Interessenvertretung - Ausgabe 05-06/2024

Das Große und das Kleine im Blick

Ein starker Standort Europa für eine wettbewerbsfähige Wirtschaft

Auch wenn die EU als Unternehmensstandort gerade für Industriebetriebe an Attraktivität verloren hat, setzen die rheinland-pfälzischen Unternehmen einer aktuellen Umfrage zufolge weiter auf den Mehrwert der Europäischen Union. Sie sehen sich aber auch durch Bürokratie und falschen Fokus blockiert.
Die Ergebnisse des IHK-Unternehmensbarometers zur Europawahl 2024 zeigen, dass die Unternehmerinnen und Unternehmer in Rheinland-Pfalz die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft in Gefahr sehen. Diese müsse nach der Europawahl dringend gestärkt werden. Danach beschreibt zunächst eine breite Mehrheit der Unternehmen wichtige Errungenschaften der EU auch als konkreten Nutzen für ihr Geschäft. Dazu zählen vor allem Faktoren wie politische Stabilität (79 Prozent), eine gemeinsame, stabile Währung (68 Prozent), einheitliche EU-Normen und Standards (67 Prozent), Zugang zu europäischen Märkten (66 Prozent), weniger Wettbewerbsverzerrungen (59 Prozent), gemeinsame Handelspolitik (58 Prozent) und Fachkräftegewinnung aus anderen EU-Mitgliedsstaaten (58 Prozent). Alarmierend ist allerdings, dass für 52 Prozent der rheinland-pfälzischen Unternehmen die Attraktivität der EU als Unternehmensstandort in den vergangenen fünf Jahren gesunken ist – bei den Industriebetrieben sogar für fast zwei Drittel. Nur vier Prozent aller Unternehmen sehen verbesserte Standortbedingungen.
„Der Wirtschaftsstandort Europa läuft trotz der Errungenschaften des gemeinsamen Marktes und einer gemeinsamen Währung Gefahr, im internationalen Vergleich ins Hintertreffen zu geraten“,
sagt Arne Rössel, Hauptgeschäftsführer der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz. „Betriebe haben immer weniger Freiraum für unternehmerisches Handeln. Damit Investitionen in Digitalisierung, Dekarbonisierung oder Innovation fließen können, muss Europa als Standort für Unternehmen wieder attraktiver werden.“

Top-Themen für die Politik der EU: Bürokratieabbau, Energieversorgung, Fachkräftesicherung

Priorität für 97 Prozent der befragten Unternehmen hat dabei der Abbau von bürokratischen Belastungen. „Gerade der Anstieg an Auflagen sowie Melde- und Berichtspflichten sorgen dabei für oftmals kaum mehr zu überblickende und praktisch nicht mehr umsetzbare Anforderungen“, erläutert Manuel Heigl, Politikkoordinator und Koordinator Umfragen der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz. „Von Sorgfaltspflichten in der Lieferkette über Produktkennzeichnungspflichten und Verpackungsregularien bis hin zur Nachhaltigkeitsberichterstattung bei der Bilanzierung – die Regelungsdichte bindet immer mehr Zeit und Ressourcen in den Betrieben.“ Mehr als zwei Drittel der Umfrageteilnehmer (70 Prozent) erhoffen sich eine sichere und finanziell tragbare Energieversorgung als zweiten Schwerpunkt der kommenden EU-Politik. „Seit den geopolitischen Verwerfungen mit Russland sind Versorgungssicherheit und bezahlbare Energiepreise nicht mehr selbstverständlich“, so Heigl. „Das Angebot an erneuerbaren Energien, aber auch Brückentechnologien und die dafür notwendigen Energieinfrastrukturen müssen gerade mit Blick auf die industriegeprägte Wirtschaft in Rheinland-Pfalz schnell ausgebaut werden.“

Weniger EU-Regulierungslast sichert Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen

„Entlastungen für die Wirtschaft müssen in der nächsten Legislaturperiode konsequent in die Wege geleitet und umgesetzt werden, damit diese zeitnah und konkret im Unternehmensalltag spürbar werden“, fasst Arne Rössel die Interpretation der Umfrageergebnisse abschließend zusammen. „Denn ein resilienter und attraktiver Standort mit wettbewerbsfähigen Unternehmen führt letztendlich auch gesamtwirtschaftlich zu größerem Wachstum.
Manuel Heigl

Wirtschaftspolitik und Mittelstand (Geschäftsbereich Interessenvertretung)