Recht und Steuern

Abmahnung im Arbeitsrecht

Auch in Unternehmen mit gutem Betriebsklima lassen sich Differenzen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer leider nicht immer vermeiden. Wenn ein Fehlverhalten des Mitarbeiters die Ursache ist, kann dies mit einer arbeitsrechtlichen Abmahnung sanktioniert werden.
Um in einer solch unerfreulichen, häufig emotional angespannten Situation die rechtlichen Rahmenbedingungen zu kennen, sind in diesem Merkblatt für Arbeitgeber Tipps und Hinweise zur Abmahnung zusammengefasst.

1. Abmahnung – Warum ist sie notwendig?

Das Bundesarbeitsgericht verlangt in ständiger Rechtsprechung vor Aussprache einer verhaltensbedingten Kündigung eine vorherige Abmahnung, wenn es sich um ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers handelt. Mit der Abmahnung rügt der Arbeitgeber in einer hinreichend deutlichen Art und Weise ein konkretes Fehlverhalten des Arbeitnehmers (Rügefunktion) und warnt ihn mit der Androhung der Kündigung vor weiteren Verstößen (Warnfunktion). Dem Arbeitnehmer wird dadurch deutlich gemacht, welchen Fehler er begangen hat und dass das Arbeitsverhältnis im Falle eines erneuten Fehlverhaltens beendet wird.
Die Abmahnung ist wegen ihrer Rüge- und Warnfunktion und der einschneidenden Wirkung der Kündigung bei Störungen im so genannten Leistungsbereich (z. B. unentschuldigtes Fehlen, verspätete Krankmeldung, Schlechtleistung, Beleidigung von Kollegen etc.) erforderlich. Der Arbeitnehmer soll in Form einer deutlichen Warnung und Mahnung darauf hingewiesen werden, dass sein Verhalten vertragswidrig ist und so nicht akzeptiert wird.
Achtung: Entscheidet sich der Arbeitgeber – obwohl ein Grund vorliegt, der eine Kündigung rechtfertigen würde – das Fehlverhalten abzumahnen, kann er später auf diesen konkreten Vorfall keine Kündigung mehr stützen. Er verzichtet also durch die Abmahnung auf ein unter Umständen bestehendes Kündigungsrecht.

2. Was muss die Abmahnung enthalten?

Die Abmahnung muss genau formuliert sein und folgende wesentliche Bestandteile enthalten:
  • Konkrete Feststellung und Beschreibung des beanstandeten Verhaltens unter Angabe von Datum, Ort und Zeit
    Formulierungsbeispiel: Sie wurden am … um … in … von Ihrem Vorgesetzten … aufgefordert, folgende Arbeiten … (genaue Beschreibung) auszuführen. Mit den Worten „…“ haben Sie sich geweigert, dieser Tätigkeit nachzukommen.
  • Exakte Rüge der begangenen Pflichtverletzung
    Formulierungsbeispiel: Damit haben Sie die Ausführung einer Ihnen obliegenden Arbeit verweigert und dadurch gegen Ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verstoßen.
  • Aufforderung, das vertragswidrige Verhalten einzustellen, sowie eindeutige Ankündigung arbeitsrechtlicher Konsequenzen für den Wiederholungsfall
    Formulierungsbeispiel: Wir fordern Sie dringend auf, in Zukunft Ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zu erfüllen, anderenfalls behalten wir uns vor, das Arbeitsverhältnis zu kündigen.

3. Wie kann ich abmahnen?

Grundsätzlich ist für die Wirksamkeit einer Abmahnung keine Form vorgeschrieben. Obwohl die Abmahnung also grundsätzlich nicht schriftlich erfolgen muss, ist Schriftform dringend zu empfehlen: Häufig ist in einem eventuellen späteren arbeitsgerichtlichen Prozess der Ausspruch einer mündlichen Abmahnung nicht mehr beweisbar. (Bitte beachten Sie, dass unter Umständen einzelvertraglich oder in einem Tarifvertrag die Schriftform vorgeschrieben sein kann).
Aus diesem Grund ist es auch empfehlenswert, sich die Kenntnisnahme des Arbeitnehmers quittieren zu lassen. Ist die Situation so angespannt, dass sich der Arbeitnehmer weigert, den Empfang zu bestätigen, ist auch die Übergabe bei Anwesenheit eines Zeugen möglich.

4. Gibt es eine Frist für die Abmahnung?

Zwar gibt es keine gesetzliche Ausschlussfrist für den rechtswirksamen Zugang einer Abmahnung. Trotzdem sollten Sie als Arbeitgeber schon aus Gründen der Wirkung möglichst schnell nach dem Fehlverhalten abmahnen. In der Praxis wird häufig ein Zeitraum von nicht mehr als zwei Wochen gewählt. Zudem wird in der Rechtsprechung gefordert, dass der Arbeitnehmer die Abmahnung auch inhaltlich zur Kenntnis nehmen muss. Dies kann insbesondere bei ausländischen Arbeitnehmern zum Problem werden, wenn keine hinreichenden Deutschkenntnisse vorhanden sind. In solchen Fällen ist eine Übersetzung der Abmahnung erforderlich.

5. Wer darf abmahnen?

Abmahnungsberechtigt ist jeder Mitarbeiter, der befugt ist, dem Arbeitnehmer verbindliche Anweisungen zu erteilen. Dies kann neben dem Dienstvorgesetzten auch der unmittelbare Fachvorgesetzte oder auch der vom Arbeitgeber beauftragte Rechtsanwalt sein.

