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Nach Acht Jahren noch keinen Aufenthaltsstatus
Es war ein richtiger Glücksgriff. Als Burkhard Wendel 2015 im Camp für minderjährige Geflüchtete in Heisterberg auf Amin und seinen Landsmann Saif (Name von der Redaktion geändert) traf, wusste er noch nicht, mit welch geschickten Händen sich die beiden jungen Afghanen schon kurze Zeit später in seinem Betrieb engagieren würden:
„Sie einzustellen war eine meiner besten Entscheidungen, die ich in den vergangenen Jahren getroffen habe“, sagt der Geschäftsführer der Firmen Country Living und Wood Crafters in Breitscheid. Leider gibt es bei allem Engagement einen Wermutstropfen: Die Bürokratie in Deutschland macht dem Arbeitgeber und seinen beiden Arbeitnehmern aus dem Ausland das Leben schwer. Saif weiß beispielsweise bis heute nicht, ob er überhaupt in Deutschland bleiben darf. Der Antragsmarathon um Duldung, Aufenthaltserlaubnis oder -genehmigung nimmt einfach kein Ende.
„Viele der geflüchteten Menschen wollen hier arbeiten, um ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern. Es sind im Prinzip alles kleine Unternehmer, die zu Fachkräften werden wollen. Die müssen wir fördern, statt sie durch ständig neue Auflagen zu behindern“, sagt Wendel und erzählt von den Anfängen der beiden damals 17 und 18 Jahre alten Flüchtlinge mit Deutschkursen, Praktikum und Prüfungen. Beide lernten fleißig, schafften die Sprachprüfungen, holten Abschlüsse nach und starteten in Breitscheid schließlich ihre Ausbildung zum Holzmechaniker, die sie inzwischen beide beendet haben – mit Folgeanstellung als Vollzeitkraft.
Amin sieht seiner Zukunft vergleichsweise positiv entgegen. Es hat nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung für zwei Jahre eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen und hofft, dass diese weiter verlängert wird. Auch eine Einbürgerung kann er sich vorstellen. Damit ist er einen deutlichen Schritt weiter als sein Kollege Saif, der seit Jahren – bei allem was er tut – symbolisch auf gepackten Koffern sitzt. Das größte Problem bei ihm: Er ist zwar Afghane, wurde ab
er in einem Flüchtlingslager in Pakistan geboren. Keines der beiden Länder will ihm einen Pass ausstellen. Er ist quasi staatenlos, lebt so seit acht Jahren in Deutschland, ist deshalb nur „geduldet“ und darf das Bundesland Hessen nicht verlassen, erzählt Wendel.
„2019 sollte ich wegen guter Integration eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, das scheiterte aber daran, dass mein Pass fehlte“, so Saif. Bislang habe er eine Ausbildungsduldung gehabt, die sei jetzt – nach Abschluss der Ausbildung – abgelaufen. „Jetzt kommt die Abschiebungsduldung, sie gilt dann für drei Monate“, erklärt der junge Afghane. Allerdings dürfe er mit der Duldung das Bundesland nicht verlassen, erklärt Wendel weiter: „Ich kann ihn also nicht zu Kunden außerhalb Hessens mitnehmen, auch auf Messen in anderen Bundesländern darf er nicht, obwohl er seit acht Jahren in Deutschland lebt, hier Steuern zahlt, unsere Sprache richtig gut spricht und sich nie etwas hat zuschulden kommen lassen.“ Saif habe beispielsweise ein Büromöbel weiterentwickelt, dessen Design bereits in Japan die Aufmerks
amkeit auf sich gezogen habe. Wendel: „Ich würde ihn gerne auf Außentermine auch außerhalb Hessens mitnehmen, damit er seine Arbeit selbst den Kunden präsentieren kann. Das ist leider nicht möglich.“
Er halte es darüber hinaus für einen unerträglichen Zustand für einen Menschen, nicht zu wissen, ob nicht vielleicht doch die Abschiebung droht, so Wendel weiter. Kritik äußert er auch an einem „unüberschaubaren Papierdschungel“, da die Digitalisierung in dem Bereich noch in den Kinderschuhen stecke: „Es geht von Amt zu Amt, und überall gibt es ein neues Papier. Warum machen wir es in Deutschland den Menschen so schwer, hier Fuß zu fassen?“ Seiner Meinung nach könne dem Fachkräftemangel allein schon mit den vielen jungen arbeitswilligen Geflüchteten, die sich in Deutschland aufhalten, entgegnet werden. Dazu bedürfe es einer gemeinsamen Anstrengung von Politik und Wirtschaft, auch die Kirchen könne man ins Boot holen: „Bürokratieabbau natürlich zwingend vorausgesetzt“, sagt Wendel, dem in Deutschland eine entsprechende Willkommenskultur für die Menschen, die sich einbringen und in Deutschland arbeiten wollen, fehlt: „Die Mehrheit der Menschen wollen etwas tun, und unsere Wirtschaft braucht sie. Die Politik muss endlich handeln.“
Gedanklich, sagt Wendel, seien seine beiden jungen Mitarbeiter längst in Deutschland angekommen und bestens integriert. Jetzt wären sie es gerne noch auf dem Papier. Wendel: „Doch das ist in Deutschland leider immer noch viel zu geduldig.“
LahnDill Wirtschaft November/Dezember 2023
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