IHK-Ausbildungsumfrage

Viele Lehrstellen bleiben unbesetzt

Angebot und Engagement der Unternehmen hinsichtlich einer Ausbildung im Bezirk der Industrie- und Handelskammer (IHK) Kassel-Marburg sind groß, jedoch konnten 2022 knapp die Hälfte der Betriebe in Nordhessen und der Region Marburg (48,7 Prozent) nicht alle Ausbildungsplätze besetzen. Das ergab die Ausbildungsumfrage der IHK-Organisation, deren Ergebnisse im August veröffentlicht wurden.
Als Grund für diese Entwicklung nannten knapp 65 Prozent einen Mangel an geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern sowie an Bewerbungen generell (rund 41 Prozent). In rund 30 Prozent der Fälle traten die Auszubildenden ihre Ausbildungsstelle nicht an.
Viele Unternehmen im IHK-Bezirk haben in den vergangenen Jahren ihre Anstrengungen verstärkt und ihr Ausbildungsangebot angepasst. Mehr als die Hälfte (circa 56 Prozent) setzt auf moderne IT-Technik, flache Hierarchien (circa 51 Prozent), finanzielle Anreize und ein neues Lehr- bzw. Lernkonzept (jeweils circa 44 Prozent). Nachholbedarf gibt es allerdings im Hinblick auf eine Teilzeitberufsausbildung, Auslandsaufenthalte und Mentorenprogramme (jeweils circa zehn Prozent) sowie eine mobile Ausbildung (circa 13 Prozent).
Besseres Angebot zur Berufsorientierung
„Sehr erfreulich ist, dass zwei Drittel der befragten Betriebe ihr Angebot zur Berufsorientierung ausgeweitet haben. Sie bieten Praktika an, sind auf vielen regionalen Veranstaltungen präsent und ermöglichen ein persönliches Kennenlernen im Zuge eines Tags der offenen Tür, des Girls‘ oder Boys‘ Days“, sagte Dr. Arnd Klein-Zirbes, Hauptgeschäftsführer der IHK Kassel-Marburg. „Denn Praxiserfahrung ist ein elementarer Bestandteil für eine gelungene Berufsorientierung.“ Im Pflichtpraktikum sieht Dr. Klein-Zirbes auch einen wichtigen Baustein für den weiteren Weg nach der Schule. „Wird das Pflichtpraktikum für Schülerinnen und Schüler zu einer spannenden und tollen Erfahrung, steige damit auch die Chance, sie für eine anschließende Ausbildung zu gewinnen.“
Mehr Rückhalt für Schwächere
Auf eine mangelnde Ausbildungsreife von Schulabgängerinnen und -abgängern haben sich viele Unternehmen laut der Umfrage mittlerweile besser eingestellt. „Fast die Hälfte der befragten Betriebe hat eigene Nachhilfeangebote etabliert, um leistungsschwächere Jugendliche gezielt zu fördern – hier ist ein hohes Engagement erkennbar“, erläuterte Dr. Thomas Fölsch, Bereichsleiter Aus- und Weiterbildung der IHK Kassel-Marburg. „Jugendliche, die ihren Ausbildungsvertrag unterschrieben haben, werden danach also nicht allein gelassen, sondern aktiv von ihrem Ausbildungsbetrieb unterstützt.“ Besonders hervorzuheben seien die rund 30 Prozent der regionalen Unternehmen, die angaben, lernschwächeren Jugendlichen grundsätzlich auch ohne öffentliche Unterstützung eine Chance zu geben. Daneben begegnen circa 32 Prozent einer mangelnden Ausbildungsreife, indem sie auf ausbildungsbegleitende Hilfen der Agentur für Arbeit zurückgreifen.
56 Prozent der befragten Unternehmen würden geeigneten Bewerbern aus dem Ausland mit ersten deutschen Sprachkenntnissen einen Ausbildungsplatz anbieten. Bei der bevorzugten Herkunftsregion herrscht Einheitlichkeit: Potenziellen Azubis aus der EU stehen bei einer Zustimmungsrate von 100 Prozent alle Türen offen.
DIHK-Azubi-Marketingkampagne noch recht unbekannt
Bei der Frage nach der neuen Azubi-Marketingkampagne, die die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) gemeinsam mit allen deutschen IHKs im Frühjahr gestartet hatte, zeigte sich, dass knapp die Hälfte der Mitgliedsbetriebe die Kampagne sowie die damit verbundenen Marketingmöglichkeiten noch nicht kennt, aber gerne mitmachen möchte. In diesem Zuge wurde den Betrieben Informationsmaterial sowie der Link zum Betriebs-Kit, welches kostenfreies Werbematerial enthält, zugeschickt.
Aktive Unterstützung durch die IHK
„Die IHK Kassel-Marburg arbeitet mit einem innovativen und breit angelegten Maßnahmenpaket an der Optimierung der Situation rund um die Berufsorientierung“, sagte Dr. Thomas Fölsch. Exemplarisch sei die seitens des Landkreises Kassel federführend initiierte Gründung einer Genossenschaft zum Aufbau eines Berufsorientierungszentrums (BOZ) genannt. Hier bringe sich die IHK aktiv ein und fördert so eine praxisorientierte berufliche Orientierung. „Des Weiteren sind in unserem YouTube-Kanal AzuPOV - Ausbildung interaktiv mittlerweile zwölf Videos erschienen, die jeweils ein Berufsfeld aus der sogenannten Point-of-view-Perspektive einer Person darstellen, die sich über diesen Beruf im Rahmen eines Praxistages informieren.“
Hintergrund zur Umfrage
Bei den befragten Unternehmen handelte es sich vornehmlich um Betriebe einer Größe von 20 bis 199 (31 Prozent) und von 200 bis 499 Mitarbeitenden (circa 26 Prozent). Der Anteil kleiner Unternehmen (bis zu zehn Mitarbeitende: 9,5 Prozent, zehn bis 19 Mitarbeitende: circa sieben Prozent) lag dabei nur minimal unter dem Anteil großer (500 bis 1000 Mitarbeitende: circa zwölf Prozent) und sehr großer Unternehmen (über 1000 Beschäftigte: 14,3 Prozent). Angesiedelt sind dabei die meisten Unternehmen im Industriebereich (36,4 Prozent). Knapp zwölf Prozent gaben als Branche Handel an, circa neun Prozent die Kfz-Produktion beziehungsweise die Zulieferung, Elektrotechnik sowie den Bereich Chemie/Pharma, circa sieben Prozent gehörten zur IT- und 2,4 Prozent zur Medienbranche. Die übrigen Betriebe verteilten sich über die Bereiche Forschung, öffentlicher Dienst, öffentliche Verwaltung, Steuerberatung und Bergbau.
Bundesweit hatten 14.278 Unternehmen an der DIHK-Ausbildungsumfrage teilgenommen. Die Ergebnisse sind unter www.ihk.de/kassel-marburg/ausbildungsumfrage2023 zu finden.
Dr.Thomas Fölsch
Bereichsleiter Aus- und Weiterbildung