Recht und Steuern

Interview mit Dr. Karl Brock zum LkSG

Am 1. Januar 2023 ist das deutsche Lieferkettengesetz (sog. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, LkSG) in Kraft getreten. Deutschland nimmt seitdem eine Vorreiterstellung im Bereich des Menschenrechts- und Umweltschutzes entlang der Lieferkette ein. Aber auch die EU möchte bald nachziehen und plant eine Lieferkettenschutz-Richtlinie. Was das für kleine und mittelständische Unternehmen bedeutet, erklärt Dr. Karl Brock, Rechtsanwalt bei der Bonner Kanzlei Meyer-Köring, im Interview:
Herr Dr. Brock, in Deutschland gelten seit Anfang des Jahres 2023 die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten. Was beinhaltet das neue Gesetz eigentlich genau?
Mit dem deutschen LkSG wurde ein rechtlicher Rahmen geschaffen, um den Schutz von Menschenrechten – wie das Verbot von Kinder- oder Zwangsarbeit – und der Umwelt entlang internationaler Lieferketten spürbar zu verbessern. Unternehmen, die vor allem im Ausland Vorleistungsgüter u.Ä. beschaffen, sollen nun mehr Verantwortung übernehmen für Produktionsverfahren und Arbeitsbedingungen bei ihren Zulieferern. Insbesondere haben sie seit dem Jahr 2023 menschenrechts- und umweltbezogene Missstände in der Lieferkette zurückzuverfolgen und diese von vornherein oder ab Kenntniserlangung zu vermeiden, abzustellen oder zu verringern. Bei Verstößen gegen diese Compliance-Pflichten drohen den Unternehmen nicht ganz unerhebliche Sanktionen – z.B. Bußgelder. Eine zivilrechtliche Haftung der Unternehmen schließt das LkSG jedoch aus.

Allerdings ist mit dem LkSG noch nicht das Ende der Fahnenstange beim Menschenrechts- und Umweltschutz in Lieferketten erreicht. Im Februar 2022 hat die EU-Kommission einen Vorschlag über eine europäische Lieferkettenschutzrichtlinie veröffentlicht, dessen Inhalt weit über das deutsche LkSG hinausgeht. Es verwundert daher nicht, dass der Richtlinien-Vorschlag in der Wirtschaft kontrovers diskutiert wird – nicht zuletzt, weil er anders als das LkSG gerade eine zivilrechtliche Haftung der Unternehmen vorsieht.
Welche Unternehmen sind vom LkSG erfasst? Warum müssen sich trotzdem auch nicht erfasste Unternehmen damit auseinandersetzen?
Das LkSG erstreckt sich auf sämtliche Unternehmen, die ihre Hauptverwaltung, Hauptniederlassung oder ihren Satzungssitz in Deutschland haben und in der Regel 3.000 oder mehr Angestellte in Deutschland beschäftigen. Bei Konzernstrukturen findet dabei eine Zusammenrechnung der im Inland angestellten Beschäftigten statt. Ausländische Gesellschaften unterfallen dem Gesetz nur dann, wenn sie eine inländische Zweigniederlassung haben. Seit dem 1. Januar 2024 gilt ein Schwellenwert von 1.000 Angestellte, sodass nun deutlich mehr Unternehmen vom LkSG erfasst werden. Übrigens: Die geplante EU-Richtlinie sieht niedrigere Schwellenwerte vor. Hiernach können schon Unternehmen mit durchschnittlich mehr als 250 Mitarbeitern die gesetzlichen Lieferkettenpflichten einzuhalten haben.

Aber auch kleine und mittlere Unternehmen haben sich mit der Lieferketten-Compliance auseinanderzusetzen. Denn ihre Kunden werden ihre Lieferkettenpflichten entlang der Wertschöpfungskette vertraglich abwälzen und deren Einhaltung bei den KMUs überprüfen – sog. Trickle-Down-Effekt. Es kann sogar zur Vertragskündigung kommen. In der Beratungspraxis mehren sich daher auch die Anfragen von KMUs, wie sie nun mit dem vom Auftraggeber bzw. Kunden zugesendeten Vertragsregeln oder Zusicherungsvereinbarungen zur Lieferketten-Compliance umgehen sollen.
Welche Pflichten sieht das Gesetz vor? Worauf müssen sich Unternehmen einstellen?
Das LkSG sieht für die unmittelbar erfassten Unternehmen einen bunten Strauß an Pflichten vor: Hierzu gehören die Einrichtung eines angemessenen Risikomanagementsystems, die Überprüfung von menschenrechtsbezogenen Risiken sowie deren Vermeidung, Einstellung und Einschränkung. Überdies sind die Unternehmen verpflichtet, ihre künftigen Zulieferer nach entsprechenden Kriterien auszuwählen sowie ihre aktuellen unmittelbaren Zulieferer zu verpflichten, den menschenrechts- und umweltbezogenen Verhaltenskodex des Großunternehmens zu befolgen und überdies ihre eigenen Vertragspartner entlang der Lieferkette zur Befolgung des Verhaltenskodex anzuhalten. Nicht selten lassen sich die großen Unternehmen Prüfungs-, Einsichtnahme- und Betretungsrechte hierfür vertraglich zusichern.

