Recht und Steuern
Bildungszeitgesetz Baden-Württemberg
Seit dem 1. Juli 2015 gilt das Bildungszeitgesetz Baden-Württemberg (BzG BW). Damit haben auch Beschäftigte in Baden-Württemberg einen Anspruch darauf, sich zur beruflichen oder politischen Weiterbildung von ihrem Arbeitgeber an bis zu fünf Tagen pro Jahr bezahlt freistellen zu lassen (Bildungszeit).
- Wofür kann Bildungszeit in Anspruch genommen werden?
- Wer ist berechtigt Bildungszeit zu beantragen?
- Wie hoch ist der Anspruch auf Bildungszeit?
- Bildungszeit während Ausbildung oder Dualem Studium
- Welche Weiterbildungen können angerechnet werden?
- Was passiert bei Erkrankung?
- Ab wann kann Bildungszeit beantragt werden?
- Bildungszeit zur Qualifizierung für bestimmte ehrenamtliche Tätigkeiten und Bereiche
- Was sind ehrenamtliche Tätigkeiten nach dem BzG BW?
- Was sind Bildungsmaßnahmen im Sinne dieses Gesetzes?
- Wann und wie muss Bildungszeit beantragt werden?
- Wann kann der Arbeitgeber die Zustimmung zur Bildungszeit zurücknehmen?
- Wie ist die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes geregelt?
- Welche Bildungseinrichtungen dürfen in Anspruch genommen werden?
- Sonstiges
Zum 01.01.2016 wurde der Anspruch auf Bildungszeit erweitert und kann seitdem auch für die Qualifizierung zur Wahrnehmung bestimmter ehrenamtlicher Tätigkeiten in Anspruch genommen werden.
Das Gesetz definiert bestimmte Anforderungen an eine Bildungsmaßnahme. Diese müssen erfüllt sein, um Bildungszeit in Anspruch nehmen zu können. Nachfolgend erläutern wir Ihnen die wichtigsten Anspruchsvoraussetzungen für Bildungszeit nach dem BzG BW.
Wofür kann Bildungszeit in Anspruch genommen werden?
Die Bildungszeit kann für Maßnahmen der beruflichen oder politischen Weiterbildung sowie für die Qualifizierung zur Wahrnehmung bestimmter ehrenamtliche Tätigkeiten (für bestimmte Bereiche) beansprucht werden.
Berufliche Weiterbildung dient der Erhaltung, Erneuerung, Verbesserung oder Erweiterung von berufsbezogenen Kenntnissen, Fertigkeiten, Entwicklungsmöglichkeiten oder Fähigkeiten.
Mit Urteil vom 09.08.2017 hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Az. 2 SA 4/17) festgestellt, das der Begriff der politischen Weiterbildung im BzG BW weit auszulegen ist. Damit kann diese Voraussetzung bereits dann erfüllt sein, wenn eine Weiterbildung Informationen über politische Zusammenhänge und Mitwirkungsmöglichkeiten im politischen Leben vermittelt.
Wer ist berechtigt Bildungszeit zu beantragen?
Berechtigt sind alle Mitarbeiter Ihres Unternehmens mit Beschäftigungsschwerpunkt in Baden-Württemberg, d.h.
- Mitarbeiter mit einem befristeten oder unbefristeten Arbeitsvertrag in Voll- oder Teilzeit (auch geringfügig Beschäftigte und Werkstudenten)
- Auszubildende
- Studierende der Dualen Hochschule Baden-Württemberg
Bacheloranden, Masteranden und Praktikanten sind in der Regel keine Arbeitnehmer in diesem Sinn.
Weitere Voraussetzung ist, dass das Beschäftigungs- bzw. Ausbildungsverhältnis seit mindestens 12 Monaten ununterbrochen besteht.
Schließt sich das jetzige Beschäftigungsverhältnis unmittelbar an ein vorhergies Beschäftigungsverhältnis, eine vorherige Ausbildung oder ein vorheriges Duales Studium an, so ist die jeweilige Vorbeschäftigungszeit mitzuzählen.
