Standortpolitik

Wirtschaftsbericht Jahreswechsel 2020/2021

Handel und Dienstleistungen leiden unter erneutem Lockdown; Produzierendes Gewerbe als Zugpferd; Investitionsabsichten unter langjährigem Mittel
Die seit Herbst verschärften Coronamaßnahmen und die damit einhergehenden Schließungen großer Teile der Wirtschaft zeigen ihre Auswirkungen in den Ergebnissen der aktuellen Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee. Die Erwartungen über den weiteren Verlauf der Konjunktur sind zum Jahreswechsel bei den Unternehmen im IHK-Bezirk im Vergleich zum Herbst zurückgegangen. Insbesondere der Handel und Teile der Dienstleistungsunternehmen leiden unter dem erneuten Lockdown. „Das produzierende Gewerbe ist momentan das Zugpferd der Konjunktur“, so Dr. Alexander Graf, bei der Kammer zuständig für die Konjunkturumfrage. „Aufgrund der Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Pandemie und des Fehlens einer verlässlichen Öffnungsperspektive sinken die Erwartungen vieler Unternehmen bezüglich der weiteren Konjunkturentwicklung.“ Der von der IHK errechnete Index für das Konjunkturklima in der Region sinkt von 111 Punkten in der Herbstbefragung auf 102 Punkte zum Jahreswechsel. Damit liegt die Region unter dem Landesschnitt. Corona hält weiter die Wirtschaft im Griff und sorgt dafür, dass auch die Investitionsabsichten der Unternehmen weiter unter dem langjährigen Mittel in der Region bleiben.

Geschäftslage verschlechtert

Die Einschätzung der aktuellen Geschäftslage durch die Unternehmen ist im Vergleich zum Herbst leicht gesunken. Der „Lage-Indikator“ befindet sich mit 111 Punkten (Herbst: 107 Punkte) deutlich entfernt vom Vorjahreswert (146 Punkte). Trotz der erneuten konjunkturellen Eintrübung der vergangenen Monate ist die Lage der Betriebe in der Region alles in allem noch relativ gut. Insgesamt beurteilen 38 Prozent der teilnehmenden Unternehmen ihre momentane Geschäftslage als befriedigend, 28 Prozent als schlecht, aber auch 34 Prozent als gut. Im Vergleich zum Landesschnitt sind die Einschätzungen aus der Region damit leicht unterdurchschnittlich.

Industrie mit steigender Auslastung

Positive Signale kommen von den Produktionsbetrieben. Deren Einschätzungen zur Lage haben sich gegenüber der Herbstbefragung verbessert. Mit einem von 103 auf 114 gestiegenen Indikatorwert für die Lage der Industrieunternehmen in der Region Hochrhein-Bodensee setzt sich die Erholung seit dem massiven Einbruch im Frühjahr 2020 weiter fort. Der Anteil der Unternehmen im produzierenden Gewerbe, die die Geschäftslage als gut bezeichnen, liegt bei rund 34 Prozent. Der Anteil der Unternehmen, die ihre Lage als schlecht bezeichnen, ist seit Herbst von 27 auf nun 19 Prozent gesunken. Gefestigt zeigt sich auch der Auslastungsgrad der Kapazitäten in der regionalen Industrie. Mit einer Veränderung von 76 auf rund 81 Prozent ist auch hier eine Zunahme zu verzeichnen, das langjährige Mittel ist aber noch nicht wieder erreicht.
Wie auch im Herbst berichten aktuell mehr Produktionsbetriebe bei der Entwicklung der Auftragseingänge von einer steigenden Tendenz (33 Prozent) als von fallenden Auftragszahlen (21 Prozent). Bei knapp jedem zweiten Betrieb besteht eine gleichbleibende Tendenz im Auftragseingang. Damit kommen die meisten Industriebetriebe bisher besser durch die Krise als zunächst prognostiziert.

