stauß auch Vorserien- und Serienteile bis hin zu einbaufertigen Komponenten her. Im Aluminium- gussbereich werden Gussteile mit einem Stückgewicht bis 200 Kilogramm und im Magnesiumgussbereich bis 120 Kilogramm produziert.
Einige Gussteile sind im Büro von Roswitha Stauß ausgestellt: unter anderem Sandgussprototypen für Getriebegehäuse oder die Lenkung im Audi Rennsportbereich, Kronen von Straßenlaternen in Potsdam, ein Präsentationsständer für die Olympus E1 Kamera im Kokillengussverfahren, Sitze und Sitzstrukturen für Zahnarztstühle oder Siegelbrücken für Verpackungsmaschinen.