Pressemitteilung vom 18. Oktober 2024
Kein Ende der Rezession in Sicht: Reformagenda dringend erforderlich
IHK-Konjunkturumfrage Herbst 2024
Der IHK-Konjunkturklimaindex, der als Stimmungswert sowohl die Geschäftslage als auch die Geschäftserwartungen der regionalen Wirtschaft abbildet, fällt im Herbst 2024 im Vergleich zur Vorumfrage (Frühsommer 2024) um 3 Punkte auf 85 Punkte, was exakt dem Wert aus dem Herbst 2023 entspricht. Damit liegt der Wert im IHK-Bezirk Koblenz weiterhin deutlich unter der 100-Punkte-Marke, die die Grenze zwischen positiver und negativer Gesamtstimmung darstellt.
Das Präsidium der IHK Koblenz hat diese Tatsache zum Anlass genommen, den Mitgliedern des Landtags, Bundestags und Europaparlaments der IHK-Region den Ernst der Lage noch einmal in einem persönlichen Brief zu verdeutlichen. „Die Wirtschaft stagniert, statt zu wachsen. Damit unterscheidet sich die deutsche Wirtschaft von der wirtschaftlichen Entwicklung anderer EU-Länder deutlich negativ. Zudem sehen sich unsere Mitgliedsunternehmen unverändert einem gleichbleibend hohen Risikomix gegenüber, zu dem prominent erneut die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen zählen“, erläutert Arne Rössel, Hauptgeschäftsführer der IHK Koblenz.
Geschäftslage bleibt angespannt
Nur noch jeder vierte regionale Betrieb berichtet von einer guten Geschäftslage. 31 Prozent beurteilen ihre derzeitige Lage hingegen als schlecht. Auch die Geschäftserwartungen für die kommenden zwölf Monate bleiben überwiegend pessimistisch. Im IHK-Bezirk Koblenz gehen über die Hälfte der Unternehmen (55 Prozent) von einer nur gleichbleibenden Geschäftsentwicklung aus und 34 Prozent erwarten sogar eine Verschlechterung. Nur 11 Prozent der Befragten rechnen mit einer besseren Entwicklung.
Im Vergleich zur Vorumfrage verschlechtern sich die Saldenwerte aus positiven und negativen Einschätzungen und rutschen sowohl bei der Geschäftslage (Saldo: -6 Prozentpunkte) als auch bei den Geschäftserwartungen (Saldo: -23 Prozentpunkte) tiefer ins Negative.
Die TOP 5 Konjunkturrisiken unverändert und im Gestaltungsspielraum der Politik
Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass 63 Prozent der Unternehmen den Inlandsabsatz als größtes Risiko betrachten. Weiterhin sind große Risiken die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen (56 Prozent), die Arbeitskosten (52 Prozent), der Fachkräftemangel (47 Prozent) und die Energiepreise (44 Prozent).
„Der Blick auf die Geschäftsrisiken zeigt ein klares Bild: Seit mehr als einem Jahr bewerten die regionalen Unternehmen kontinuierlich dieselben fünf Risiken als besonders kritisch. Diese Risiken liegen alle in Bereichen, in denen politische Maßnahmen wirkungsvoll ansetzen könnten. Durch gezielte Entscheidungen sollte die Politik ihren dringend notwendigen Beitrag dazu leisten, damit die Wirtschaft wieder Vertrauen fasst und in Schwung kommt“, kommentiert Arne Rössel, Hauptgeschäftsführer der IHK Koblenz. „All diese Themen- und Problemfelder haben sich seit vielen Jahren aufgebaut. Wirkliche Strukturreformen und ein konsequenter Bürokratieabbau sind nötiger denn je, um den wirtschaftlichen Abwärtstrend zu stoppen und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaftsregion wieder herzustellen“, so Rössel weiter.
Wachstumsindikatoren unter Druck: Beschäftigungs- und Investitionspläne rückläufig
Angesichts der unsicheren Zukunftsaussichten schrauben die Betriebe auch ihre Beschäftigungs- und Investitionspläne zurück: Lediglich 23 Prozent der Betriebe planen demnach ihr Investitionsvolumen künftig zu erhöhen (Frühsommer 2024: 28 Prozent). Demgegenüber stehen 38 Prozent, die einen Abbau des Investitionsbudgets vorsehen. Der Saldo aus positiven und negativen Antworten sinkt somit auf aktuell -15 Prozentpunkte (Frühsommer 2024: -6 Prozentpunkte).
