Konjunktur Jahresbeginn

Etwas mehr Zuversicht - IHK-Klimaindex wieder deutlich gestiegen

Die Wirtschaft in Nordhessen und der Region Marburg beurteilte ihre konjunkturelle Situation zum Jahresanfang 2023 deutlich besser als bei der vorherigen Umfrage im Herbst 2022. Der IHK-Klimaindex (Faktor aus gegenwärtiger und zukünftiger Lage), das wirtschaftliche Stimmungsbarometer der Region, stieg auf 102,2 Punkte (Vorumfrage 74,4 Punkte).
Dieses entspricht einem Zuwachs von 27,8 Punkten. An der Umfrage hatten sich rund 290 Unternehmen aus Nordhessen und der Region Marburg beteiligt.
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Eine gute aktuelle wirtschaftliche Lage und deutlich verbesserte Zukunftsaussichten sind über fast alle Branchen hinweg für den Anstieg verantwortlich. „Die wirtschaftliche Situation hat sich verbessert. Die Erwartungen sind zwar immer noch von Vorsicht geprägt, aber die Unternehmen haben wieder etwas mehr Zuversicht gewonnen“, so IHK-Präsident Jörg Ludwig Jordan. Die Lage sei aber nach wie vor fragil. „2023 wird kein leichtes Jahr, viele Herausforderungen warten auf die regionalen Unternehmen. Es bestehen im Hinblick auf die Energiepreise, Fachkräftebedarf und die hohe Inflation immer noch Unsicherheiten und Abwärtsrisiken.“
Die wirtschaftliche Stabilisierung hat in der Breite der heimischen Wirtschaft stattgefunden. Nur die personennahen Dienstleister vermelden aktuell im Hinblick auf die gegenwärtige Lage schlechte Zahlen. Die kräftigsten Sprünge machen zwei Branchen. Zum einen vermeldet die beschäftigungsintensive Industrie deutlich verbesserte Zahlen. Der Klimaindex steigt hier auf 119 Punkte (Vorumfrage 79,9 Punkte). Einher gehen die Zahlen in der Industrie mit verbesserten Investitionsabsichten und einer Stabilisierung des Auslandsgeschäfts. Den größten Sprung aber macht das Kreditgewerbe. Der Klimaindex springt hier von 45,6 Punkten aus dem Herbst 2022 auf 108,0 Punkte - eine wesentliche Rolle spielt die Zinswende der Europäischen Zentralbank (EZB).
Die Bauindustrie blickt weiter eher schwierigen Zeiten entgegen. Der Klimaindex steigt zwar auf 66,6 Punkte (Vorumfrage 30 Punkte, Vorjahr 110 Punkte), bleibt aber immer noch deutlich unter 100 Punkten. Insbesondere die zukünftigen Erwartungen sind eher negativ. „Schwierig ist die Situation im privaten Wohnungsbau und im öffentlichen Hochbau. Der Anstieg der Baukosten durch Inflation und steigende Zinsen führt dazu, dass gewerbliche und private Bauherren auf die Investitionsbremse treten“, beschreibt Dr. Anne Fenge, Aufsichtsrätin der Hermanns Bau AG, Kassel, die Situation der Bauwirtschaft. Der gravierende Fachkräftemangel sei ein weiterer Bremsklotz der konjunkturellen Lage. 
Ebenfalls sehr zurückhaltend sind die Prognosen im Großhandel (Klimaindex 78,1 Punkte) und Einzelhandel (Klimaindex 73,4 Punkte). Beide Branchen leiden unter der Inflation. Die hohen Kaufkraftverluste wegen der Preisanpassungen bei Energie und Lebensmitteln hinterlassen Spuren. Das zeigen auch die aktuellen Daten des Statistischen Bundesamtes für das vergangene Jahr. 8,2 Prozent mehr Umsatz haben letztlich preisbereinigt zu 0,3 Prozent weniger Umsatz im Einzelhandel als 2021 geführt. „Im Großhandel treffen momentan stark erhöhte Kostenstrukturen auf teilweise sinkende Nachfrage der Kunden, der Effekt für unsere Branche liegt auf der Hand. Der Preisauftrieb hat sich zwar zuletzt etwas abgeschwächt, Aussagen über die Zukunft gestalten sich aber dennoch schwierig“, sagt Dennis Will, Geschäftsleitung „Wilhelm Felden und Kaiser & Roth KG Handels-GmbH u. Co.“ (FKR baucentrum), Marburg.
Das größte Risiko stellen für die meisten Unternehmen (71 Prozent) nach wie vor die Energie- und Rohstoffpreise dar. Nach der Reaktion auf die gestiegenen Energiepreise befragt, werden die Unternehmen vor allem auf Einsparungen (79 Prozent) setzen. An Brisanz gewinnt auch weiterhin der Fachkräftemangel, der mittlerweile 65 Prozent der Unternehmen voll erwischt. Die Investitionsbereitschaft liegt im Saldo wieder im positiven Bereich. Erfreulicherweise sind neben Ersatzbedarf auch wieder Kapazitätsausweitungen ein Motiv für Investitionen. Die Exporterwartungen haben sich ebenfalls leicht verbessert. „Die Verbesserung der konjunkturellen Lage und zukünftigen Erwartungen sind auch ein Beleg für die Stärke unseres Wirtschaftsraums. Es führt aber kein Weg daran vorbei, den Wirtschaftsstandort Deutschland schnell zu ertüchtigen. Wir brauchen eine Entbürokratisierung auf weiter Front. Staatliches Handeln muss digitaler, effizienter und vor allem schneller werden. Nur so werden wir Herausforderungen wie den dringenden Infrastrukturausbau und den Fachkräftemangel bewältigen können“, fasst IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Arnd Klein-Zirbes zusammen. Dass die aktuelle Lage besser als noch im vergangenen Jahr befürchtet sei, „ist ein wesentliches Verdienst der Unternehmen“, die flexibel auf die veränderten Umstände reagiert haben, so Dr. Arnd Klein-Zirbes.
Der gesamte Konjunkturbericht mit detaillierten Brancheninformationen ist unter www.ihk.de/kassel-marburg/konjunktur zu finden.
Thomas Rudolff
Bereichsleiter Kommunikation | Informationstechnologie (IT)