Der richtige Umgang mit Lebensmitteln -Rechtliche Grundlagen-

HACCP in der Praxis

Durch die am 1. Januar 2006 in Kraft getretene EU-Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene, ist für jeden, der Lebensmittel behandelt oder in Verkehr bringt, die Einrichtung eines HACCP-Konzeptes (Hazard Analysis and Critical Control Point-Konzept) Pflicht.
Jeder Lebensmittel-Unternehmer muss zudem durch Dokumente und Aufzeichnungen das betriebliche HACCP-Konzept nachweisen können.
Dabei hat er sicherzustellen, dass die Dokumente jederzeit auf dem neuesten Stand sind. Er hat gegenüber der zuständigen Behörde nachzuweisen, dass er diese Anforderungen erfüllt. In der Praxis bedeutet dies, dass der Lebensmittelunternehmer dem Lebensmittelkontrolleur die Aufzeichnungen vorlegen muss.
Bereits seit 1997 sind nach der Lebensmittelhygieneverordnung (LMHV) alle Lebensmittelbetriebe verpflichtet, betriebseigene Kontrollen durchzuführen. Es ist durch angemessene Maß-nahmen sicherzustellen, dass die Entstehung von gesundheitlichen Gefahren vermieden wird. Im Prozessablauf werden die Punkte bestimmt und überwacht (z. B. Lagertemperaturen für Fleisch), die für die Herstellung eines sicheren Lebensmittels unerlässlich sind. Durch diese Verordnung wurde die Lebensmittelhygiene-Richtlinie 93/43 EWG vom 14. Juni 1993 umgesetzt, die das HACCP-Konzept eingeführt hat. Bis dahin war die Dokumentation jedoch nicht verpflichtend. Am 1.Januar 2006 hat sich das geändert! Das HACCP-Konzept muss plausibel schriftlich dokumentiert sein.
HACCP im kurzen Praxisbeispiel:
Ein HACCP-Konzept basiert auf Gefahrenanalyse und Beherrschung der Gefahren. Krankheitserregende Keime können z.B. eine solche Gefahr darstellen. Durch ausreichendes Erhitzen kann die Gefahr minimiert werden. Wird beispielsweise ein Schweineschnitzel gut durchgebraten und erreicht eine Kerntemperatur von 80° C über drei Minuten, so ist das Lebensmittel sicher. Ein Großteil möglicher schädlicher Keime wurde abgetötet. Erforderlich sind eine Gefahrenanalyse und das Ermitteln kritischer Lenkungspunkte. In unserem Beispiel stellen Krankheit erregende Keime die Gefahr, der kritische Lenkungspunkt ist die Erhitzung. Man könnte sagen, das HACCP-Konzept beruht auf dem Prinzip „Gefahr erkannt, Gefahr gebannt".
Hazard = Gefahren
Analysis = Analyse
Critical = kritischer
Control = Lenken
Point = Punkte
Andere Vorschriften
Die Erstbelehrung nach dem Infektionsschutzgesetz durch das Gesundheitsamt bleibt unberührt. Mit der Verkündung des Hessischen Gaststättengesetzes (HGastG) zum 1. Mai 2012 entfällt die Gaststättenunterrichtung für Hessen.
Produktspezifische Hygieneverordnungen wie Fleischhygiene-Verordnung (FIHV), Fischhygiene-Verordnung (FischHV), Hackfleisch-Verordnung etc. wurden durch EU-Recht ersetzt.
Welche Unternehmen sind betroffen?
Das derzeit geltende Lebensmittelrecht und das darin verankerte HACCP-Konzept gelten für alle Betriebe, die gewerbsmäßig Lebensmittel herstellen, behandeln und in Verkehr bringen.
