Abgabenordnung

Verbindliche Auskünfte vom Finanzamt

1. Allgemeines

Steuerliche Regelungen sind kompliziert; manchmal sogar so kompliziert, dass man trotz Hinzuziehung hohen Sachverstandes nicht sicher sein kann, wie ein bestimmter Sachverhalt steuerrechtlich zu würdigen ist. Liegt ein solcher Fall vor, kann man unter bestimmten Voraussetzungen beim Finanzamt eine so genannte verbindliche Auskunft beantragen, die grundsätzlich Bindungswirkung entfaltet und damit Rechtssicherheit gewährt.
Die verbindliche Auskunft ist in § 89 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) normiert. Dort ist geregelt, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit über einen bestimmten Sachverhalt bei der Finanzverwaltung eine verbindliche Auskunft eingeholt werden kann. Eine verbindliche Auskunft ist danach ausgeschlossen, wenn der Sachverhalt im Wesentlichen bereits verwirklicht ist. In diesem Fall kann über die Rechtsfragen ausschließlich im Rahmen des Veranlagungs- oder Feststellungsverfahrens entschieden werden. Zuständig für die Auskunftserteilung ist die Finanzbehörde, die im Fall der Verwirklichung des Sachverhalts, der Gegenstand der steuerlichen Beurteilung ist, örtlich zuständig sein würde, regelmäßig also das für den Antragsteller zuständige Finanzamt.

2. Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft

Näheres zum Antrag regelt § 1 der Steuerauskunftsverordnung (StAuskV). Danach muss der Antrag schriftlich gestellt werden. Folgende Angaben müssen enthalten sein:
  • die genaue Bezeichnung des Antragstellers,
  • eine umfassende und in sich abgeschlossene Darstellung des zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht verwirklichten Sachverhalts,
  • die Darlegung des besonderen steuerlichen Interesses des Antragstellers,
  • eine ausführliche Darlegung des Rechtsproblems mit eingehender Begründung des eigenen Rechtsstandpunktes des Antragstellers,
  • die Formulierung konkreter Rechtsfragen,
  • die Erklärung, dass über den zur Beurteilung gestellten Sachverhalt bei keiner anderen Finanzbehörde eine verbindliche Auskunft beantragt wurde,
  • die Versicherung, dass alle für die Erteilung der Auskunft und für die Beurteilung erforderlichen Angaben gemacht wurden und der Wahrheit entsprechen.
Zusätzlich soll der Antragsteller nach § 89 Abs. 4 Satz 2 AO Angaben zum Gegenstandswert der Auskunft machen.

3. Gegenstand der verbindlichen Auskunft

Die Finanzbehörde beurteilt den Sachverhalt so, wie er vom Antragsteller vorgetragen wird. Eine Ermittlungspflicht der Finanzbehörden gibt es nicht. Die Erteilung einer verbindlichen Auskunft für alternative Gestaltungsvarianten ist nicht zulässig. Zwar ist eine verbindliche Auskunft für Sachverhalte, die bereits in Gang gesetzt wurden, unzulässig; sie kann aber für die ernsthaft geplante Umgestaltung eines bereits vorliegenden Sachverhalts erteilt werden, insbesondere bei Dauersachverhalten. Angelegenheiten, bei denen die Erzielung von Steuervorteilen im Vordergrund steht, wie etwa Steuersparmodelle, sollen nicht durch die verbindliche Auskunft überprüft werden.

4. Bindungswirkung einer verbindlichen Auskunft

Weicht der später verwirklichte Sachverhalt von dem vom Antragsteller der Auskunft zugrunde gelegten Sachverhalt nicht oder nur unwesentlich ab, so ist die verbindliche Auskunft für die Besteuerung des Antragstellers bindend. Die Bindung gilt nicht, wenn die Auskunft zu Ungunsten des Antragsteller geltendem Recht widerspricht; sie entfällt ohne Weiteres ab dem Zeitpunkt, in dem die Rechtsvorschriften, auf denen die Auskunft beruht, aufgehoben oder geändert werden.
Wurde die verbindliche Auskunft von einer sachlich oder örtlich unzuständigen Behörde erlassen, entfaltet sie von vornherein keine Bindungswirkung.
Die Korrektur einer verbindlichen Auskunft mit Wirkung für die Vergangenheit kommt jedoch insbesondere dann in Betracht, wenn die Auskunft durch unlautere Mittel wie Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt wurde, oder die Rechtswidrigkeit der Auskunft dem Begünstigten bekannt war oder hätte bekannt sein müssen (§§ 129 bis 131 AO). Daneben kann sie mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben oder geändert werden, wenn sich herausstellt, dass sie unrichtig war. Die Aufhebung oder Änderung in diesem Fall steht im Ermessen der Finanzbehörde. Unter diesen Begriff der Unrichtigkeit fallen auch eine Änderung der Rechtsprechung der Finanzgerichte und eine Abweichung von einer später ergangenen Verwaltungsanweisung. Vor der Korrektur der verbindlichen Auskunft ist der Betroffenen zu hören (§ 91 Abs. 1 AO).

5. Rechtsbehelfsmöglichkeit

Gegen die erteilte verbindliche Auskunft wie auch gegen die Ablehnung der Erteilung einer verbindlichen Auskunft ist der Einspruch gegeben (§ 347 AO). Im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren ist die Sache in vollem Umfang, d. h. auch in materiell-rechtlicher Hinsicht, zu prüfen (§ 367 Abs. 2 AO).

