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Deutlich weniger Azubis starten heute landesweit ins Berufsleben

Corona hinterlässt deutliche Spuren auf dem Ausbildungsmarkt im Südwesten. So starten heute 6.280 weniger Auszubildende bei Betrieben aus Industrie, Handel und Dienstleistung in Baden-Württemberg ins Berufsleben als 2019. Mit rund 34.250 Neueintragungen bei den Industrie- und Handelskammern im Land sind das 15,5 Prozent weniger Ausbildungsverträge als Ende August letzten Jahres.
„Dass viele Unternehmen aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten und Unsicherheiten in diesem Jahr nicht wie ursprünglich geplant ausbilden können, macht uns große Sorgen“, sagt Marjoke Breuning, Vizepräsidentin des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK) und Präsidentin der IHK Region Stuttgart, der beim BWIHK für Ausbildungsfragen zuständigen Kammer. „Wir müssen alle nur möglichen Anstrengungen unternehmen, um die Betriebe dabei zu unterstützen, weiter in Ausbildung zu investieren und junge Menschen weiterhin für die dualen Berufsausbildung zu gewinnen“, so Breuning. „Jede Fachkraft, die heute nicht ausgebildet wird, fehlt uns morgen auf dem Arbeitsmarkt.“ Aber es gebe auch Grund zum Optimismus, so Breuning. „In den letzten Wochen konnten landesweit noch viele Ausbildungsverträge geschlossen werden. Die Aufholjagd bei der Besetzung der Lehrstellen hat begonnen.“ Sie empfiehlt: „Wer noch überlegt, wie es nach den Ferien weitergeht, der oder die sollte sich so schnell wie möglich an die zuständige IHK oder Arbeitsagentur wenden. Dort gibt es Beratung und Vermittlung von Ausbildungsplätzen.“
Teils erheblicher Einbruch der Ausbildung
Vom Rückgang besonders betroffen sind, die Medien-, Veranstaltungs- und Tourismusbranche und das Verkehrs- und Transportgewerbe. Auch das Gastgewerbe verzeichnet in einigen Regionen deutliche Rückgänge zudem muss die Industrie bei der Zahl der neuen Auszubildenden Federn lassen. Hier kommt zum coronabedingten Rückgang auch der Transformationsprozess mit Digitalisierung und E-Mobilität, wodurch Berufe wie zum Beispiel Industriemechaniker oder Industriekaufmann nicht mehr wie früher nachgefragt werden. Auch die Servicebranche, wie IT-Dienstleister und Banken sind von den Folgen der Corona-Krise betroffen und bilden aktuell weniger aus. Viele arbeiten hier auch im Homeoffice und können eine Ausbildung vorwiegend in Präsenzform nicht mehr durchführen. Ein Plus bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen können dagegen die Versicherungen verbuchen.
Keine verlorene „Generation Corona“ in der Berufsausbildung
„Dass die betriebliche Ausbildung durch Corona kollabiert, davon müssen wir zum Glück nicht ausgehen“, so Breuning. Der Rückgang beim Lehrstellenangebot bedeutet nicht, dass junge Menschen jetzt weniger Chancen auf eine Berufsausbildung haben als vor Corona. Laut Arbeitsagentur standen im Südwesten Ende Juli 19.000 Bewerbern 29.000 freie Lehrstellen gegenüber. In der Vergangenheit konnten jährlich tausende Ausbildungsplätze nicht besetzt werden. „Vielleicht kommt es jetzt zu mehr Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage“, sagt die BWIHK-Vizepräsidentin.
IHK-Lehrstellenbörse mit großem Angebot
„Jeder, der sich für eine betriebliche Ausbildung interessiert, kann sich auf ihk-lehrstellenboerse.de informieren und nach passenden Angeboten suchen“, so Breuning. Allein bei der IHK Region Stuttgart gibt es in der Lehrstellenbörse noch rund 360 freie Ausbildungsplatzangebote mit Start in diesem Herbst. Für 2021 werden schon 1.100 Ausbildungsplätze angeboten. „Und wer eine Beratung braucht, ruft am besten bei seiner zuständigen IHK an. Die stehen alle im Internet“, sagt Breuning.