  • Bäcker-, Konditoren- und Fleischerhandwerk
  • Gastronomiebetriebe (vom Imbiss bis zur Gemeinschaftsverpflegung)
  • Lebensmittelindustrie
  • Handel und Transport (vom Kiosk bis zum Großhandel)
Zusammenfassung
Die EU-Hygieneverordnung über Lebensmittel (EG) Nr. 852/2004 gilt für alle Branchen, die gewerbsmäßig mit Lebensmitteln im oben genannten Sinn in Berührung kommen. Betroffen sind sowohl klein- und mittelständische Betriebe als auch Großbetriebe des Handwerks, der Industrie, des Handels und der Gastronomie. Die HACCP-Anforderungen sollen so flexibel sein, dass auch kleine Betriebe sie in allen Situationen anwenden können. In manchen Fällen kann eine gute Hygienepraxis die Überwachung der kritischen Kontrollpunkte ersetzen. Die Maßnahmen sollen verhältnismäßig bleiben, sodass kleine Betriebe keinem übermäßigen Aufwand ausgesetzt werden. Voraussetzung für die Einrichtung eines HACCP-Systems ist immer eine gute Hygienepraxis. Das heißt, höchste Anforderungen an Betriebs- und Personalhygiene und gute bauliche Voraussetzungen.
Einrichtung eines HACCP-Systems - Schritt für Schritt zum HACCP
Die einzelnen Schritte des HACCP-Konzepts ergeben sich aus Artikel 5 Absatz 2 a -f der Verordnung (EG) Nr. 852/2004
Grundsatz 1: Identifizierung der Risiken
Durchführung der Gefahrenanalyse anhand eines Fließdiagramms sowie Festlegung notwendiger Lenkungsmaßnahmen. Identifizierung der möglichen Gefährdung(en) auf allen Stu-fen der Lebensmittelherstellung von der Erzeugung über die Behandlung, Verarbeitung und Ver-teilung bis zum Verbrauch. Abschätzen der Wahrscheinlichkeit des Vorkommens der Gefähr-dung(en) und Festlegen der Vorbeugemaßnahmen zu ihrer Beherrschung.
Grundsatz 2: Identifizierung und Festlegung der kritischen Punkte
Bestimmung der/des kritischen Lenkungspunkte/s (Kontrollpunkte/s). Der kritische Lenkungspunkt bezeichnet die Prozessstufe, an der die relevante Gefahr ausgeschaltet oder auf ein unbedenkliches Maß reduziert wird. Bestimmen der Stellen, Behandlungs- und Prozessstufen, an denen die Gefährdung(en) droht/drohen oder sich die Wahrscheinlichkeit ihres Vorkommens verringern lässt (CCP = kritische Lenkungspunkte). Eine „Stufe" ist jedes Stadium der Lebensmittelherstellung und/oder -bearbeitung einschließlich der Rohmaterialien, des Wareneingangs, der Herstellung, Gewinnung, Beförderung, Zusammenstellung, Behandlung, Lagerung usw.
Grundsatz 3: Festlegung der Lenkungsbedingungen/Grenzen
Wird ein Grenzwert überschritten, müssen Maßnahmen getroffen werden. Grenzwerte sind entweder durch gesetzliche Vorschriften vorgegeben oder entsprechen dem neusten Stand der Wissenschaft und Technik.
Beispiel:
  • Hackfleisch zur Verwendung als Mett
  • Anlieferungstemperatur: 8°C - Grenzwert: 4°C
  • Maßnahme: Rückweisung der Ware
Die Grenzwerte stellen den maximal tolerierbaren Wert dar, der bei der Überwachung kritischer Lenkungspunkte nicht überschritten werden darf. Wird dieser Wert überschritten, sind sofort Korrekturmaßnahmen erforderlich. Für jeden identifizierten kritischen Punkt sind jetzt die Kriterien zu beschreiben, anhand derer man eine Risikogefährdung erkennen kann. Durch Auswahl geeigneter Parameter, wie z. B. Temperatur- /Zeitbedingungen, Kühltemperatur, Standzeiten, Lagerzeiten, Erhitzungszeiten etc.).
