Recht und Steuern

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

Arbeitgeber müssen dafür sorgen, dass ihre betrieblichen Abläufe und Strukturen und alle arbeitsrechtlichen Verträge und Maßnahmen mit dem AGG vereinbar sind. Anderenfalls drohen Schadensersatzklagen sowie Unwirksamkeit arbeitgeberseitiger Maßnahmen.

Diskriminierungsschutz im Arbeitsrecht

a) Benachteiligungsverbot

Nach § 7 AGG dürfen Beschäftigte wegen Geschlecht, Rasse oder ethnische Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Alter, Behinderung und sexuelle Identität nicht benachteiligt werden. Geschützt werden nicht nur die Arbeitnehmer und Bewerber, sondern auch Auszubildende, Leiharbeitnehmer, arbeitnehmerähnliche behinderte Menschen, Heimarbeiter und ihnen Gleichgestellte, ehemalige Beschäftigte und in beschränktem Ausmaß auch Selbständige und Organmitglieder (Geschäftsführer und Vorstände). Auf der anderen Seite richten sich Regelungen des Gesetzes an Arbeitgeber als natürliche und juristische Personen sowie rechtsfähige Personengesellschaften, Entleiher, Auftraggeber und Zwischenmeister.
Benachteiligungen sind u. a. unzulässig in Bezug auf Bedingungen für den Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit, die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen, insbesondere individual- und kollektivrechtliche Vereinbarungen und Maßnahmen bei der Durchführung und Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses sowie beim beruflichen Aufstieg (vgl. weitere Anwendungsbereiche in § 2 AGG).
Bitte beachten: Vom Anwendungsbereich des AGG ausgenommen sind Diskriminierungen im Zusammenhang mit Kündigungen. Rechtsstreitigkeiten sind hier ausschließlich nach dem Kündigungsschutzgesetz zu entscheiden (z. B. gilt hier die 3-Wochen-Frist zur Geltendmachung der Unwirksamkeit der Kündigung und nicht die 2-Monatsfrist des AGG).
Das Gesetz unterscheidet zwischen unmittelbaren und mittelbaren Benachteiligungen.
Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 AGG vor, wenn eine Person wegen vorgenannter Gründe eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in der vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.
Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines vorgenannten Gründen gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, soweit die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren nicht durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich sind.
Auch Belästigungen (Einschüchterung, Anfeindung, Erniedrigung, Entwürdigung und Beleidigung), sexuelle Belästigung (unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, Bemerkungen sexuellen Inhalts usw.) und Anweisungen hierzu gelten als Benachteiligung im Sinne des Gesetzes.
Nicht jede unterschiedliche Behandlung ist jedoch eine verbotene Benachteiligung. So erlauben die §§ 8, 9 und 10 AGG unterschiedliche Behandlung unter gesetzlich definierten Voraussetzungen, z. B. wegen unterschiedlicher beruflicher Anforderungen. Eine unterschiedliche Behandlung nach dem Geschlecht gilt dann faktisch als zulässig, wenn das Geschlecht die vom Gesetz geforderte „wesentliche und entscheidende Anforderung“ bildet – Erwägungen der bloßen Zweckmäßigkeit reichen nicht. Auch beim Alter sind Ausnahmen vorgesehen. Erlaubt ist z. B. die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand. Spezielle Fördermaßnahmen zum Ausgleich bestehender Nachteile (z. B. Frauenförderung, Maßnahmen für Behinderte) bleiben ebenfalls zulässig.

b) Organisationspflichten des Arbeitgebers

Nach §§ 11 und 12 AGG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen präventiven Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen zu ergreifen. Er hat in geeigneter Art und Weise auf die Unzulässigkeit solcher Benachteiligungen insbesondere im Rahmen der beruflichen Aus- und Fortbildung, hinzuweisen und darauf hinzuwirken, dass diese unterbleiben. Hat der Arbeitgeber seine Beschäftigten in geeigneter Weise zum Zwecke der Verhinderung von Benachteiligung geschult, gilt dies als Erfüllung seiner Pflichten zum Schutz vor Benachteiligung.
Welche Maßnahmen im Einzelnen geboten sind, kann je nach der Größe des Betriebes unterschiedlich zu beurteilen sein. Zu denken ist sowohl an organisatorische Maßnahmen als auch an eine Aufklärung über die Problematik der Benachteiligung. Die Organisationspflichten hat der Arbeitgeber nach § 11 AGG schon bei der Ausschreibung einer Stelle einzuhalten, damit eine mögliche Benachteiligung bestimmter Gruppen von Bewerbern unterbleibt.
Verstoßen Beschäftigte gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen.
Der Arbeitgeber ist nach dem Gesetz auch dazu verpflichtet, geeignete und angemessene Maßnahmen zum Schutz seiner Beschäftigten zu ergreifen, wenn diese bei der Ausübung ihrer Tätigkeit durch Dritte (z. B. Kunden, Lieferanten) benachteiligt werden.
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die gesetzlichen Vorschriften einschließlich der maßgeblichen Klagefrist in § 61 b ArbGG im Betrieb durch Aushang oder Auslegung an geeigneter Stelle oder mittels der üblichen Informations- und Kommunikationstechniken bekannt zu machen. Zugleich ist über die vorhandenen, für die Behandlung von Beschwerden (s. u.) zuständige Stelle (z. Benachteiligung Vorgesetzter, Gleichstellungsbeauftragte oder betrieblichen Beschwerdestelle) zu informieren.

