14. Mai 2024

IHK-Konjunkturumfrage: Unternehmen fehlt Rückenwind

Die Wirtschaft in Nordhessen und der Region Marburg befindet sich auch im Frühsommer 2024 in einer konjunkturellen Talsohle.
Der IHK-Konjunkturklimaindex - das wirtschaftliche Stimmungsbarometer für die aktuelle Geschäftslage und die Perspektiven der gewerblichen Wirtschaft - liegt nach der jüngsten Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Kassel-Marburg bei 92 Punkten. Damit steigt der Index im Vergleich zum Jahresbeginn (88,3 Punkte) leicht an. Er liegt aber weiterhin unter der 100-Punkte-Marke, die die Grenze zwischen positiver und negativer Grundstimmung markiert (Vorjahr: 106,2 Punkte).
Bei der Bewertung der aktuellen Geschäftslage bezeichnen 18 Prozent der befragten Unternehmen ihre Lage als „gut“ und 21,5 Prozent als „schlecht“. Damit setzt sich der Abwärtstrend fort. Der Saldo der Geschäftslage – die Differenz aus positiven und negativen Lagebewertungen – verschlechtert sich erneut auf minus 3,2 Punkte. Die zukünftigen Geschäftserwartungen bleiben insgesamt sehr gedämpft. Mit 23 Prozent rechnet fast ein Viertel der Unternehmen mit einer Verschlechterung in den kommenden zwölf Monaten. Nur 10,5 Prozent erwarten eine Verbesserung. Der Saldo der Geschäftserwartungen bleibt damit auf niedrigem Niveau und liegt nun bei minus 12,6 Punkten.
„Die schlechte Stimmung zieht sich durch fast alle Branchen. In unseren Unternehmen gibt es kaum Vertrauen in eine konjunkturelle Trendwende. Es fehlen Wachstumsimpulse von den Weltmärkten, aber auch von der heimischen Politik. Die Unternehmen fühlen sich zunehmend unter Druck gesetzt“, sagt IHK-Präsidentin Désirée Derin-Holzapfel. „Wir brauchen jetzt schnell eine wachstums- und investitionsfreundliche Wirtschaftspolitik. Ein konsequenter Abbau der überbordenden Bürokratie und eine Reform der Unternehmensbesteuerung könnten dazu erste Schritte sein.“
Besonders besorgniserregend ist aus Sicht der IHK der erneute deutliche Rückgang in der heimischen Industrie. Der Konjunkturklimaindex der Industrie in Nordhessen und Marburg fällt auf 83,4 Punkte (Jahresanfang: 87,7 Punkte; Vorjahr 111,6 Punkte). Für IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Arnd Klein-Zirbes sind „das ernüchternde Zahlen für diese beschäftigungsintensive Branche. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Leitbranche leidet zunehmend. Das zeigen auch die Exportzahlen in unserem IHK-Bezirk.“ 13,1 Prozent der Unternehmen in Nordhessen und der Region Marburg gehen von einem steigenden Exportvolumen aus. 54,8 Prozent gehen von einem gleichbleibenden und 32,1 Prozent von einem fallenden Exportvolumen aus.
Die unzureichenden strukturellen Rahmenbedingungen belasten auch die Investitionspläne in der Region. 33,6 Prozent der Unternehmen wollen ihre Investitionen zurückfahren. Nur noch 26 Prozent planen eine Erhöhung. Damit setzt sich der negative Trend bei den Investitionsabsichten fort. „Um die großen Herausforderungen wie die Transformation der Wirtschaft, die Digitalisierung und den demografischen Wandel zu meistern, brauchen wir deutlich mehr Investitionen", betont Dr. Arnd Klein-Zirbes. „Die Investitionsschwäche im Inland verstärkt den konjunkturellen Abwärtstrend. Immer mehr Unternehmen investieren inzwischen im Ausland, weil ihnen der Standort Deutschland zu teuer und zu kompliziert ist.“
Als größtes Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung nennen erneut 58,1 Prozent der befragten Unternehmen in Nordhessen und in der Region Marburg den Fachkräftemangel. Mit jeweils 56,5 Prozent folgen die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und die Inlandsnachfrage. „Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, müssen wir neue Wege gehen. Das beginnt bei der Berufsorientierung und reicht bis hin zur qualifizierten Zuwanderung, für die bürokratische Hürden abgebaut werden müssen. Gleichzeitig müssen wir die Wertigkeit der dualen Ausbildung kommunikativ stärken“, so IHK-Präsidentin Désirée Derin-Holzapfel. Außerdem müssten wieder mehr Anreize geschaffen werden, um Erwerbslose, auch gering Qualifizierte, zurück in den Arbeitsmarkt zu bringen. Dafür sei es notwendig, Konzepte zur schnelleren Besetzung vorhandener offener Stellen zu modernisieren und das Matching zu optimieren.
Weitere Handlungsfelder sind aus ihrer Sicht die Erhöhung der Beschäftigung von Frauen und Älteren, die Integration von Arbeitslosen, innovative und flexible Arbeitszeitmodelle sowie Produktivitätssteigerungen und Automatisierung durch künstliche Intelligenz. „Beunruhigend ist, dass erneut mehr als jedes zweite Unternehmen die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen als größtes Geschäftsrisiko ansieht. Das ist ein besorgniserregender Wert, der das Vertrauen in den Standort Deutschland widerspiegelt“, bilanziert die IHK-Präsidentin.
Der gesamte Konjunkturbericht mit detaillierten Brancheninformationen, zum Beispiel zum Einzelhandel oder zur Gastronomie, sowie allen Zusatzfragen ist online unter www.ihk.de/kassel-marburg/konjunktur zu finden.