Schließt sich das jetzige Beschäftigungsverhältnis unmittelbar an ein vorhergies Beschäftigungsverhältnis, eine vorherige Ausbildung oder ein vorheriges Duales Studium an, so ist die jeweilige Vorbeschäftigungszeit mitzuzählen.
Wie hoch ist der Anspruch auf Bildungszeit?
Der Anspruch auf Bildungszeit beträgt fünf Arbeitstage im Kalenderjahr. Eine Übertragung von nicht in Anspruch genommener Bildungszeit auf das folgende Kalenderjahr findet nicht statt.
Bei Beschäftigten in Teilzeit verringert sich der Anspruch entsprechend zeitanteilig.
Während der Bildungszeit werden die Beschäftigten unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeit freigestellt.
Bildungszeit während Ausbildung oder Dualem Studium
Für Auszubildende und Studierende an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg beträgt der Anspruch auf Bildungszeit fünf Arbeitstage für die gesamte Ausbildungs- oder Studienzeit. Zudem ist dieser beschränkt auf den Bereich der politischen Weiterbildung und der Qualifizierungsmaßnahmen im ehrenamtlichen Bereich. Das heißt hier besteht kein Anspruch auf Bildungszeit zur beruflichen Weiterbildung.
Welche Weiterbildungen können angerechnet werden?
Auf den Anspruch auf Bildungszeit sind Weiterbildungen interner und externer Art anrechenbar, auch solche Weiterbildungen, die von eigenen Mitarbeitern durchgeführt werden, wenn
- diese Weiterbildungsmaßnahme mit dem Arbeitgeber gemeinsam vereinbart und für den Beschäftigten freiwillig ist,
- sie der beruflichen Weiterbildung, nicht jedoch überwiegend betriebsinternen Erfordernissen oder der Einarbeitung dient und
- die Weiterbildungsmaßnahme als reguläre Arbeitszeit vergütet wird.
Nicht überwiegend betriebsinternen Erfordernissen dienen Schulungen, die der Beschäftigte zukünftig auch auf dem Arbeitsmarkt verwerten kann, beispielsweise Softwareschulung gängiger Softwareprodukte, Schulungen zu Projektmanagement, Arbeitsrecht für Führungskräfte, BWL-Kenntnisse für die unternehmerische Praxis etc.
Weiterbildungsmaßnahmen, die kürzer als sechs Stunden an einem Tag sind, können grundsätzlich entsprechend ihres Umfangs auf den Bildungszeitanspruch des Beschäftigten angerechnet werden.
Was passiert bei Erkrankung?
Erkrankt eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter während Inanspruchnahme der Bildungszeit, so wird bei Nachweis der Arbeitsunfähigkeit durch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die Zeit der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Anspruch auf Bildungszeit angerechnet.
Ab wann kann Bildungszeit beantragt werden?
Der Anspruch auf Bildungszeit wird erstmals nach 12-monatigem Bestehen des Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnisses erworben. Schließt sich ein Beschäftigungsverhältnis unmittelbar an ein Beschäftigungs-, ein Ausbildungsverhältnis oder ein Studium an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg bei demselben Arbeitgeber an, ist für das Entstehen des Anspruchs der Beginn des vorhergehenden Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnisses maßgebend.
Bildungszeit zur Qualifizierung für bestimmte ehrenamtliche Tätigkeiten und Bereiche
Es ist nur möglich Bildungszeit für solche Qualifizierungsmaßnahmen zu nehmen, die dazu befähigen, Aufgaben der Anleitung, Lehre und Organisation in folgenden Ehrenamtsbereichen wahrzunehmen: in Sport; in Amateurmusik, Amateurtheater und Laienkunst; bei der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen (bis zum 27. Lebensjahr); bei der Mitgestaltung des Sozialraumes; im Tier-, Natur- und Umweltschutz; in der Heimatpflege und der allgemeinen Weiterbildung; in kirchlichen Ehrenämtern oder im Vereinsmanagement.
Darüber hinaus ist es möglich, Bildungzeit für die Qualifizierung zur Wahrnehmung jedweder ehrenamtlichen Aufgabe in den Bereichen der öffentlichen Ehrenämter oder der Unterstützung hilfsbedürftiger oder benachteiligter Menschen zu nehmen.