c) Rechte der Beschäftigten

Beschwerde
Beschäftigte, die von einer Diskriminierung betroffen sind, haben zunächst ein Beschwerderecht bei Vorgesetzten, bei Gleichstellungsbeauftragten und bei betrieblichen Beschwerdestellen. Die Beschwerde muss inhaltlich geprüft und das Ergebnis dem beschwerdeführenden Beschäftigten mitgeteilt werden.
Leistungsverweigerung
In § 14 AGG ist ein Leistungsverweigerungsrecht für Beschäftigte vorgesehen. Es ist allerdings beschränkt auf Fälle von Belästigung und sexueller Belästigung, wenn der Arbeitgeber keine oder keine geeigneten Gegenmaßnahmen ergreift, z. B. der Arbeitgeber reagiert nicht auf eine Beschwerde oder die Belästigung oder sexuelle Belästigung erfolgt durch den Arbeitgeber oder Dienstvorgesetzten selbst. Die betroffenen Beschäftigten sind berechtigt, ihre Tätigkeit ohne Verlust des Arbeitsentgelts einzustellen, soweit dies zu ihrem Schutz erforderlich ist.
Entschädigung und Schadensersatz
§ 15 sieht als zentrale Rechtsfolge einer Verletzung des Benachteiligungsverbotes einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld für immaterielle Schäden (Schmerzensgeld) und Schadensersatz für materielle Schäden vor. Der materielle Schadenersatzanspruch – anders bei der Entschädigung – entsteht nur, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung zu vertreten hat (vorsätzlich oder fahrlässig). Immaterielle Schäden können nach wie vor verschuldensunabhängig gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht werden. Die Höhe der Entschädigung muss angemessen sein, jedoch je nach Fall auch eine abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber haben. Dies entspricht der bewährten Regelung des Schmerzensgeldes in § 253 BGB. Gem. § 15 Abs. 2 S. 2 AGG darf die Entschädigung bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen.
Erfolgen Benachteiligungen im Betrieb durch die Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen, trifft den Arbeitgeber eine Entschädigungspflicht nur, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt. Diese Grundsätze greifen auch dann, wenn – mangels Tarifbindung – die Geltung von Tarifverträgen im Arbeitsvertrag vereinbart ist, ferner wenn ein Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt ist.
Entschädigung und Schadenersatz müssen nach § 15 Abs. 4 AGG innerhalb von zwei Monaten ab Kenntniserlangung schriftlich geltend gemacht werden. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung durch den Arbeitgeber und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der Beschäftigten von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Es handelt sich bei den vorgenannten Rechten um individuelle Ansprüche des Beschäftigten, die er notfalls vor dem Arbeitsgericht einklagen kann.
Einen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder auf einen beruflichen Aufstieg gewähren diese Vorschriften nicht. Die sich aus sonstigen allgemeinen Rechtsvorschriften gegen den Arbeitgeber ergebenden Ansprüche, wie z. B. Anspruch auf Unterlassung, bleiben unberührt.

d) Klagerecht für Betriebsrat/ Gewerkschaften

Bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot können der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft auch ohne Zustimmung des Betroffenen gegen den Arbeitgeber auf Unterlassung, Duldung oder Vornahme einer Handlung klagen, um die Diskriminierung zu beseitigen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Betriebsrat oder Gewerkschaft individuelle Ansprüche des Benachteiligten im Wege einer Prozessstandschaft geltend machen kann.

e) Beweislast

Betroffene, die sich auf eine Benachteiligung berufen, müssen zunächst den Vollbeweis führen, dass sie gegenüber einer anderen Person ungünstiger behandelt worden sind. Weiter müssen sie Indizien (= Hilfstatsachen) vortragen, aus denen sich schließen lässt, dass diese unterschiedliche Behandlung auf einem nach dem AGG unzulässigen Grund beruht. Danach sind Erklärungen „ins Blaue hinein“ unzulässig. Ein tatsächlicher Anhaltspunkt kann sich z. B. aus einer nicht geschlechtsneutralen Stellenausschreibung oder Äußerungen während eines Bewerbergespräches ergeben. Wenn Indizien bewiesen sind, die eine Benachteiligung wegen eines im Gesetz genannten Merkmales vermuten lassen, kehrt sich die Beweislast um: Dann hat der beklagte Arbeitgeber die volle Beweislast dafür zu tragen, dass doch kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorliegt. Das betrifft vor allem das Vorliegen rechtfertigender Gründe. Im Falle einer Belästigung oder sexuellen Belästigung kommt regelmäßig keine Rechtfertigung in Betracht.

