50 Jahre Auto-Müller in Rechtenbach

"Ich treffe gerne und schnell Entscheidungen"

Sie geht mit Energie nach vorne, packt an, setzt um: Als Sabine Fremerey-Warnecke 2007 vor der Wahl stand, die Firma ihrer Eltern, das Autohaus Müller in Rechtenbach, alleine weiterzuführen, zögerte sie keine Sekunde, denn: „Entscheidungen auf die lange Bank zu schieben, ist nicht mein Ding!“ Sie einigte sich mit ihrem Bruder und ging volles Risiko. Der Einsatz hat sich gelohnt: Das Autohaus für die Marken Audi und VW sowie die Nutzfahrzeugsparte ist seitdem kontinuierlich gewachsen. Und nicht nur das: „ 2008 in der Wirtschaftskrise und jetzt im Coronajahr sind wir mit einem blauen Auge durch die Zeit gekommen“, erzählt die 52-jährige Geschäftsfrau. „Und auch die VW-Absatzkrise haben wir erfolgreich mit unserer Mannschaft gemeistert. Unser Autohaus ist technisch wie auch organisatorisch sehr gut strukturiert und wir nehmen Herausforderungen im Team aktiv an. Es gibt immer Lösungen. Manchmal findet man vielleicht nicht die Beste, aber eine umgesetzte 70-Prozent-Lösung ist allemal besser als eine theoretische nicht umgesetzte 100-Prozent-Lösung. Das gilt auch für schwierige Situationen und das gilt für alle Lebenssituationen, nicht nur für das Autohaus.“
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Zeit für den nächsten Schritt: Zum 50. Geburtstag des Unternehmens hat Auto – Müller zum 1. Mai 2021 nun das Wetzlarer Skoda Autohaus Krion mit rund 20 Mitarbeitern übernommen. „Wir planen perspektivisch an unserem zweiten Standort mindestens 250 Neuwagen und 200 Gebrauchtwagen jährlich zu verkaufen und das Werkstattgeschäft weiter auszubauen“, so Sabine Fremerey-Warnecke.
650 Neuwagen und 1250 Gebrauchtwagen rollen bereits bei Auto - Müller in Rechtenbach jährlich vom Hof, das Unternehmen mit 94 Mitarbeitern hat 55 Werkstattdurchgänge pro Tag und einen Jahresnettoumsatz von aktuell 40 Millionen Euro. „Die neue Marke Skoda passt nicht nur zu uns, sondern ergänzt unser Angebot optimal“, so Sabine Fremerey-Warnecke. Sie schätzt, dass sich der Automobilhandel in den kommenden Jahren konsolidieren wird, „nur, wer gut aufgestellt ist, wird überleben“.
Sabine Fremerey-Warnecke ist eng mit der Geschichte von Auto- Müller verbunden. „Als meine Eltern das Unternehmen auf der grünen Wiese in Rechtenbach gründeten, war ich grade ein Jahr alt, und die Landstraße vor unserer Tür hat es noch nicht gegeben“, erzählt sie von den Anfängen. Das war 1970, zum Verkauf standen Volkswagen. Zwei Jahre später kam schon die Marke Audi dazu, fünf große Bauabschnitte später - 2017 – wurde mit der Nutzfahrzeughalle der jüngste Anbau abgeschlossen. „Ich selbst habe schon als Schülerin mit 15 Jahren im Betrieb mitgearbeitet, erst die Ablage gemacht, später dann die Kunden im Service bedient und Termine vergeben.“ Während ihres BWL-Studiums in Gießen packte sie samstags mit an, aber, erinnert sich die gebürtige Rechtenbacherin lachend: „Ich wollte das Autohaus nie übernehmen!“ Für die Aufgabe sah sie ihren Bruder, einen studierten Maschinenbauer, besser aufgestellt.
Als während ihres Studiums beide Eltern erkrankten, nahmen die Geschwister die Geschicke der Firma in die Hand. „Mit 28 Jahren frisch von der Uni stand ich plötzlich vor der Frage, ob ich das Erbe antrete oder nicht.“ Sabine Fremerey-Warnecke, die sich als „sehr freiheitsliebend“ bezeichnet, entschied sich – zusammen mit ihrem Bruder - für die Firma. 2007 trennten sich die Wege der Geschwister, seitdem führt Sabine Fremerey-Warnecke das Autohaus alleine. „Meine Tochter war damals gerade fünf Jahre alt, viele Bekannte rieten mir von der Aufgabe in dieser schwierigen Zeit ab. Die Wirtschaftskrise 2008 stand quasi schon vor der Tür.“
Doch das war für die ehemalige Handballerin, die es bis in die Junioren-Nationalmannschaft geschafft hatte, keine Option. Warum auch? Entschlossenheit und Durchhaltevermögen kannte sie vom Sport, ebenso wie den Umgang mit Niederlagen. Ihr Motto: „Aufstehen, Krone richten, weitergehen.“
Bereut hat sie ihre Entscheidung nie. Inzwischen sind bei Auto Müller alle Schlüsselpositionen, die früher von Familienmitgliedern besetzt waren, altersbedingt extern neu besetzt worden. „Ich sehe uns aber nach wie vor als Familienunternehmen, denn wir führen die alte Wertestruktur weiter.“ Dazu gehört für die Chefin Transparenz in allem Tun und das Einsetzen der Mitarbeiter gemäß ihres Naturells. „Mit Freude an der Arbeit kommt der Erfolg fast von ganz allein.“ Die Treue der Belegschaft gibt ihr Recht: Es gibt kaum Fluktuation.
Den digitalen Wandel in der Automobilbranche hat sie ebenfalls im Griff, wobei es nicht nur um die optimale Verwaltung von Kundendaten mit einem eigenen CRM System geht: „Wir setzen beispielsweise bei einem virtuellen Beratungsgespräch eine augmented reality-Brille ein. Ein Verkäufer setzt die Brille auf und bedient auf telefonische Anweisung des Kunden das Auto. Der kann nun jeden Handgriff über den Bildschirm verfolgen und erhält Einblicke in Koffer- oder Motorraum und kann das Auto kennenlernen, als wäre er vor Ort.“ Überhaupt können Kunden bei Auto Müller im Laufe diesen Jahres noch komplett digital einkaufen. „Autos sind inzwischen fahrende Computer“. „Das bedeutet allerdings auch, dass das Qualifizierungsniveau der Mechatroniker in der Werkstatt stetig nach oben angepasst werden muss.“
Sorge vor der Zukunft hat Sabine Fremerey-Warnecke nicht. „Ich bin Unternehmerin. Zum Unternehmertum gehört es, einschätzbare Risiken einzugehen und in Veränderungen zu denken.“ Das Autohaus Müller ist für die Zukunft aufgestellt. Das nächste halbe Jahrhundert kann kommen.