IHK-Merkblatt (Stand: August 2023)
Lieferungen an Nichtunternehmer im EU-Binnenmarkt
Die Umsatzbesteuerung von Warenlieferungen an Privatpersonen und einigen anderen Rechtssubjekten im EU-Binnenmarkt folgt anderen Vorschriften als die Besteuerung von Lieferungen zwischen Unternehmen.
Hinweis: Seit dem 01.07.2021 besteht die Möglichkeit, sich zentral beim Bundeszentralamt für Steuern zu registrieren (One-Stop-Shop-Verfahren). Die umsatzsteuerliche Registrierung in den einzelnden Mitgliedstaaten ist dann nicht mehr erforderlich.
1. Personeller Anwendungsbereich – für wen gelten andere Regeln?
1.1. Privatpersonen
- Innergemeinschaftliche Lieferungen an Unternehmen und gleichgestellte Rechtssubjekte sind grundsätzlich umsatzsteuerfrei. Sie sind im Bestimmungsland von Empfänger*innen der Erwerbsbesteuerung zu unterwerfen (sog. Reverse-Charge -Charge-Verfahren)
- Weil Privatpersonen normalerweise von der Erwerbsbesteuerung ausgeschlossen sind, gelten für sie andere Regeln.
1.2. Andere Rechtssubjekte
Verwendet der im EU-Ausland ansässige Abnehmer keine Umsatzsteueridentifikationsnummer, kann man regelmäßig davon ausgehen, dass er von der Erwerbsbesteuerung ausgeschlossen, das heißt wie eine Privatperson zu behandeln ist. Verwendet hingegen eines der angeführten Rechtssubjekte eine Umsatzsteueridentifikationsnummer, kann davon ausgegangen werden, dass es zur Gruppe der erwerbsteuerpflichtigen Personen gehört.
Für folgende Gruppen gelten im EU-Binnenmarkt grundsätzlich die gleichen Regelungen wie für Privatpersonen:
- Unternehmen, die ausschließlich Umsätze ausführen, die zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führen
- Unternehmen, die der Kleinunternehmerregelung (§ 19 Absatz 1 UStG) unterliegen
- Land- oder Forstwirt*innen, die Umsatzsteuer pauschalieren
- juristische Personen, die nicht Unternehmer im Sinne des BGB sind oder die Ware nicht für ihr Unternehmen beziehen (z. B. die öffentliche Hand mit ihrem Hoheitsbereich, Vereine in Erfüllung ihrer satzungsmäßigen Aufgaben).
Hierbei ist allerdings zu beachten, dass diese Rechtssubjekte im Binnenmarkt Privatpersonen nur so lange gleichgestellt sind, wie
- sie nicht zur Erwerbsteuerpflicht "optiert" haben, beziehungsweise
- der Wert der Waren, die sie aus den übrigen EU-Mitgliedstaaten jährlich beziehen, einen bestimmten Betrag nicht überschreitet (Erwerbsschwelle). Hierbei sind die Warenlieferungen aus den verschiedenen Mitgliedstaaten zusammenzurechnen. Die Höhe der Erwerbsschwelle richtet sich jeweils nach den Bestimmungen des Mitgliedstaates, in dem die Empfänger*innen ansässig sind.
Überschreitet eines der vorgenannten Rechtssubjekte die maßgebliche Erwerbsschwelle, gelten hierfür grundsätzlich die selben Regelungen wie für Lieferungen zwischen voll vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmen.
1.3. Derzeit gelten folgende Erwerbsschwellen:
- Belgien: 11.200 €,
- Bulgarien: 20.000 BGN,
- Dänemark: 80.000 DKK,
- Estland: 10.000 €,
- Finnland: 10.000 €,
- Frankreich: 10.000 €,
- Griechenland: 10.000 €,
- Irland: 41.000 €,
- talien: 10.000 €,
- Kroatien: 77.000 HKR,
- Lettland: 10.000 €,
- Litauen: 14.000 €,
- Luxemburg: 10.000 €,
- Malta: 10.000 €,
- Niederlande: 10.000 €,
- Österreich: 11.000 €,
- Polen: 50.000 PLN,
- Portugal: 10.000 €,
- Rumänien: 34.000 RON,
- Schweden: 90.000 SEK,
- Slowakei: 14.000 €,
- Slowenien: 10.000 €,
- Spanien: 10.000 €,
- Tschechien: 326.000 CZK,
- Ungarn: 10.000 €,
- Zypern: 10.251 €.
Quelle: Umsatzsteuer-Anwendungserlass vom 01. April 2021
2. Die Regelungen im Einzelnen
Für die Umsatzbesteuerung von Lieferungen an Privatpersonen, die in anderen EU-Mitgliedstaaten ansässig sind, ist danach zu unterscheiden,
- ob die Waren in Deutschland von Verkäufer*innen an Käufer*innen direkt übergeben werden, oder
- ob diese im Wege des Versands von Deutschland in den anderen EU-Mitgliedsstaat gelangen.