6. Wann ist eine Abmahnung entbehrlich?

Eine Abmahnung ist grundsätzlich entbehrlich, wenn
  • sie unmittelbar den Vertrauensbereich betrifft (z. B. Diebstahl, Unterschlagung, Betrug, Tätlichkeiten gegenüber dem Arbeitgeber, grobe Beleidigungen von Vorgesetzten oder Arbeitgeber, Verrat von Betriebsgeheimnissen, Annahme von Schmiergeldern, Androhung einer künftigen Erkrankung). Ausnahmsweise ist jedoch bei Verstößen im Vertrauensbereich eine Abmahnung erforderlich, wenn es um ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers geht und eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann oder der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber nicht als erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Verhalten angesehen, z. B. weil es vom Arbeitgeber geduldet wurde (z. B. Dulden unerlaubter privater Telefonate vom Diensttelefon, die der Arbeitnehmer nicht bezahlt; sog. Bagatellverstöße, beispielsweise ständiger herabsetzender Umgang mit Mitarbeitern),
  • erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer nicht gewillt ist, sich vertragsgemäß zu verhalten,
  • wenn der Arbeitnehmer die Vertragswidrigkeit seines Verhaltens kannte und trotzdem hartnäckig und uneinsichtig seine Pflichtverletzung fortsetzt (z. B. ständige Verstöße gegen die Arbeitsverpflichtung; hartnäckige Weigerung, Anordnungen des Arbeitgebers zu folgen),
  • wenn der Arbeitnehmer auf keinen Fall mit der Billigung seines Verhaltens rechnen konnte (z. B. eigenmächtiger Urlaubsantritt trotz Hinweis des Arbeitgebers auf arbeitsrechtliche Konsequenzen),
  • in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung, wenn es sich um eine fristgemäße Kündigung handelt,
  • in Betrieben, in denen regelmäßig maximal zehn (bzw. fünf bei Arbeitnehmern, die schon vor 2004 im Betrieb waren) oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt sind (ohne Auszubildende und Umschüler), wenn es sich um eine fristgerechte Kündigung handelt; im Falle einer außerordentlichen Kündigung ist vor deren Ausspruch eine vergebliche Abmahnung notwendig.

7. Wie oft muss ich abmahnen?

Unsicherheiten bestehen auch häufig im Hinblick auf die Anzahl der Abmahnungen. Gerade bei leichten Verstößen reicht eine einmalige Abmahnung eventuell nicht aus.
Allerdings sollte man auch bedenken, dass durch zu häufiges Abmahnen der Eindruck entstehen kann, dass es sich um bloße Drohungen ohne rechtliche Konsequenzen handele und dadurch die Warnfunktion der Abmahnung verloren geht. Eine verbindliche Regelung, ab welcher Zahl von Abmahnungen eine verhaltensbedingte Kündigung rechtssicher ausgesprochen werden kann, gibt es nicht. Bei leichten Verfehlungen (z. B. Verspätung um wenige Minuten) verlangt die Rechtsprechung in der Regel, dass drei- bis viermal vor Ausspruch einer Kündigung abgemahnt werden muss. Hierbei handelt es sich um einen allgemeinen Erfahrungswert; abweichende Einzelfallentscheidungen gibt es aber auch hier.
Wird andererseits zu oft abgemahnt, verwirkt man unter Umständen sein Kündigungsrecht, da dem Arbeitgeber unterstellt werden kann, er habe kein Interesse an einer tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

8. Welche Rechtsschutzmöglichkeiten hat der Arbeitnehmer?

Der Arbeitnehmer hat ein Recht darauf, dass eine von ihm verfasste Gegendarstellung ebenfalls in die Personalakte aufgenommen wird. Der Arbeitnehmer kann die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte verlangen, wenn die Abmahnung rechtswidrig ist.
Das ist dann der Fall, wenn sie
  • formell nicht ordnungsgemäß zustande kam (siehe oben),
  • unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält,
  • einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers darstellt (z. B. bei Ehrverletzungen, abwertenden Äußerungen) oder
  • unverhältnismäßig ist.

9. Wie lange wirkt eine Abmahnung?

Die Abmahnung kann durch Zeitablauf wirkungslos werden, wenn zwischen ihr und einem erneuten Vertragsverstoß mit gleichwertigem Sachverhalt ein längerer Zeitraum liegt. Wie lange ein solcher Zeitraum bemessen sein muss, ist eine Frage des Einzelfalles. In der Regel ist dies aber – je nach Schwere des Verstoßes – nach ca. ein bis zwei Jahren (bei leichten Verstößen wohl nach sechs Monaten) anzunehmen.
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 16.07.2012 - Az.: 2 AZR 782/11 entschieden, dass es keine feste Frist für das Entfernen einer Abmahnung aus der Personalakte gibt. Ein Arbeitnehmer kann die Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung aus seiner Personalakte erst dann verlangen, wenn sie für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses unter keinem rechtlichen Aspekt mehr eine Rolle spielen kann. Solange eine zu Recht erteilte Abmahnung also etwa für eine zukünftige Entscheidung über eine Versetzung oder Beförderung und die entsprechende Eignung des Arbeitnehmers, für die spätere Beurteilung von Führung und Leistung in einem Zeugnis oder für die im Zusammenhang mit einer möglichen späteren Kündigung erforderlich werdenden Interessenabwägung von Bedeutung sein kann, sei die Abmahnung noch rechtlich von Belang und brauche nicht entfernt werden, so das Bundesarbeitsgericht.
Stand: Juni 2023
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