Handelsvermittlung
Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters
I. Warum gibt es einen Ausgleichsanspruch?
Durch die Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses verliert der Handelsvertreter seinen Provisionsanspruch für Geschäfte, die der Unternehmer mit den von ihm geworbenen Kunden abschließt. Trotzdem behält der Unternehmer die Möglichkeit, mit diesen Kunden weiterhin Verträge zu schließen. Insbesondere dann, wenn der Handelsvertreter einen festen Kundenstamm aufgebaut hat, sind Folgebestellungen, zumindest für einen gewissen Zeitraum, zu erwarten. Der Unternehmer profitiert also noch nachträglich von den Leistungen des Handelsvertreters, ohne dass ein entsprechender Provisionsanspruch ausgelöst wird. Gem. § 89 b HGB steht dem Handelsvertreter hierfür ein "angemessener" Ausgleich zu. Der Handelsvertreter erhält praktisch eine Vergütung für den von ihm aufgebauten und dem Unternehmer nach Vertragsbeendigung überlassenen Kundenstamm.
II. Wer kann einen Ausgleichsanspruch geltend machen?
- Handelsvertreter, die ihre Tätigkeit hauptberuflich ausüben, vgl. § 89 b Abs. 1 HGB
- Versicherungsvertreter nach §§ 89 b Abs. 5 S. 1, 92 Abs. 1 HGB
- Bausparkassenvertreter nach §§ 89 b Abs. 5 S. 3, 92 Abs. 5 HGB
Handelsvertreter ist, wer i.S. des § 84 Abs. 1 HGB als selbständiger Gewerbetreibender, also im wesentlichen sachlich und zeitlich frei von Weisungen, ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen und auf fremde Rechnung abzuschließen. Seit dem 1. Januar 1999 gilt dies auch für Handelsvertreter, deren Unternehmen einen nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Gewerbebetrieb nicht erfordert, § 84 Abs. 4 HGB. Auch braucht der beauftragende Unternehmer nicht Kaufmann zu sein.
Ein Handelsvertreter ist hauptberuflich tätig, wenn er den überwiegenden Teil seines Einkommens aus der Tätigkeit bestreitet (anders: Rentner) und sie nach Zeit und Umfang keine untergeordnete ist (anders: Studenten, Hausfrauen).
III. Welche Voraussetzungen müssen vorliegen?
Der Ausgleichsanspruch ist an folgende Voraussetzungen geknüpft:
- Beendigung des Handelsvertretervertrages
- Geltendmachung des Anspruchs innerhalb von 12 Monaten
- Erhebliche Vorteile des vertretenen Unternehmers
- Billigkeit, d.h. Deckungsgleichheit von Unternehmervorteilen und Provisionsverlusten
1. Vertragsbeendigung
Das Handelsvertreterverhältnis kann durch einvernehmliche Vertragsaufhebung, Kündigung (§§ 89, 89 a HGB) oder auch durch den Tod des Handelsvertreters enden. In letzterem Fall steht der Ausgleichsanspruch den Erben zu. Der Ausgleichsanspruch entsteht als Folge der Vertragsbeendigung. Lediglich im Fall der Kündigung des Handelsvertreterverhältnisses kann er gem. § 89 b Abs. 3 ausgeschlossen sein. (siehe dazu unter IV. "Wann ist der Anspruch ausgeschlossen?")
2. Geltendmachung
Eine weitere wichtige Voraussetzung ist das rechtzeitige Geltendmachen des Anspruchs innerhalb von 12 Monaten gem. § 89 b Abs. 4 S. 2 HGB. Es empfiehlt sich aus prozessualen Gründen die Schriftform. Die Geltendmachung kann auch schon vor der Vertragsbeendigung erfolgen. Einer Bezifferung der Ausgleichshöhe bedarf es dabei nicht.
3. Erhebliche Vorteile des vertretenen Unternehmers
Der Unternehmer muss aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Vertragsbeendigung noch erhebliche Vorteile haben.
- Der Vorteil des Unternehmers besteht in seiner Möglichkeit, den vom Handelsvertreter aufgebauten Kundenstamm weiter zu nutzen. Ob er diese Chance auch wahrnimmt, ist für den Ausgleichsanspruch unerheblich.
- Die Vorteile sind in der Regel erheblich, wenn von den übernommenen Kunden tatsächlich Nachbestellungen zu erwarten sind. Es muss also eine Prognose über die voraussichtliche wirklichkeitsnahe Entwicklung des Kundenverhaltens angestellt werden. Der Fortbestand der vom Handelsvertreter angeknüpften Geschäftsbeziehungen ist dabei grundsätzlich - bis zum Beweis einer gegenteiligen Entwicklung - zu vermuten.
- Berücksichtigt werden nur Vorteile aus der Geschäftsbeziehung mit vom Handelsvertreter geworbenen Neukunden. Neu sind Kunden, wenn sie bei Beginn der Tätigkeit des Handelsvertreters noch nicht in geschäftlichen Beziehungen zu dem Unternehmer gestanden haben. Als neu gelten aber auch Geschäftsverbindungen, die der Handelsvertreter wesentlich erweitert oder wiederbelebt hat (sog. intensivierte Altkunden).
Besonderheiten für Versicherungsvertreter sind in § 89 b Abs. 5 geregelt.
4. Billigkeit (Deckungsgleichheit)
Die Zahlung eines Ausgleichs muss unter Berücksichtigung aller Umstände geprüft werden, die sich auf die Höhe des zu zahlenden Ausgleichsanspruchs auswirken können. Dies sind solche, die zu dem beendenden Vertragsverhältnis in einem engen Zusammenhang stehen.