2.1 Verkäufe mit Übergabe in Deutschland
Bei Verkauf und Übergabe von Waren an Privatpersonen in Deutschland brauchen deutsche Unternehmen nicht danach zu unterscheiden, ob die Ware in Deutschland verbleibt oder von den Abnehmer*innen in einen anderen EU-Mitgliedstaat gebracht wird. In beiden Fällen findet die Besteuerung in Deutschland statt.
Ausnahme: Innergemeinschaftliche Lieferung neuer Fahrzeuge
Ausnahmsweise wird der Verkauf von Neufahrzeugen an Privatpersonen und gleichgestellten Personen immer als innergemeinschaftliche Lieferung mit anschließendem innergemeinschaftlichen Erwerb behandelt:
- Die Lieferung des Fahrzeugs ist von der deutschen Umsatzsteuer befreit.
- In dem EU-Staat, in dem die jeweilige Person das Fahrzeug anmeldet, erfolgt ein innergemeinschaftlicher Erwerb, welcher dort der Erwerbsbesteuerung unterliegt. Schuldner*in der Erwerbsteuer ist dabei nicht der*die Verkäufer*in, sondern der*die Erwerber*in des Fahrzeugs.
- Dies gilt unabhängig davon, ob das Fahrzeug geliefert oder abgeholt wird.
Für welche Fahrzeuge gilt die Regelung?
- Motorbetriebene Landfahrzeuge mit einem Hubraum von mehr als 48 Kubikzentimetern oder einer Leistung von mehr als 7,2 Kilowatt
- Wasserfahrzeuge mit einer Länge von mehr als 7,5 Metern
- Luftfahrzeuge, deren Starthöchstmasse mehr als 1550 Kilogramm beträgt.
Wann gilt ein Fahrzeug als neu?
- Ein Landfahrzeug gilt als neu, wenn es entweder nicht mehr als 6.000 Kilometer zurückgelegt hat oder seine erste Inbetriebnahme im Zeitpunkt des Erwerbs nicht mehr als sechs Monate zurückliegt
- ein Wasserfahrzeug gilt als neu, wenn es nicht mehr als 100 Betriebsstunden auf dem Wasser zurückgelegt hat oder wenn seine erste Inbetriebnahme im Zeitpunkt des Erwerbs nicht mehr als drei Monate zurückliegt
- ein Luftfahrzeug gilt als neu, wenn es nicht länger als 40 Betriebstunden genutzt worden ist oder wenn seine erste Inbetriebnahme im Zeitpunkt des Erwerbs nicht mehr als drei Monate zurückliegt.
Wie sieht die Rechnungsstellung in diesem Fall aus?
Neben dem Ausweis der allgemein üblichen Angaben ist bei der Rechnung Folgendes zu beachten:
- In der Rechnung der Lieferant*in darf keine Umsatzsteuer ausgewiesen sein.
- Es muss ein Hinweis enthalten sein, dass es sich um eine innergemeinschaftlich steuerfreie Lieferung handelt.
- Es müssen Angaben enthalten sein, aus denen hervorgeht, dass es sich um ein neues Fahrzeug handelt.
Was gilt für den Nachweis der Steuerfreiheit?
Wird ein neues Fahrzeug steuerfrei an eine Privatperson geliefert, müssen die selben Nachweise wie bei steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen an Unternehmen gebracht werden. Wenn das Fahrzeug durch den*die Abnehmer*in selbst befördert wird und für das Fahrzeug eine Zulassung für den Straßenverkehr erforderlich ist, kann der Nachweis auch durch die Zulassung des Fahrzeugs auf den*die Erwerber*in im Bestimmungsmitgliedstaat der Lieferung geführt werden. Hierfür ist eine einfache Kopie der Zulassung ausreichend. Erforderlich ist jedoch, dass die Zulassung die Fahrzeug-Identifikationsnummer enthält. Die Zulassung auf eine andere Person als den*die Erwerber*in ist nicht ausreichend.
2.2 Versand von Ware in andere EU-Mitgliedstaaten
Liegt keine Übergabe der Ware in Deutschland vor, sondern eine so genannte innerhemeinschaftliche Versendungslieferung gelten abweichende Grundsätze.
Eine innergemeinschaftliche Versendungslieferung ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet:
- Die Ware gelangt von Deutschland in einen anderen EU-Mitgliedstaat.
- Der Transport der Waren wird vom deutschen Unternehmen veranlasst. Dies ist gegeben, wenn
- die Ware durch das Unternehmen selbst transportiert wird oder
- selbstständige Dritte mit dem Transport beauftragt werden (Beispiel: Spediteure, Kurierdienste, Fuhrunternehmen, Post, Bahn).
Versendungslieferungen werden so lange im Ursprungsland besteuert, wie bestimmte Lieferschwellen nicht überschritten werden. Voraussetzung für eine Umsatzbesteuerung der Lieferung in Deutschland ist also, dass die Lieferungen in den betreffenden anderen Mitgliedstaat im vorangegangenen oder im laufenden Kalenderjahr einen bestimmten Umfang nicht überschreiten.