Was sind ehrenamtliche Tätigkeiten nach dem BzG BW?
Hierzu zählen in der Regel freiwillige, gemeinwohlorientierte Tätigkeiten, die nicht hauptberuflich oder zur Einkommenserzielung ausgeübt werden. Die ehrenamtlichen Tätigkeiten müssen:
- im Dienste oder im Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts erfolgen, die in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einem Staat belegen ist, auf die das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet
- im Dienst oder im Auftrag einer unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftssteuergesetzes fallenden Einrichtung zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke (§§ 52-54 Abgabenordnung) erfolgen oder
- in sonstigen Organisationen, Initiativen oder Projekten erfolgen, die in ihrer Organisation auf Regelmäßigkeit und Konstanz ausgelegt sind. Sie müssen öffentlich zugänglich sein und gemeinwohlorientierte Zwecke verfolgen.
Ferner zählt hierzu die nebenberufliche Tätigkeit im öffentliche - insbesondere kommunalen Ehrenamt - als ehrenamtliche/r Richter/In, als ehrenamtlicher Vormund, Gegenvormund, Pfleger bzw. Betreuer im Sinne von §§ 1909-1921 bzw. § 1896 BGB.
Was sind Bildungsmaßnahmen im Sinne dieses Gesetzes?
Bildungsmaßnahmen müssen von anerkannten Bildungseinrichtungen durchgeführt werden. Qualifizierungsmaßnahmen für ehrenamtliche Tätigkeiten können zudem nur hierzu gesondert anerkannte Träger durchführen.
Sie müssen als Veranstaltungen durchgeführt werden, die durchschnittlich einen Unterrichtsumfang von mindestens 6 Zeitstunden pro Tag umfassen (ohne Pausenzeiten). Bei mehrtägigen Maßnahmen sind auch Lernformen zulässig, die keine reinen Präsenzveranstaltungen sind, wobei die Präsenzzeit überwiegen muss. Die Bildungszeitangebote müssen mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und mit der Verfassung des Landes Baden-Württemberg in Einklang stehen.
Keine Bildungsmaßnahmen im Sinne dieses Gesetzes sind Veranstaltungen:
- bei denen die Teilnahme von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Partei, Gewerkschaft, einem Berufsverband, einer Religionsgemeinschaft oder einer ähnlichen Vereinigung abhängig gemacht wird
- die unmittelbar der Durchsetzung von politischen Zielen dienen
- die der Erholung, der Unterhaltung, der privaten Haushaltsführung oder der Körperpflege dienen
- die der sportlichen, künstlerischen oder kunsthandwerklichen Betätigung dienen
- die der Einübung psychologischer oder ähnlicher Fertigkeiten ohne beruflichen Bezug dienen
- die dem Erwerb der allgemeinen Fahrerlaubnis oder ähnlicher Berechtigungen dienen
- die als Studienreise mit überwiegend touristischem Charakter durchgeführt werden
Wann und wie muss Bildungszeit beantragt werden?
Der Anspruch auf Bildungszeit ist beim Arbeitgeber so frühzeitig wie möglich, spätestens 8 Wochen vor Beginn der Bildungsmaßnahme, schriftlich zu beantragen. Er sollte folgende Angaben enthalten:
- Informationen zur Bildungsmaßnahme, ihren Lernzielen sowie Lerninhalten, die Auskunft geben, ob es sich um eine berufliche oder politische Weiterbildung oder um die Qualifizierung zur Wahrnehmung ehrenamtlicher Tätigkeiten handelt,
- die Zielgruppe der Veranstaltung (ist die Veranstaltung für jedermann zugänglich?),
- der zeitliche Ablauf
- der Name der Bildungseinrichtung bzw. des Trägers der Qualifizierungsmaßnahme mit Angaben zur Anerkennung
- bei Qualifizierungsmaßnahmen fürs Ehrenamt sind zusätzliche Angaben erforderlich
- für welche Aufgaben und welchen Bereich von ehrenamtlicher Tätigkeit die Qualifizierung durchgeführt wird
- bei welcher öffentlich-rechtlichen Körperschaft , steuerlich gemeinnützigen Organisation, Initiative oder Projekt die ehrenamtliche Tätigkeit ausgeübt wird (im Falle einer sonstigen Organisation, Initiative oder Projekt muss dargelegt werden, ob diese/s öffentlich zugänglich ist und welche gemeinwohlorientierten Zwecke auf welche Art und Weise kontinuierlich verfolgt werden).