Dienstleistungsbereich sehr differenziert

Im Dienstleistungsbereich gehen die Beurteilungen der Lage weit auseinander, insgesamt nimmt die Zahl der negativen Antworten zu. Sprechen beachtliche 38 Prozent der Dienstleister von einer guten Lage, so hat sich der Anteil derer, die ihre Lage als schlecht einschätzen, aber seit Herbst von 14 auf 29 Prozent verdoppelt. Beim Umsatz verzeichnen 58 Prozent einen Rückgang gegenüber dem gleichen Vorjahresquartal. Und auch die derzeitige Tendenz bei der Nachfrage zeigt sich weniger erfreulich als im Herbst: Jeder zweite Dienstleister verzeichnet ein gleichbleibendes Auftragsvolumen; der Anteil der Dienstleister mit steigendem Volumen geht von 28 auf 21 Prozent zurück, während bei rund 30 Prozent das Volumen abnimmt. Das ist wenig verwunderlich, wenn Teilbereiche wie die Veranstaltungsbranche seit fast einem Jahr im Lockdown sind, die Gastronomie erneut komplett geschlossen ist und körpernahe Dienstleistungen ebenfalls wieder stark eingeschränkt sind.

Handel stark getroffen

Die Einschätzung der Geschäftslage im Handel fällt zum Jahreswechsel insgesamt negativer aus als noch im Herbst. Waren es damals 72 Prozent, die von einer befriedigenden Geschäftslage sprachen, so sind es aktuell noch 34 Prozent. Gleichzeitig hat sich der Anteil der Händler, die sich in einer schlechten Geschäftslage befinden, von 20 auf 41 Prozent verdoppelt. Allerdings hat sich auch der Anteil derer, die die aktuelle Lage als gut bezeichnen, von 7 auf nunmehr 25 Prozent deutlich erhöht. Weiter berichten 60 Prozent der Betriebe von gegenüber dem Vorjahresquartal gefallenen Umsätzen. Die Ertragslage wird von 48 Prozent der Händler als schlecht beurteilt, von 29 Prozent als befriedigend und von 23 Prozent als gut. Offensichtlich gelang es einem Teil der Händler, über Kundenbindung und Onlineverkäufe das Weihnachtsgeschäft einigermaßen zu retten. Momentan schätzen 55 Prozent der Befragten das aktuelle Kaufverhalten der Kunden unter den vorgegebenen Coronarestriktionen als zurückhaltend ein.

Erwartungen für die kommenden zwölf Monate

Die Erwartungen der Unternehmen an die Entwicklung der kommenden zwölf Monate sind aufgrund des erneuten harten Lockdowns und der Entwicklung der Pandemie in den vergangenen Wochen gegenüber der Herbstumfrage rückläufig. Aktuell gehen nun 32 Prozent der Betriebe von einer Verschlechterung in den kommenden zwölf Monaten aus, 31 Prozent von einer Verbesserung der Geschäfte. 37 Prozent der Betriebe sehen keine wesentlichen Veränderungen voraus.
Dabei schauen die Betriebe des produzierenden Gewerbes mehrheitlich positiv nach vorne. 45 Prozent erwarten eine Verbesserung der Geschäfte in diesem Kalenderjahr und weitere 45 Prozent sehen zumindest eine gleichbleibende Entwicklung voraus. Mit einer Verschlechterung der Geschäfte rechnen nur noch zehn Prozent. Ähnlich verhält es sich bei den erwarteten Umsätzen, bei denen 47 Prozent der Produktionsbetriebe steigende Zahlen prognostizieren. Und auch dem Export trauen 42 Prozent der Unternehmen einen Aufschwung zu.
Die Erwartungshaltung in der Dienstleistungsbranche hat sich dagegen eingetrübt. Glaubte im Herbst noch jeder zweite Dienstleister an bessere Geschäfte, so sind es aktuell noch 37 Prozent. Gleichzeitig hat sich der Anteil derer, die mit schlechteren Monaten rechnen, von 18 auf 28 Prozent erhöht.
Im Handel sehen die Umfragewerte noch dramatischer aus. Hier sehen nur neun Prozent der Händler in den kommenden zwölf Monaten bessere Geschäfte für ihren Betrieb. Mehr als jedes zweite Unternehmen (57 Prozent) erwartet eine Verschlechterung der Situation, rund ein Drittel geht von einer gleichbleibenden Entwicklung aus.
Den Händlern, aber auch teilweise den Dienstleistern fehlen aktuell schlicht Öffnungsperspektiven. Dort, wo der Wirtschaftsverkehr von strengen Hygienekonzepten begleitet wiedereröffnet werden kann, muss dies – so spät wie nötig, aber auch so früh wie möglich – erfolgen.

