Wirtschaft im Südwesten

"Ich weiß unter welchem Druck Unternehmen stehen"

Die Energiewende läuft – aber nicht schnell genug. Auch nicht im Südwesten. Über Bremsen und Beschleuniger beim Ausbau des Solarstroms hat WiS-Autorin Doris Geiger mit Joachim Plesch gesprochen. Der Konstanzer Unternehmer hat mit der Gorfion Green Energy GmbH nicht nur ein Angebot entwickelt, das Unternehmen den Umstieg auf die Erneuerbaren erleichtern soll. Mit dem Netzwerk „solarLago“ will er den Landkreis Konstanz auch zu einer Vorzeigeregion hinsichtlich erneuerbarer Energien machen.

Das Wort Blackout gehört selbst bei Zeitungen wie dem Handelsblatt mittlerweile zum täglichen Vokabular. Wie beurteilen Sie die Netzstabilität?
Die Netzbetreiber haben die vergangenen zehn Jahre – bewusst oder unbewusst – schlichtweg verschlafen. Sie haben nur wenige notwendige Investitionen in die Netze getätigt und nun stehen viele vor der Aufgabe, die neuen Energiequellen zu integrieren und sind heillos überfordert. Allerdings ist das auch ein Versäumnis der Politik, da gerade ab 2012 von der damaligen Regierung die Vollbremsung beim Ausbau der erneuerbaren Energien regelrecht gefeiert wurde. So hatten auch die Netzbetreiber nicht unbedingt Klarheit, wohin es geht. Und ja, wahrscheinlich kann es an einigen Stellen im Netz Probleme geben, die es aber jetzt auch schon ohne einen noch größeren Photovoltaik-Ausbau gibt. Ich sehe das als nicht so drastisch. Wobei natürlich der Netzausbau gepaart mit dem Ausbau dezentraler Speicher dringend notwendig ist für die Energiewende. Aber sorry, da müssen alle Beteiligten jetzt einfach mal aufwachen und was tun. Und wenn zu viel Leistung von Erneuerbaren zugebaut wird, dann haben die Netzbetreiber ja immer noch die Möglichkeit, im Rahmen ihrer Netzverträglichkeitsprüfungen darauf zu reagieren. Es kann nicht sein, dass wir aus Rücksicht darauf, dass mal wieder ein paar Bürokraten Däumchen drehen und erschrecken, wenn es etwas zu tun gibt, die Energiewende um sie herumplanen. Schlussendlich gehen aber alle Projekte, die ich bei Unternehmen derzeit sehe, in die Richtung, auch mit Speichern möglichst viel des Stroms selbst vor Ort zu verbrauchen, so dass auch wenig Netzlast entsteht.
Gorfi on Green Energy nutzt die Dachflächen von Unternehmen für die Erzeugung von Photovoltaikstrom, weil diese sich die Investition entweder nicht leisten können oder nicht wollen – Solar as a Service. Sind die Unternehmen unsicher, ob und welche Maßnahme die richtige ist?
Richtig. Das hängt damit zusammen, dass die Energiewende absolut nicht gut kommuniziert wurde. Leider setzt sich das augenblicklich weiter fort, weil die Regierung im Rahmen ihrer Haushaltseinigung angekündigt hat, die Einspeisevergütung abzuschaffen und durch einen Investitionszuschuss zu ersetzen. Allerdings ohne zu erklären, wie das alles funktionieren soll. Damit ist eben die Planbarkeit dahin.
Gefährdet das Ihr Geschäft?
Wir haben für unser Business keine Bedenken, weil die Veränderung, die wir unterstützen, einfach stattfinden muss. Ich komme selbst aus dem Mittelstand und ich sehe sehr klar, unter welchem Druck die Unternehmen stehen – auch wenn manche das noch gar nicht erkannt haben. Es gibt noch viel zu viele Dachflächen ohne Photovoltaik. Das war es, was bei meinem Freund und Kollegen Sebastian Pingel und mir einen Denkprozess ausgelöst hat. Wir haben gesehen, dass das Thema Energieerzeugung nicht zum Kerngeschäft der Unternehmen gehört, aber ihren Kern sehr heftig berührt. Dazu kommt: Ein 20-Mann-Fertigungsbetrieb hat selbst ganz selten eine Expertise in Sachen Photovoltaik und oft auch nicht das Kapital, solch eine Investition zu tätigen. Hier bieten wir einen Ausweg.
Sie treten dabei in Konkurrenz zu den Energieversorgern.
Teilweise. Wir bieten einen On-Site- PPA an. Ein PPA ist ein Power Purchase Agreement,
eine Stromkaufvereinbarung. Wir liefern Strom, den wir auf dem Dach unserer Kunden erzeugen mit einer Anlage, die uns gehört. Unsere Kunden sind dann in Sachen Strompreis für einige Jahre sicher und sie können grüne Energie ausweisen, ohne sich um irgendetwas kümmern zu müssen. Das ist wichtig, weil deren Kunden und mittlerweile auch die kreditgebenden Banken den CO2-Fußabdruck abfragen. Und die eingesetzte Energie stellt hier nun mal den größten Hebel dar, um diesen zu senken.
Gorfi on Green Energy ist auch Mitglied der Initiative solarLAGO smart energy networks
e.V. – eines Experten-Netzwerks -, das sich als Beschleuniger der Umsetzung der Energiewende in der Bodenseeregion sieht und dessen erster Vorsitzender Sie sind. Wie wird man Vorzeigeregion bei der Energiewende?
Es steht im Raum, dass Deutschland in Energiepreiszonen aufgeteilt werden soll, wobei Baden-Württemberg und Bayern dann wohl zu den teuersten Zonen gehören werden, weil hier am wenigsten Grünstrom erzeugt wird. Die Bodenseeregion ist darüber hinaus leider ziemlich verloren, wenn es um die Versorgung mit grünem Wasserstoff geht. Laut den Planungen zum H2-Kernnetz wäre die nächste Landungsmöglichkeit von uns aus gesehen in Stuttgart. Wir können es uns mit den vielen interessanten Unternehmen um den Bodensee herum aber nicht leisten, im Rahmen der Energiewende abgehängt zu werden.
Welche Wege sehen Sie, um genau das zu vermeiden?
Im März 2024 hat Solar Lago eine Konzeptstudie veröffentlicht: „Energiekette der Zukunft für den Landkreis Konstanz“. Die Studie hat ermittelt, wie sich die Sektoren, die momentan von fossilen Energieträgern abhängig sind, transformieren lassen. Die Lösung sind regenerative Energien und dabei vor allem Photovoltaik. Die Studie hat jetzt erst einmal den Flächenbedarf für die Photovoltaikanlagen identifiziert und welche Investitionskosten diese mit sich bringen.
Und wie sieht das Ergebnis aus?
Wir werden zwei bis acht Prozent der Fläche im Landkreis für die Energieerzeugung durch Photovoltaik benötigen. Landen wir bei acht Prozent, werden sich die Kosten für die PV-Anlagen auf rund 4,7 Milliarden Euro belaufen. Diese Investitionen werden aber nicht vom
Staat, sondern bei einigermaßen ordentlichen Rahmenbedingungen von privater Seite geleistet. Und auch keine Angst vor den acht Prozent – das entspricht nicht einmal der überbauten Fläche im Landkreis. Wenn man dann noch die Potentiale der Agri-PV (Photovoltaik über bspw. Obstplantagen) hinzunimmt, ist das gar nicht so schwer zu erreichen.