Grundsatz 4: Festlegung von Verfahren zur Überwachung jedes CCPs
Einrichtung eines geregelten Überwachungssystems zur Durchführung der Überprüfungen. Wer hat was, wie, wie oft und womit zu überprüfen? Als Parameter für die Überwachung eignen sich am besten physikalische Messgrößen, wie z. B. Temperatur- oder pH-Werte. In jedem Fall ist festzulegen, wer wie häufig die Kontrolle durchzuführen hat und wie diese dokumentiert werden soll.
Grundsatz 5: Festlegung von Maßnahmen bei Überschreiten der Grenzen
Was ist zu tun, wenn ein Grenzwert überschritten wird?
Die Korrekturmaßnahmen beschreiben die Maßnahmen, die zu ergreifen sind, wenn ein bestimmter CCP nicht mehr unter Kontrolle ist. Die Zuständigkeit und Verantwortlichkeit muss klar definiert sein. Korrekturmaßnahmen konzentrieren sich auf das Produkt. Ist nach einer Grenzwertüberschreitung eine Nachbehandlung des Lebensmittels nicht möglich, so muss das Lebensmittel verworfen oder einer anderen Bestimmung zugeführt werden.
Grundsatz 6: Festlegung von Maßnahmen zur Überprüfung des HACCP-Konzepts
Funktioniert das HACCP-System? Sind die Maßnahmen, Verfahren und Verantwortlichkeiten noch auf dem neusten Stand?
Durch interne Überprüfungen ist sicherzustellen, dass alle Verfahren und Rezepturen noch auf dem aktuellen Stand sind. Es ist eine Kontrolle der Aufzeichnungen durchzuführen (z. B. Temperaturaufzeichnungen für CP und CCP) und eine Prüfung der Aufzeichnungen für eingeleitete Korrekturmaßnahmen. Laboruntersuchungen (Lebensmittel- und Abklatschproben) dienen zur Überprüfung der Wirksamkeit des HACCP-Systems. Das Einrichten von Bestätigungsverfahren mit ergänzenden Prüfungen oder Maßnahmen stellt sicher, dass das HACCP-System einwandfrei funktioniert.
Grundsatz 7: Dokumentationsorganisation
Die HACCP-Dokumentation ist in zwei Teile aufgegliedert:
  1. Ausarbeitung und Aufbau des HACCP-Konzepts (Fließdiagramme, Kennzeichnung, Gefahrenanalyse, CCPs)
  2. Dokumentation und Aufzeichnungen (Temperaturlisten, Zeitangaben, Einleitung von Korrekturmaßnahmen sowie weitere Unterlagen - wie Anweisungen zur Personal- und Betriebshygiene, Reinigungspläne und weitere Prüfpläne)
Art und Umfang der Dokumentation ist keinem Unternehmen vorgegeben. Hierüber ist selbst zu entscheiden und insbesondere die Frage zu stellen, ob und wie das Unternehmen zur eigenen Sicherheit und zur Transparenz nach Außen das Getane nachvollziehbar machen möchte. Diejenigen Dokumente, die jedoch aus dem HACCP-Konzept resultieren, sind so
aufzubewahren, dass sie an der richtigen Stelle, wenn sie gebraucht werden, verfügbar sind. Die in Ratgebern und Leitfäden zum Thema HACCP veröffentlichten Dokumentationen und Checklisten sollten als Praxisbeispiele verstanden werden, die Hinweise und Anregungen für die Umsetzung im eigenen Betrieb geben. Demzufolge ist es ab einer gewissen Betriebsgröße notwendig und sinnvoll, auf die Unterstützung externer Berater zurückzugreifen. Auch die Zusammenarbeit von Unternehmen mit ähnlicher Betriebsgröße und ähnlich strukturierten Prozessen ist etwa durch Erstellen gemeinsamer Handbücher eine (kosten-)günstige Lösungsmöglichkeit bei Fragen der Umsetzung der Hygienevorgaben.