Investitionsabsichten

Die Investitionsabsichten der Unternehmen im Inland stagnieren coronabedingt unter dem langjährigen Mittel. Ausschlaggebend ist auch hier die Verunsicherung über den weiteren Verlauf der Pandemie. So gehen insgesamt 21 Prozent der Unternehmen von zunehmenden Investition aus, während 29 Prozent geringere Investitionen und 14 Prozent keine Investitionen in den kommenden Monaten vornehmen wollen. Im Handel ist der Anteil an Betrieben, die beabsichtigen, nicht zu investieren, mit 34 Prozent so hoch wie nie. Verwendet werden sollen die Mittel in der Industrie insbesondere zur Beschaffung von Ersatzbedarfen (76 Prozent) und für Rationalisierungsvorhaben (47 Prozent). Im Dienstleistungsbereich sind die Hauptmotive Digitalisierungsvorhaben (66 Prozent) und der Ersatzbedarf (54 Prozent) genauso wie bei den Handelsbetrieben, bei denen ebenfalls die Investitionen in Ersatzbeschaffungen (65 Prozent) und die Digitalisierung (48 Prozent) überwiegen.
Zu einem allgemeinen Schub bei den Investitionsvorhaben dürfte es erst wieder kommen, wenn die Ausbreitung des Virus gestoppt ist und sich die Lage dahingehend entspannt hat, dass die Unternehmen eine positive Planungssicherheit haben.

Konjunkturelle Risiken

Somit wenig verwunderlich ist die Coronapandemie branchenübergreifend das aktuell meistgenannte Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung der Unternehmen in der Region (84 Prozent). Bislang war die Kapitalausstattung für den Großteil der Unternehmen keine Existenzfrage. 45 Prozent der Befragten (Herbst: 51 Prozent) geben an, dass die Coronakrise keine negativen Auswirkungen auf die Finanzierungssituation des Unternehmens hat. Aber 36 Prozent verzeichnen einen Rückgang des Eigenkapitals, bei 15 Prozent treten Liquiditätsengpässe auf und zwölf Prozent kämpfen mit Forderungsausfällen. Von drohender Insolvenz sprechen aktuell drei Prozent der Befragten im Kammerbezirk. Jede zeitliche Ausdehnung der Krise lässt diese Risiken weiter ansteigen.
Über allen Erwartungen steht die Hoffnung, dass die Pandemie entscheidend eingedämmt werden kann und die Restriktionen für die wirtschaftliche Tätigkeit der Unternehmen nachhaltig zurückgenommen werden können. Dann wird für die überwiegende Zahl von Unternehmen die Verunsicherung zugunsten einer Perspektive für eine tragfähige eigenständige Geschäftstätigkeit weichen. Dafür ist es aber auch notwendig, dass die Pandemie global zum Erliegen kommt. Für ein nachhaltiges Anziehen der Weltkonjunktur setzt die Wirtschaft dabei auf flächendeckende Impfungen, um COVID-19 entscheidend zurückzudrängen. Die dann möglichen Nachholeffekte von privatem Konsum und Unternehmens-investitionen werden zu einem breiten Wirtschaftswachstum führen. Auf die Rückkehr zu einer normalen Geschäftstätigkeit noch in 2021 hoffen 41 Prozent der Betriebe. Zwölf Prozent geben an, bereits (wieder) an der Vorkrisenauslastung tätig zu sein. Die OECD rechnet momentan für das Jahr 2021 mit einem Wachstum des realen Bruttoinlandsproduktes in Deutschland von 2,8 Prozent, die Bundesregierung geht aktuell von 3,0 Prozent aus.