- Der Anspruch kann beispielsweise geringer ausfallen, wenn der Unternehmer aus eigenen Mitteln eine Altersversorgung des Handelsvertreters finanziert hat oder der Handelsvertreter während der Vertragslaufzeit besondere Vorteile genoss (z.B. erfolgsunabhängiges Fixum, besonders günstige Vertragsbedingungen)
- Hat der Handelsvertreter während der Vertragslaufzeit besondere Schwierigkeiten bei der Werbung für die Produkte auf sich genommen oder erhöhte Aufwendungen bei der Einführung eines neuen Produktes gehabt, so kann dies einen höheren Ausgleichsanspruch rechtfertigen.
- Durch die Änderung des § 89 b Abs. 1 Satz 1 HGB vom 31.07.2009 (BGBl. S. 2512) ist der Provisionsverlust des Handelsvertreters nicht mehr als eigenständige Voraussetzung für den Ausgleichsanspruch anzusehen. Der Provisionsverlust findet vielmehr im Rahmen der Billigkeitsprüfung Berücksichtigung. Diese Gesetzesänderung beruht auf einem Urteil des EuGH vom 26. März 2009, in dem entschieden wurde, dass Provisionsverluste nur einen von mehreren Gesichtspunkten im Rahmen der Billigkeitsprüfung darstellen.
Der Anspruch kann nicht im Voraus vertraglich ausgeschlossen oder beschränkt werden.
Wichtig: Der Ausgleichsanspruch muss innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Vertragsverhältnisses geltend gemacht werden. Eine genaue Bezifferung ist aber zunächst nicht erforderlich.
IV. Wann ist der Anspruch ausgeschlossen?
Der Ausgleichsanspruch ist ausgeschlossen in den Fällen des § 89b Abs. 3 Nr. 1-3 HGB.
1. Kündigung durch den Handelsvertreter, § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB
Der Ausgleichsanspruch entsteht nicht, wenn der Handelsvertreter selbst kündigt, ohne dass ihm der Unternehmer hierzu einen begründeten Anlass gegeben hat. Ein begründeter Anlass zur Eigenkündigung besteht zum Beispiel bei einer Verkleinerung des Vertreterbezirks, fortgesetzter verspäteter Provisionszahlung oder Lieferung mangelhafter Ware. In diesen Fällen darf der Handelsvertreter kündigen und behält trotzdem seinen Ausgleichsanspruch.
Der Anspruch bleibt auch bestehen, wenn der Handelsvertreter seine Tätigkeit wegen Alters oder Krankheit nicht mehr ausüben kann und aus diesem Grund kündigt. Die Altersgrenze liegt grundsätzlich bei 65 Jahren, bei besonders guter Gesundheit könnte sie eventuell sogar höher liegen. Handelsvertreter, die jünger als 65 sind, müssen besondere schwerwiegende Gründe dafür anführen können, dass sie aus Altersgründen nicht mehr arbeiten können. In der Kündigung ist immer ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass aus Altersgründen oder wegen Krankheit gekündigt wird!
2. Kündigung durch den Unternehmer, § 89 b Abs. 3 Nr. 2 HGB
Der Anspruch entfällt im Falle einer Kündigung durch den Unternehmer, wenn für die Kündigung ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters vorlag. Ein wichtiger Grund ist etwa die nicht genehmigte Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen.
3. Nachfolgeregelung, § 89 b Abs. 3 Nr. 3 HGB
Ein Ausgleichsanspruch besteht auch dann nicht, wenn der ausscheidende Handelsvertreter mit dem Unternehmer eine Nachfolgevereinbarung getroffen hat und auf Grund dieser Vereinbarung ein Dritter an die Stelle des Handelsvertreters tritt. Hinter dieser Bestimmung steht die Vorstellung, dass sich der ausscheidende Handelsvertreter von dem Nachfolger die Übernahme der Vertretung bezahlen lässt und ein zusätzlicher Ausgleichsanspruch gegen den Unternehmer daher überflüssig ist. Der Ausschluss erfolgt unabhängig davon, ob der ausscheidende Vertreter tatsächlich von seinem Nachfolger eine Ausgleichszahlung erhält.
V. Wie hoch ist der Anspruch?
Die Ermittlung des Anspruchs erfolgt in zwei Schritten: zunächst wird anhand des § 89 b HGB der Rohausgleich berechnet, dann wird als Obergrenze des Anspruchs der Höchstbetrag gem. § 89 b Abs. 2 festgestellt.
1. Der Rohausgleich, § 89 b Abs. 1 HGB
Die Berechnung des Rohausgleichs hat sich durch den Wegfall des Provisionsverlusts als eigenständige Voraussetzung geändert. Wie der Rohausgleich genau berechnet wird, muss die Rechtsprechungspraxis erst zeigen.
2. Der Höchstbetrag, § 89 b Abs. 2 HGB
Obergrenze für den Ausgleichsanspruch ist der Höchstbetrag gem. § 89 b Abs. 2 HGB: Der Ausgleichsanspruch beträgt höchstens eine durchschnittliche Jahresprovision. Diese Jahresprovision errechnet sich aus dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre der Tätigkeit des Handelsvertreters. Bei kürzerer Dauer des Vertragsverhältnisses ist der Durchschnittsverdienst während der Dauer der Tätigkeit maßgebend.
Bei der Berechnung des Höchstbetrages sind alle Vergütungen des Handelsvertreters einzubeziehen, z.B. auch die Bruttoprovisionen aus Altkundengeschäften, Provisionen für Delkredere und Verwaltung, Festbeträge usw.
Achtung: Der Unternehmer schuldet als Ausgleich also mindestens den im Einzelfall berechneten Rohausgleich, höchstens aber den Höchstbetrag gem. § 89 b Abs. 2 HGB. Hilfen zur Berechnung finden Sie unter: https://handelsvertreterausgleich.de/berechnung/