Impuls- und Netzwerktag für Unternehmen

Wie nachhaltiges Wachstum gelingt

Beim Impuls- und Netzwerktag im Südflügel des Kasseler Kulturbahnhofs zeigten Experten auf, wie Unternehmen die Herausforderung nachhaltigen Handelns meistern, um die Klimaziele zu erreichen.
Wenn es um Nachhaltigkeit geht, stecken sich viele deutsche Unternehmen hohe Ziele. Das geht aus einer aktuellen Studie des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO hervor. Von den mehr als 600 befragten Familienunternehmen aus unterschiedlichen Branchen gaben mehr als 60 Prozent an, aktuell ein eigenes Klimaziel zu erarbeiten. In den meisten Fällen heißt das: das Anstreben kompletter Klimaneutralität oder zumindest CO2-Neutralität. Gleichzeitig sehen sich Unternehmen mit großen Herausforderungen konfrontiert – vom planerischen Aufwand über die Wirtschaftlichkeit bis zu den unsicheren Rahmenbedingungen des Gesetzgebers.
Wie können Unternehmen also nachhaltig wachsen und die Klimatransformation meistern? Um diese Fragen ging es beim Impuls- und Netzwerktag in Kassel, zu dem die IHK Kassel-Marburg, der Bezirksverein Nordhessen des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), die Limón GmbH, das Energienetzwerk deENet, die Evangelische Bank und das Regionalmanagement Nordhessen eingeladen hatten. Höhepunkt bildete die Keynote des renommierten Klimaforschers Prof. Dr. Hans Joachim Schellnhuber. Zudem inspirierten Experten aus Industrie, nachhaltiger Finanzwirtschaft und energieeffizientem Management, die notwendige Transformation der Wirtschaft in Angriff zu nehmen.

Wie Schrott zu grünem Stahl wird

Nachhaltiges Wachstum: Das ist sogar in Branchen möglich, die als besonders klimaschädlich gelten. Die Stahlindustrie ist zum Beispiel für bis zu neun Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich, was vor allem an der traditionellen Produktion mit Hochöfen liegt, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. Wie Stahl weitaus umweltfreundlicher hergestellt werden kann, schilderte Dr. Jean-Frédéric Castagnet, Leiter Technology und Innovation der GMH-Gruppe in Georgsmarienhütte, die als Vorreiter der Dekarbonisierung in der Stahlindustrie gilt. Dort werden in der Produktion ausschließlich Elektrolichtbogenöfen genutzt, die 80 Prozent weniger Emissionen verursachen. Und nicht nur das: Was hier zu „grünem Stahl“ verarbeitet wird, ist zu 100 Prozent recycelt. „Wir schmelzen Schrott ein, zum Beispiel Stahlträger aus den 50er- und 60er-Jahren, und machen daraus neuen Stahl.“

Mit dem Energieverbrauch einer Großstadt

Die größte Stellschraube in Sachen Klimaschutz sei für die GMH-Gruppe der Strom, sagte Castagnet. Das Elektrostahlunternehmen verbrauche allein so viel Energie wie die Stadt Osnabrück. Die Umstellung auf grünen Strom sei deshalb der wichtigste Aspekt auf dem Weg zur Klimaneutralität. Zudem könne man Kohlenstoff, der für die Produktion benötigt wird, aus biogener Kohle gewinnen und statt Erdgas Wasserstoff nutzen. Bis 2039 will das Elektrostahlunternehmen aus Georgsmarienhütte vollkommen klimaneutral produzieren. „Wir haben uns auf den Weg gemacht und sind optimistisch, dass wir eine Lösung finden.“
Weitaus schwieriger erweist sich die Transformation für die Sozial- und Gesundheitswirtschaft, eine der größten und gesellschaftlich bedeutsamste Branchen in Deutschland, wie Thomas Katzenmayer, Vorstandsvorsitzender der Evangelischen Bank eG, erläuterte. „Ökologisch gesehen ist ein Krankenhaus eine Katastrophe. Sie sind Energie-Hochverbraucher und produzieren jede Menge Plastikmüll.“ Aus dieser Sicht würden die Einrichtungen deshalb immer einen schweren Stand haben und unter der (grünen) EU-Taxonomie schlecht eingestuft. Die Finanzierung von Wirtschaftsaktivitäten im Gesundheits- und Sozialsektor wird so zur Herausforderung. Deshalb fordert Katzenmayer die Entwicklung einer sozialen Taxonomie. Man müsse mit Besonnenheit auf diesen Sektor schauen. „Nachhaltigkeit bedeutet nicht nur ökologisch zu leben, sondern auch sozial und wirtschaftlich nachhaltig zu handeln.“

Auf die Chancen konzentrieren

Bei der anschließenden Podiumsdiskussion, an der sich auch Prof. Dr.-Ing. Mark Junge (Limón GmbH) und Dr. Kai Roger Lobo (Viessmann Group) beteiligten, schauten die Teilnehmer auf das, was auf dem Weg zum nachhaltigen Wirtschaften bereits gut läuft und wo es noch Verbesserungspotenzial gibt. Einig war sich das Podium, dass eine Versachlichung der Debatte notwendig ist. Man müsse sich auf die Chancen und Möglichkeiten konzentrieren. Und wie kann man Zweifler überzeugen? „Reden, reden, reden“, riet Jean-Frédéric Castagnet, der so seine eigene Belegschaft für den Klimaschutz gewonnen hat.