Besonders gravierend wirkt sich die negative Stimmungslage auf die Beschäftigungsabsichten für die kommenden zwölf Monate aus: Zwar geben immer noch 64 Prozent der Unternehmen an, den Personalbestand konstant halten zu wollen, doch bereits 28 Prozent planen einen Abbau von Stellen. Dieser Wert liegt sogar über den zurückhaltenden Beschäftigungserwartungen während der Corona-Pandemie im Frühsommer 2020 (26 Prozent). Zudem sinkt der Anteil der Betriebe, die in den kommenden zwölf Monaten Personal einstellen möchten, auf 8 Prozent (Frühsommer 2024: 11 Prozent). Der Saldo aus positiven und negativen Beschäftigungserwartungen fällt auf -20 Prozentpunkte (Frühsommer 2024: -9 Prozentpunkte) und erreicht damit den niedrigsten Stand der letzten sechs Jahre. „Um es deutlich zu sagen: Diese Alarmsignale dürfen von der Politik nicht länger ignoriert werden“, so Rössel. Die IHK Koblenz unterstützt daher die umfassende Reformagenda der DIHK unter dem Motto „Wirtschaft First“, die weit über die bisher geplante Wachstumsinitiative der Bundesregierung hinausgeht. Insbesondere die künftige Agenda der Europäischen Union sollte sich dementsprechend dringend neu ausrichten.
Folgende zentrale Maßnahmen sind unverzüglich erforderlich:
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Umfassender Bürokratieabbau, beispielsweise durch Beschleunigung von Genehmigungsverfahren
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Senkung der Energiekosten
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Unternehmenssteuerreform
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Unterstützung der Industrie und Förderung von Unternehmensgründungen
Auch Exporterwartungen sacken ab
Die Exporterwartungen der Industrie für die nächsten zwölf Monate geraten angesichts der schwachen konjunkturellen Lage ebenfalls stark unter Druck, was für die stark exportorientierte rheinland-pfälzische Wirtschaft besonders schwer wiegt: 37 Prozent der Industrieunternehmen rechnen mit einem Rückgang der Exporte, 48 Prozent erwarten eine stagnierende Entwicklung, und nur 15 Prozent gehen von einer Verbesserung des Außenhandels aus. Der Saldo aus höheren und niedrigeren Exporterwartungen sinkt damit auf -22 Prozentpunkte (Herbst 2023: 7 Prozentpunkte).
„Sowohl die Investitionserwartungen als auch die Beschäftigungsabsichten und die Exporterwartungen der Industrie sind allesamt im Saldo stark negativ, insbesondere die Exporterwartungen sacken förmlich in sich zusammen. Damit ist auch jetzt schon für 2025 kein Wachstum in Sicht. Eine weitere Stagnation ist erwartbar, eine länger anhaltende Rezession nicht auszuschließen“, so Fabian Göttlich, Geschäftsführer Interessenvertretung der IHK Koblenz.
Die angespannte Lage spiegelt sich zudem in der Umsatzentwicklung der letzten zwölf Monate wider. Über die Hälfte der befragten Industrieunternehmen (54 Prozent) verzeichnete rückläufige Umsätze. Ebenso bewerten 53 Prozent der Industriebetriebe den derzeitigen Auftragsbestand als niedrig, während lediglich 11 Prozent von einem hohen Auftragsniveau berichten. Der Saldo aus hohem und niedrigem Auftragsbestand fällt somit auf -42 Prozentpunkte (Herbst 2023: -21 Prozentpunkte).
Blick in die Branchen
In nahezu allen Wirtschaftssektoren hat sich das Konjunkturklima über den Sommer verschlechtert. Während die Entwicklungen in der Industrie (Konjunkturklimaindex: 88 Punkte/Verschlechterung zum Frühsommer um 5 Punkte), im Handel (Konjunkturklimaindex: 74 Punkte/Verschlechterung zum Frühsommer um 4 Punkte) und im Dienstleistungsgewerbe (Konjunkturklimaindex: 86 Punkte/Verschlechterung zum Frühsommer um 2 Punkte) etwas nach unten zeigen, verändert sich die Stimmung im Gastgewerbe geringfügig zum Besseren (Konjunkturklimaindex: 89 Punkte/Verbesserung zum Frühsommer um 4 Punkte). In Summe senden jedoch alle Branchen nach wie vor negative Konjunktursignale.
„Ohne eine starke und wettbewerbsfähige Wirtschaft werden wir die großen Herausforderungen der Zukunft – wie den Klimawandel, die Digitalisierung und die demografischen Veränderungen – nicht bewältigen können. Die Wirtschaft des nördlichen Rheinland-Pfalz steht zu ihrer Verantwortung, mehr leisten zu wollen. Dafür benötigt sie jedoch den dringend nötigen Rückenwind aus der Politik, anstatt sich weiterhin mit neuer Bürokratie und zunehmenden Belastungen konfrontiert zu sehen“, so IHK-Hauptgeschäftsführer Rössel abschließend mit Blick auf die Gesamtlage.
Die Konjunkturumfrage wurde im Zeitraum von 09. September 2024 bis 08. Oktober 2024 durchgeführt. An der Umfrage der IHK Koblenz haben 397 Unternehmen mit rund 28.000 Beschäftigten teilgenommen.