„Wir müssen unsere Städte wieder zu Sehnsuchtsorten machen!“
Architekt und Stadtplaner Caspar Schmitz-Morkramer beschäftigt sich mit urbanen Entwicklungen. Im Interview spricht er über Perspektiven für die europäische Stadt der Zukunft.
Herr Schmitz-Morkramer, wie können sich Innenstädte neu erfinden – angesichts immenser Herausforderungen?
Wir sollten die Veränderungen, in denen sich der Handel befindet und die unsere Städte prägen werden, als große Chance verstehen. Es ist richtig, dass der Handel nicht mehr jeden Raum in den 1-a-Lagen einnimmt. Und es ist unverantwortlich, dass Nutzungen in den Obergeschossen unserer Städte nicht belebt werden können, nur weil sich in den Geschossen darunter Handel befindet und dort derart hohe Mieten erwirtschaftet werden, dass das Treppenhaus zur Erschließung der Obergeschosse zu viel wertvolle Fläche frisst.
Was fehlt der Innenstadt?
Wir müssen unsere Städte wieder zu Sehnsuchtsorten machen. Unsere europäischen Städte verfügen über eine so wunderbar vielfältige Geschichte und Baukultur, über soziales, kulturelles, politisches und religiöses Erbe, dass die architektonisch-städteplanerischen Antworten auf die Frage, wie wir den Niedergang der Innenstädte aufhalten und sie in neue Bahnen lenken, vielfältig ausfallen müssen. Wir wollen Städte mit einer eigenen DNA, Städte mit Charakter, aber vor allem Städte für Menschen. Für Menschen, die dort wohnen, die neugierig sind, die Städte zu besuchen. Aber eben auch Städte, in denen Handel getrieben wird, und Städte, die von ihren Bürgerinnen und Bürgern und nicht von Handelsketten geprägt werden.
Welche Städte sind Vorbild?
Das eine tolle Beispiel gibt es nicht, aber eine Reihe neuer Konzepte. In Rotterdam etwa werden auf Dächern Lebensmittel angebaut und professionell vermarktet. Eine Stadt in der Stadt, in der kollektiv Zukunft gestaltet wird, mit gemeinsamem Kochen und einem neuen Mix von Kunst, Kultur, Leben und Arbeiten, ist die Genossenschaft Kalkbreite in Zürich.
Das Stadtzentrum als Ort des sozialen Austauschs?
Absolut. Die Stadtzentren werden als Orte des sozialen Austauschs, für Amüsements und der Freizeit wiederentdeckt. Und gerade der Handel wird bei der Arbeit, unsere Städte neu zu prägen, eine wichtige Rolle spielen. Es war der Handel, der die Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und Regionen sowie sozialen Gruppen in der europäischen Stadt von jeher zusammengebracht hat, und diese Funktion wird er auch in Zukunft behalten.
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