6. Gebührenpflicht

Gebühren fallen nicht nur an, wenn die beantragte Auskunft erteilt wird, sondern auch, wenn die Erteilung einer verbindlichen Auskunft abgelehnt oder der Antrag zurückgenommen wird. Bei einer Rücknahme des Antrags ist eine Gebührenermäßigung möglich (§ 89 Abs. 7 S. 2 AO). Die Gebühr wird für jeden Antrag festgesetzt. Dabei wird jeweils ein Gebührentatbestand erfüllt, soweit sich die Beurteilung des Sachverhalts auf einen Steuerpflichtigen bezieht. Gesellschafter einer Gesellschaft gelten zusammen mit dieser als ein Steuerpflichtiger. In Umwandlungsfällen ist jedoch jeder abgebende, übernehmende oder entstehende Rechtsträger eigenständig zu beurteilen.
Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem Wert, den die Auskunft für den Antragsteller hat, dem Gegenstandswert. Dieser wird ermittelt, indem der Steuerbetrag, der bei Anwendung der Rechtsauffassung des Antragstellers entstehen würde, dem Steuerbetrag gegenübergestellt wird, der entstehen würde, wenn die Finanzbehörde eine abweichende Rechtsauffassung vertritt. Bei Dauersachverhalten ist auf die durchschnittliche steuerliche Auswirkung eines Jahres abzustellen. Der Antragsteller soll den Gegenstandswert und die für seine Bestimmung maßgeblichen Umstände bereits in seinem Auskunftsantrag darlegen. Durch die Regelung in § 89 Abs. 3 bis 7 AO wird die Gebührenpflicht für die verbindliche Auskunft auf wesentliche und aufwendige Fälle beschränkt. § 89 Abs. 5 S. 2 AO enthält eine Bagatellgrenze i. H. v. 10.000 Euro. Liegt der Gegenstandswert darunter, fallen keine Gebühren für die Bearbeitung des Auskunftsantrags an. Die Höchstgebühr beträgt 109.736 Euro. Sie wird in entsprechender Anwendung des § 34 Gerichtskostengesetz berechnet. Diese Höchstgebühr ist verfassungsgemäß, denn neben dem Gesichtspunkt der Kostendeckung als legitimen Gebührenzweck tritt der Ausgleich von Vorteilen (Niedersächsisches FG, Beschluss vom 16.7.2010, 10 V 101/10).
Ist ein Gegenstandswert nicht bestimmbar und kann er auch nicht durch Schätzung bestimmt werden, ist gemäß § 89 Abs. 6 AO eine Zeitgebühr zu berechnen; sie beträgt 50 Euro je angefangene halbe Stunde Bearbeitungszeit. Beträgt die Bearbeitungszeit weniger als zwei Stunden, wird keine Gebühr erhoben. Der Antragsteller hat die Gebühr innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Gebührenbescheides zu entrichten. Auch gegen die Gebührenfestsetzung kann Einspruch nach § 347 AO eingelegt werden.

7. Sonderfälle

Lohnsteueranrufungsauskunft

Für Arbeitgeber besteht gemäß § 42e Einkommensteuergesetz (EStG) die Möglichkeit, Auskünfte über die Lohnsteuer, für deren Abführung er in der Haftung steht, zu erhalten. Es besteht ein Rechtsanspruch auf Informationen darüber, ob und inwieweit in Einzelfällen Lohnsteuervorschriften anwendbar sind bzw. zu Form und Inhalt der Lohnbuchführung. Die Anfragen sind formlos an das zuständige Betriebsstättenfinanzamt zu richten. Aus Gründen der Rechtssicherheit wird jedoch ein Antrag, der den Formerfordernissen der verbindlichen Auskunft entspricht, empfohlen. Eine dem Arbeitgeber erteilte Anrufungsauskunft (§ 42 e EStG) ist ein feststellender Verwaltungsakt i. S. d. § 118 S. 1 AO, mit dem sich das Finanzamt selbst bindet (BFH, Urteil vom 30.4.2009, VI R 54/07). Die Finanzbehörde kann jedoch eine Anrufungsauskunft analog § 207 Abs. 2 AO mit Wirkung für die Zukunft aufheben oder ändern (BFH, Urteil vom 2.9.2010, VI R 3/09).

Verbindliche Zusage auf Grund einer Außenprüfung

Die verbindliche Zusage auf Grund einer steuerlichen Betriebsprüfung gemäß §§ 204 ff. AO erstreckt sich auf für die Vergangenheit geprüfte Sachverhalte, die Wirkung auch für die Zukunft haben (Beispiele: Gesellschaftsverträge, Erwerb von Grundstücken).
Für die Erteilung der verbindlichen Zusage im Anschluss an eine Außenprüfung ist Voraussetzung, dass ein für die Vergangenheit geprüfter Sachverhalt im Prüfungsbericht dargestellt wird und die Kenntnis der künftigen steuerrechtlichen Behandlung dieses Sachverhalts für die geschäftlichen Maßnahmen von Bedeutung ist.
Der Antrag ist formlos aber im zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebsprüfung zu stellen. Aus Gründen der Rechtssicherheit wird jedoch ein Antrag, der den Formerfordernissen der verbindlichen Auskunft entspricht, empfohlen.
Hinweis:
Es ist ratsam, die verbindliche Auskunft beim Finanzamt von einem Steuerberater anfertigen zu lassen, da die Voraussetzungen an einen wirksamen Antrag recht hoch sind.