Viele Abiturienten lernen einen IHK-Beruf
Unter den über 34.250 neuen Auszubildenden sind 11.170 junge Menschen mit Hochschul-Zugangsberechtigung. In der Region Stuttgart haben von rund 7.530 Azubis 2.740 eine Berechtigung zum Studium und entscheiden sich trotzdem für die duale Berufsausbildung. „Dass sich weiterhin viele Abiturienten für eine Ausbildung im Betrieb entscheiden, ist eine erfreuliche Entwicklung und zeigt, dass die Initiativen der Kammern Früchte tragen“, so Breuning. Lag 2009 der Anteil der Auszubildenden mit Fach- oder Hochschulreife noch bei einem Fünftel, so ist es heute landesweit rund ein Drittel. „Die Unternehmen und Kammern werden auch weiterhin nicht müde, die Gleichwertigkeit von dualer Ausbildung und Studium und die Karrierechancen zu betonen und bekannter zu machen“, meint Breuning. Dass dies auch unter den besonderen Bedingungen der Corona-Krise gelingt, sei sehr erfreulich.
Deutlich weniger Geflüchtete in Ausbildung
Im Vergleich zum letzten Jahr sind landesweit rund 310 Geflüchtete weniger in Ausbildung, was vor allem dem Rückgang bei den neuen Verträgen geschuldet ist. Grund dafür sind auch die wegen der Pandemie weitestgehend geschlossenen Grenzen, die den Zustrom Geflüchteter verhindern. Zurzeit stehen in Baden-Württemberg 2.750 Geflüchtete in einem Ausbildungsverhältnis in einem IHK-Beruf. In der Region Stuttgart sind es fast 670.
Einstiegsqualifizierung als Alternative
Im Südwesten werden zudem in diesem Jahr 76 Einstiegsqualifizierungsplätze (EQ) besetzt, davon 25 Plätze mit Geflüchteten. EQ ist ein der Ausbildung vorgeschaltetes Praktikum mit einer Dauer von 6 bis 12 Monaten, in dem bereits Teile einer Ausbildung absolviert und die
Ausbildungsreife erworben werden. So mancher Betrieb, der sich einen regulären Ausbildungsplatz aktuell nicht leisten kann, greift auf das von den Arbeitsagenturen finanziell geförderte Modell zurück.
Ausbildungsprämie kommt zur rechten Zeit
Auch von der Ausbildungsprämie aus dem Bundesprogramm zur Förderung der Ausbildung erhoffen sich die Kammern Anreize für die ausbildenden Betriebe. Im Land haben bisher rund 550 Ausbildungsbetriebe ihre Angaben, die sie im Antrag auf Ausbildungsprämie machen müssen, durch die IHKs bestätigen lassen. Gefördert werden von der Pandemie betroffene Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten, die auch in diesem Jahr mindestens so viele Ausbildungsverträge abschließen wie im Durchschnitt der letzten drei Jahre. Die Kammern haben sich bei der Landesregierung dafür eingesetzt, dass auch größere Ausbildungsbetriebe ab 250 bis 499 Beschäftigte eine Ausbildungsprämie erhalten sollen.
Mehr Digitalisierung in die Berufsschulen
Laut Kammern habe die Pandemie darüber Erkenntnisse beschert, was in der Ausbildung noch nicht so gut funktioniert. Vor allem auch für die Berufsschulen müssten verstärkt digitale Formate wie zum Beispiel Virtual Classrooms weiterentwickelt werden, mahnt Breuning. Zudem müssen die Mittel aus dem DigitalPakt schnell in die Fläche gebracht und Lehrkräfte auf breiter Front für die Digitalisierung qualifiziert werden, richtet sie ihren Appell an die Kultusministerin des Landes.
IHKs unterstützen Betriebe sowie Bewerber und werben für die duale Ausbildung
Mit einer neuen, auf junge Menschen zugeschnittenen Kampagne unter dem Motto „Mach doch, was du willst“ werben die IHKs landesweit für die duale Ausbildung. „Wir haben unsere landesweite Werbekampagne für die Ausbildung auf den Weg gebracht und bundesweit das digitale Berichtsheft für Azubis erfolgreich aus der Taufe gehoben“, so BWIHK-Vizepräsidentin Breuning. Die Kammern im Land unterstützen mit vielfältigen Projekten Unternehmen bei der Suche nach Azubis, begleiten bei der Ausbildung, beraten, helfen bei Konflikten und vermitteln Auszubildene vorübergehend oder auch bis Abschluss der Lehre in ein anderes Unternehmen, sollte der ursprüngliche Ausbildungsbetrieb wegen Corona nicht mehr ausbilden können. „Gerade jetzt in schwierigen Zeiten ist es gut, dass es die IHKs gibt. Die Kammern handeln und übernehmen an der Schnittstelle von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft Verantwortung wahr, nicht zuletzt, um die beruflichen Perspektiven junger Menschen zu sichern“, sagt Breuning.
Eine Übersicht der Ausbildungsprojekte der IHKs in Baden-Württemberg finden Sie hier.