Der Arbeitgeber kann den Anspruch nur ablehnen, wenn dringende betriebliche Belange wie beispielsweise genehmigte Urlaubsanträge und/oder Krankheit anderer Beschäftigter entgegenstehen.
Als dringender betrieblicher Belang gilt auch, wenn 10 % der Bildungszeit, die allen Beschäftigten am 01. Januar eines Jahres insgesamt zusteht, bereits genommen oder bewilligt wurde.
Der Arbeitgeber entscheidet unverzüglich, jedoch spätestens 4 Wochen vor Beginn der Bildungsveranstaltung schriftlich. Im Falle einer Ablehnung bedarf es der schriftlichen Darlegung der Gründe. Teilt der Arbeitgeber die Entscheidung nicht innerhalb der Frist formgerecht mit, so gilt die Bewilligung als erteilt.
Nach dem Besuch einer Weiterbildungs- oder Qualifizierungsmaßnahme ist die Teilnahme durch eine Bescheinigung der Bildungseinrichtung oder des Trägers der Qualifizierungsmaßnahme nachzuweisen.
Wann kann der Arbeitgeber die Zustimmung zur Bildungszeit zurücknehmen?
Der Arbeitgeber kann in dringenden Fällen die Zustimmung zu einer bereits genehmigten Inanspruchnahme der Bildungszeit zurücknehmen, wenn nicht vorhersehbare betriebliche Gründe, wie Krankheit anderer Beschäftigter, eingetreten sind, deren Vorliegen zum Zeitpunkt des Antrags eine Ablehnung ermöglicht hätten (wie bei Erholungsurlaub).
Die durch die Ablehnung entstandenen und nachgewiesenen unvermeidbaren Kosten des Beschäftigten einschließlich der Stornierungskosten trägt in diesem Fall der Arbeitgeber.
Wie ist die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes geregelt?
Während der Bildungszeit bzw. im Fall der Erkrankung während der Bildungszeit nach Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird das Arbeitsentgelt entsprechend den gesetzlichen Regelungen zum Urlaubsentgelt bzw. zur Entgeltfortzahlung fortgezahlt.
Die Kosten der Bildungsmaßnahme (Kursgebühr) sowie die Anreise u.ä. tragen die Beschäftigten selbst.
Welche Bildungseinrichtungen dürfen in Anspruch genommen werden?
Bildungsmaßnahmen dürfen nur in anerkannten Bildungseinrichtungen durchgeführt werden. Die Anerkennung setzt voraus, dass der Träger seit mindestens 2 Jahren besteht, systematisch Lehrveranstaltungen plant und durchführt sowie ein Gütesiegel zum Nachweis der Qualität der Bildungsarbeit nachweist. Qualifizierungsmaßnahmen für ehrenamtliche Tätigkeiten können zudem bei nur hierzu gesondert anerkannten Trägern durchgeführt werden.
Über die Anerkennung entscheidet das Regierungspräsidium Karlsruhe. Es ist Sache der Bildungsträger einen Antrag auf Anerkennung zu stellen.
Hierzu gehören beispielsweise unter anderem die staatlichen Hochschulen des Landes oder bereits aufgelistete Volkshochschulen.
Sonstiges
Während der Inanspruchnahme der Bildungszeit darf keine dem Zweck dieses Gesetzes zuwiderlaufende Erwerbstätigkeit ausgeübt werden.
Niemand darf wegen der Inanspruchnahme der Bildungszeit benachteiligt werden.
Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage der Regierungspräsidien Baden-Württemberg. Zuständig für alle Fragen ist landesweit das Regierungspräsidium Karlsruhe.
Stand Januar 2024
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