Eine angebotene Auswahl an Checklisten und Formularen der IHK Kassel-Marburg soll als Praxisbeispiel verstanden werden, die Hinweise und Anregungen für die Umsetzung im eigenen Betrieb geben sollen. Eine Anpassung an die individuelle betriebliche Situation ist meist erforderlich. Die Checklisten, Prüfpläne und Formulare zur Dokumentation der Betriebshygiene finden Sie auf der Internetseite der IHK Kassel-Marburg. https://www.ihk-kassel.de/branchen/hotel-und-gaststaettengewerbe-1?CFID=83682370&CFTOKEN=61801809

Welche Bausteine muss ein Hygiene-Konzept auf jeden Fall enthalten?
(Quelle: Allgemeine Hotel- und Gaststätten-Zeitung)
Ein Hygiene-Konzept für einen Gastronomie-Betrieb nach den Hygienevorschriften hängt von der Größe und Art des Betriebes ab. Folgende sechs Maßnahmen sollte es aber auf jeden Fall enthalten:
Wareneingangskontrolle
Die Prüfung jeder angelieferten oder eingekauften Ware auf Zustand, Mindesthaltbarkeitsdatum und Temperatur sowie die Dokumentation der Ergebnisse der Prüfung.
Temperaturüberwachung
Die Festlegung von Grenzwerten:
Obere Temperaturgrenzwerte bei Kühlung und Gefrieren; untere Grenzwerte und Erhitzungszeit beim Garen und Warmhalten.
Dazu gehören mindestens einmal täglich die Kontrolle der Kühl- und Gefriertemperatur sowie Stichprobenkontrollen der Temperaturen beim Erhitzen und Warmhalten. Die Nichteinhaltung der Grenzen muss unbedingt dokumentiert werden.
Reinigung und Desinfektionsplan
Die Festlegung von Reinigungs- und Desinfektionsintervallen für alle Betriebsräume und Arbeitsgeräte in einem Plan, der Auskunft darüber gibt, was, wie oft, womit und wie gereinigt wird.
Schädlingsbekämpfung
Die regelmäßige Kontrolle der Räume auf Schädlingsbefall, die Dokumentation dieser regelmäßigen Kontrollen sowie der Bekämpfungsmaßnahmen bei Befall.
Personalschulung
Mindestens einmal jährlich eine Schulung aller Mitarbeiter, die mit Lebensmitteln umgehen sowie die Dokumentation dieser Schulung (Datum, schulende Personen, Teilnehmer, Themen).
Rückverfolgbarkeit
Einrichtung eines Systems zur Feststellung der Lieferanten der im Betrieb verwendeten Lebensmittel.

Wer bietet HACCP-Schulungen an?

Hotel- und Gastronomieverband DEHOGA Hessen e.V.
Auguste-Viktoria-Straße 6, 65185 Wiesbaden
Tel.: 0611 /99201-0, Fax 0611 /99201-22
info@dehoga-hessen.de, www.dehoga-hessen.de
delphi Lebensmittelsicherheit GmbH
Eupener Str. 124, 50933 Köln
Tel.: 0221/ 9130074, Fax 0221/ 9130078
i@delphi-online.de, www.delphi-online.de
Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten (BGN)
Dynamostraße 7-11, 68165 Mannheim
Tel.: 06 21/44 56-0, Fax: 0800/ 1977553-10200
info@bgn.de , www.bgn.de

Weiterführende Information zu HACCP und weitere Schulungsanbieter finden Sie im Internet.
Wer kann im Fall von noch offenen Fragen weiterhelfen?
  • Lebensmittelüberwachung Kassel,
    Tel. 0561/787-3330
  • Lebensmittelüberwachung Landkreis Kassel,
    Tel. 05692/ 987-3300