f) Antidiskriminierungsverbände

Antidiskriminierungsverbände haben nach § 23 AGG das Recht, Betroffene zu beraten und im Verfahren ohne Anwaltszwang zu vertreten (kein Verbandsklagerecht). Antidiskriminierungsverbände sind Personenzusammenschlüsse, die nicht gewerbsmäßig und nicht nur vorübergehend entsprechend ihrer Satzung die besonderen Interessen von benachteiligten Personen oder Personengruppe wahrnehmen. Voraussetzung für die Ausübung der Befugnisse ist, dass dem Personenzusammenschluss mindestens 75 Mitglieder angehören oder aber bei Dachverbänden sieben Verbände Mitglieder sind.
Die Bundesländer sollen für Diskriminierungsklagen ein obligatorisches Schlichtungsverfahren einführen können. Das entlastet die Gerichte. Solche obligatorischen Schlichtungen nach § 15 a EGZPO sind bereits heute in vielen Bundesländern, z. B. für Ehrverletzungsklagen, vorgesehen.

g) Antidiskriminierungsstelle

Der Abschnitt 6 des Gesetzes regelt die Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle. Sie ist dem Bundesminister für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zugeordnet. Zu den Kernaufgaben dieser Stelle gehört ihre Unterstützungsfunktion für von Diskriminierung betroffene Personen. Diese erhalten durch die Antidiskriminierungsstelle ein niedrigschwelliges Beratungsangebot zur Klärung ihrer Situation und zu den Möglichkeiten des rechtlichen Vorgehens. Des Weiteren hat die Stelle Schlichtungsmöglichkeiten, indem sie eine gütliche Beilegung von Diskriminierungsfällen zwischen den Beteiligten anstreben kann.

Besonders betroffen

  • Stellenausschreibungen, Einstellungs- und Auswahlverfahren, Antwortschreiben, Arbeitsvertragsgestaltung
  • Beförderungen und Versetzungen
  • Abmahnungen und Kündigungen
  • Leistungsbewertungen und Beurteilungen
  • Lohn und Gehalt
  • Bonuszahlungen
  • Aus- und Weiterbildung
  • Arbeitsverträge
  • Betriebsvereinbarungen
  • Tarifverträge
  • Sonstige Vereinbarungen

Machen Sie einen Betriebs-Check

  1. Bei Stellenausschreibungen sollten Sie sicherstellen, dass diese nicht nur geschlechtsneutral formuliert sind, sondern auch keine konkreten Altersangaben oder sonstige Formulierungen enthalten, die nach Rasse, ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Behinderung oder sexueller Veranlagung ausgrenzen. Gleiches gilt für Einstellungsgespräche (erarbeiten Sie diskriminierungsfreie Bewerberfragebögen).
  2. Erleichtern sie sich diskriminierungsfreie Personalentscheidungen durch Konzepte für Beurteilungssysteme, Bonuszahlungen, Beförderungen, Gesprächsführung bei Einstellungen usw.
  3. Die einer Personalentscheidung zugrundeliegenden Fakten sollten Sie zu Beweissicherungszwecken nachvollziehbar dokumentieren. Bewahren Sie alle relevanten Informationen wenigstens für die Dauer der Klagefrist auf (Stellenausschreibungen, Einstellungsentscheidungen, Beförderungen, Prämien und Kündigungen, Telefonnotizen, Gesprächsprotokolle).
  4. Checken Sie alle Abteilungen und Positionen in Ihrem Unternehmen, bei denen die beruflichen Anforderungen eine Ungleichbehandlung rechtfertigen.
  5. Bauen Sie geschlechtsbezogene Benachteiligungen in Ihrem Betrieb ab (z. B. bei Einstellung, Beförderung und Vergütung).
  6. Checken Sie alle Arbeitsverträge und Betriebsvereinbarungen auf Diskriminierungstatbestände und passen sie ggf. an die neue Rechtslage an (z. B. Befristungen, Teilzeit, Altersgrenzen).
  7. Stellen Sie sicher, dass Ihren Mitarbeitern das neue AGG mit weiteren Informationen zur Beschwerdestelle bekannt gemacht wird (Rundschreiben, Intranet etc.).
  8. Kommen Sie den neuen gesetzlichen Organisationspflichten nach und ergreifen Sie vorbeugende Maßnahmen zum Schutz Ihrer Beschäftigten vor Benachteiligungen.
  9. Führen Sie Schulungen für Manager und Mitarbeiter durch, wie sie Diskriminierung verhindern bzw. sich dagegen wehren können.
  10. Unterbinden Sie Benachteiligungen z. B. durch Abmahnung, Umsetzung oder Kündigung.
  11. Schaffen Sie eine Anlaufstelle, bei der man sich über Diskriminierung beschweren kann.
  12. Implementieren Sie ein Beschwerdemanagement für Diskriminierungsfälle.
  13. Verbessern Sie die Unternehmenskultur für alle durch Managing Diversity.
  14. Schließen Sie Anti-Diskriminierungsvereinbarungen.
Stand: Januar 2023
Sie haben noch Fragen? Gerne stehen wir Ihnen zur Verfügung.
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass dieser Service nur Mitgliedsunternehmen der IHK Hochrhein-Bodensee und solchen Personen, die die Gründung eines Unternehmens in dieser Region planen, zur Verfügung steht.