Dadurch entsteht eine Vertragskaskade entlang der Lieferkette, sodass letztendlich fast jedes KMU menschenrechts- und umweltbezogene Risiken in ihrem Geschäftsbereich und bei ihren Vertragspartnern fortwährend zu überprüfen und angemessene Präventions- und Abhilfemaßnahmen zu ergreifen haben. Kommen sie dem nicht nach, drohen vertragliche Schadensersatzansprüche ihrer Kunden sowie der Abbruch der Lieferbeziehungen.
Kleine und mittlere Unternehmen haben oftmals Probleme, ihre Lieferketten umfassend zu überblicken, da diese einfach zu weit reichen und hochkomplex sind. Wie könnte man an dieser Stelle ansetzen?
Dies ist in der Tat ein großes Problem, dem sich der gesamte Mittelstand ausgesetzt sieht. Nicht umsonst gibt es in der Wirtschaft zahlreiche Stimmen, die sich zum aktuellen LkSG, insbesondere aber zum geplanten „EU-Lieferkettengesetz“ ablehnend äußern. Auch die DIHK hat sich hierzu kritisch positioniert.

Haben die KMUs schon einen gewissen Compliance-Mechanismus, bietet es sich freilich an, auf dieser Struktur für die Lieferketten-Compliance aufzusetzen. Auch wird das KMU bei einer ersten Risikoanalyse Vertragspartner nach Sitzland und Vertragsleistung zu kategorisieren haben. So wird das Risiko einer Menschenrechtsverletzung bei einem Textilhersteller aus Bangladesch doch deutlich höher sein als bei einem französischen Autoteilezulieferer.
Viele KMUs als Zulieferer erhalten derzeit von ihren Kunden umfangreiche Standardklauseln oder Verträge, in welchen sie eine Vielzahl von Verpflichtungen und Zusagen in puncto Menschenrechte, Umweltschutz usw. eingehen sollen. Zudem sollen sie ihrerseits die Verpflichtungen weitergeben. Verständlicherweise sind gerade kleine Unternehmen sehr verunsichert. Wie können sie reagieren?
Die Auftraggeber und Kunden der KMUs beschreiten den Weg der vertraglichen Verpflichtungsweitergabe zum einen, weil sie ihre eigenen Haftungsrisiken minimieren wollen, zum anderen aber, weil sie durch das LkSG verpflichtet sind, Lieferketten-Compliance-Pflichten an ihre Zulieferer weiterzugeben. Dies macht die vertragliche Gesamtsituation für Mittelständler derzeit so schwierig.

Dennoch sollten sich KMUs die neuen Vertragsverpflichtungen stets näher anschauen und diese durch fachkundige Berater im Detail überprüfen lassen. Denn nicht selten verschärft sich entlang der Lieferkette das vertragliche Pflichtenprogramm deutlich – etwa durch weitreichende Vertragsstrafenklauseln. Bestehender Verhandlungsspielraum ist daher von den KMUs auszunutzen. Vor Abschluss einer Vertragsanpassung sollte das kleine bzw. mitteständische Unternehmen jedenfalls das eigene Risikopotential abwägen und noch vor Zusicherung des neuen Compliance-Standards eigene Haftungsgefahren beseitigen bzw. minimieren.

Das LkSG sieht bei anhaltenden Verstößen auch die Möglichkeit von Bußgeldern vor. Müssen Unternehmen jetzt fürchten, dass sie noch strenger kontrolliert werden?
Insgesamt zeichnet sich die Tendenz zu strengeren staatlichen Überprüfung von Unternehmen ab. So hat etwa bei der Geldwäsche-Compliance die behördliche Kontrolle deutlich zugenommen.

Hinsichtlich der seit Januar 2023 bestehenden Lieferkettensorgfaltspflichten wird aber zu erwarten sein, dass das für die Überwachung zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) vorerst mit einem größeren Kulanzmaßstab staatliche Überprüfungen vornehmen wird. Schließlich fehlt es dem BAFA derzeit noch an den personellen Ressourcen, um eine flächendeckende und detaillierte Überwachung durchführen zu können. Zum anderen bestehen noch zahlreiche Rechts- und Umsetzungsfragen zum LkSG, die im Praxisalltag durch die Unternehmen und dem BAFA gemeinsam geklärt werden müssen. Daher wird auch die vertragliche Inanspruchnahme von KMUs durch ihre Vertragspartner nicht ab dem ersten Tag der neuen Compliance-Pflichten zu erwarten sein.

Interviewter:
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Herr Dr. Karl Brock ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Assoziierter Partner bei der Bonner Kanzlei Meyer-Köring. Seine Beratungsschwerpunkte sind Gesellschaftsrecht, Compliance und Steuern. In diesen Rechtsbereichen berät er bundesweit Unternehmen, Organmitglieder, Anteilseigner sowie vermögende Privatpersonen.
E-Mail: brock@meyer-koering.de
Tel.: 0228 72636-39