Für die Höhe des Betrages ist dabei immer der von dem jeweiligen Land festgelegte Betrag entscheidend, in dem die Beförderung oder Versendung endet. Anders als bei der Bestimmung der Erwerbsschwelle (vergleiche dazu oben) ist hierbei nicht auf den Gesamtbetrag der jährlich erfolgenden Lieferungen in die EU-Mitgliedstaaten insgesamt, sondern auf den jeweils einzelnen Mitgliedstaat abzustellen.
Ab dem 01.07.2021 gilt europaweit eine einheitliche Lieferschwelle von 10.000 Euro. Darüber hinaus wird die Möglichkeit geschaffen, sich bei Überschreiten der Lieferschwelle für ganz Europa zentral beim Bundeszentralamt für Steuern zu registrieren (One-Stop-Shop).
Weitere Informationen dazu finden Sie hier.
Weitere Informationen dazu finden Sie hier.
Besteuerung im Bestimmungsland
Werden die oben angeführten Lieferschwellen überschritten, erfolgt die Besteuerung im Bestimmungsland, in das die Ware versandt wird.
Der Gesamtbetrag der für das Überschreiten der Lieferschwelle relevanten Entgelte ist hinsichtlich der Vorjahresumsätze für den Zeitraum eines Kalenderjahres festzustellen. Überschreitet der Gesamtbetrag der Entgelte im Vorjahr die vom Bestimmungsland festgelegte Lieferschwelle, so liegt der Ort der Lieferung ab dem ersten Versand im laufenden Kalenderjahr im Bestimmungsland.
Der Gesamtbetrag der für das Überschreiten der Lieferschwelle relevanten Entgelte ist hinsichtlich der Vorjahresumsätze für den Zeitraum eines Kalenderjahres festzustellen. Überschreitet der Gesamtbetrag der Entgelte im Vorjahr die vom Bestimmungsland festgelegte Lieferschwelle, so liegt der Ort der Lieferung ab dem ersten Versand im laufenden Kalenderjahr im Bestimmungsland.
Überschreitet der Gesamtbetrag der Entgelte im Vorjahr die maßgebliche Lieferschwelle nicht, so kommt es auf das laufende Jahr an. Hierfür gilt, dass in dem Moment, in dem die maßgebliche Lieferschwelle im laufenden Jahr überschritten wird, eine Verlagerung des Lieferorts stattfindet. Dementsprechend sind gegebenenfalls zeitnahe Kontrollen des laufenden Lieferumfangs vorzunehmen.
Hinweis: Deutsche Lieferant*innen haben die Möglichkeit, auch für Lieferungen unterhalb der Lieferschwelle für die Besteuerung im jeweiligen Empfangsland zu optieren. Diese Erklärung ist sowohl gegenüber dem zuständigen deutschen Finanzamt als auch gegenüber der zuständigen Finanzbehörde im anderen Mitgliedstaat abzugeben. Lieferant*innen sind an die Erklärung für mindestens zwei Jahre gebunden.
Rechnungsstellung
Unterliegen Versendungslieferungen aufgrund der eben dargestellten Grundsätze der Umsatzbesteuerung in einem anderen EU-Mitgliedstaat, so haben deutsche Lieferant*innen ihren Kundinnen und kunden die Umsatzsteuer dieses Staates in Rechnung zu stellen und auszuweisen. Die aktuellen Umsatzsteuersätze finden Sie im Internetangebot der Europäischen Union .
Umsatzsteuerpflicht in einem anderen Mitgliedsstaat
Deutsche Unternehmen können die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer des Empfangslandes nicht an deutsche Finanzamt abführen, sondern muss diese an das zuständige Finanzamt des betreffenden Staates zahlen. Hierzu hat er sich dort umsatzsteuerlich registrieren zu lassen und entsprechende Steuermeldungen beziehungsweise –erklärungen abzugeben. Hilfestellungen bei der Registrierung im Ausland geben regelmäßig die deutschen Auslandshandelskammern vor Ort.
Ab dem 01.07.2021 besteht die Möglichkeit sich zentral beim Bundeszentralamt für Steuern zu registrieren (One-Stop-Shop-Verfahren). Die umsatzsteuerliche Registrierung in den einzelnden Mitgliedstaaten ist dann nicht mehr erforderlich.
Eine Ausnahme gillt für verbrauchsteuerpflichtige Waren (Mineralöl, Alkohol, alkoholischen Getränken und Tabakwaren):
Erfolgt die Lieferung an eine Privatperson, ist diese vom deutschen Unternehmen unabhängig vom Übersteigen der Lieferschwelle stets im Bestimmungsland der Umsatzbesteuerung zu unterwerfen. Erfolgt die Lieferung an eines der angeführten Rechtssubjekte, die Privatpersonen gleichgestellt sind, so ist die Ware von ihm als Empfänger im Bestimmungsland der Erwerbsbesteuerung zu unterziehen
Quelle: IHK Region Stuttgart