Südwestwirtschaft kommt nicht in Schwung - Erwartungen düster
Die landesweite IHK-Konjunkturumfrage, an der sich im April 3.327 Unternehmen jeder Größe und Branche beteiligt haben, zeigt: Die Lagebewertungen der Südwestwirtschaft haben sich im Frühsommer weiter verschlechtert. Die Geschäftserwartungen bleiben düster. „Der Trend zur Stagnation scheint in Baden-Württemberg ungebrochen. Viele Weltmärkte zeigen derzeit Zeichen des Aufschwungs, aber die Bremsen unserer Konjunktur sitzen fest. Den Unternehmen fehlen weiter Impulse für einen Aufschwung“, fasst Christian O. Erbe, Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK) die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage zusammen. Insgesamt hat die Südwestwirtschaft nach wie vor mit handfesten strukturellen Herausforderungen zu kämpfen, berichtet Erbe und nennt insbesondere den Fachkräftemangel sowie die hohen Kosten am Standort für Energie, Personal und Finanzierung. „Hinzu kommen die Belastung durch bürokratische Vorgaben, Unsicherheiten durch eine unberechenbare Wirtschaftspolitik und eine hohe Steuerlast. Unter all dem leiden Investitionsbereitschaft und die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen."
Lage und Erwartungen bleiben trüb
Bei Bewertung der aktuellen Geschäftslage setzt sich der Abwärtstrend der letzten Jahre fort: Nur noch 31 Prozent der Betriebe bezeichnen ihre Lage als „gut“ (3 Prozentpunkte weniger als im Januar dieses Jahres und 10 Prozentpunkte weniger als im Frühsommer 2023), 18 Prozent als „schlecht“ (eine Zunahme von 2 Prozentpunkte zur Vorumfrage und 10 Prozentpunkte zur Vorjahresumfrage). Der Saldo der Geschäftslage – die Differenz zwischen positiven und negativen Lagebewertungen – verschlechtert sich im Vergleich zur Jahresbeginn-Umfrage von 18 auf 13 Punkte.
Die Geschäftserwartungen der Südwestwirtschaft verbessern sich leicht, bleiben aber insgesamt negativ und liegen weit unter dem langjährigen Mittelwert. Mit 26 Prozent geht mehr als jeder vierte Betrieb von einer Verschlechterung in den kommenden zwölf Monaten aus (Jahresbeginn: 29 Prozent), nur 19 Prozent rechnen mit Besserung (Jahresbeginn: 18 Prozent). Der Saldo der Geschäftserwartungen steigt damit im Vergleich zum Jahresbeginn um 4 Punkte und liegt bei –7 Punkten.
Geschäftsrisiken bleiben zahlreich und im Ranking unverändert – Sorgen um Inlands- und Auslandsnachfrage steigen
„Zusammengefasst sind die Aussichten der hiesigen Wirtschaft bedrückend. Die Ergebnisse der Konjunkturumfrage müssen jetzt ein deutlicher Weckruf für die deutsche wie auch europäische Politik sein“, stellt Christian Erbe klar. „Die strukturellen Probleme belasten unsere Unternehmen weiterhin und dämpfen zusammen mit steigender Bürokratie und der Verunsicherung über die unstete Wirtschaftspolitik die Nachfrage nach Investitions- wie Konsumgütern bedenklich.“ Das spiegelt sich auch in den Antworten der Unternehmen auf die Frage nach ihren größten Geschäftsrisiken wider. Die geschäftlichen Probleme und Risken bleiben im Frühsommer 2024 weitgehend unverändert zur Vorumfrage. Sie halten sich auf entsprechend hohem Niveau. Das meistgenannte Risiko für Südwestunternehmen bleibt – mit einem Anstieg um 2 auf nun 66 Prozent der Nennungen – die schwache Inlandsnachfrage. Obwohl die Realeinkommen mit den kräftigen Lohnerhöhungen und der niedrigeren Inflation gestiegen sind, halten sich Verbraucher mit Blick auf die unsichere Konjunkturentwicklung weiter zurück. Unter anderem deshalb bleibt auf Unternehmensseite die Nachfrage niedrig. Aufgrund der schwächelnden Weltwirtschaft, neuer bürokratischer Hürden im Außenhandel und der insgesamt nachlassenden internationalen Wettbewerbsfähigkeit vieler Unternehmen hat auch die Sorge um die Auslandsnachfrage leicht zugelegt und betrifft nunmehr 26 Prozent der Gesamtwirtschaft.
Rund die Hälfte der Befragten nennen Fachkräftemangel (57 Prozent nach 59 Prozent zu Jahresbeginn 2024), Arbeitskosten (53 Prozent nach 54 Prozent) und Energiepreise (46 Prozent nach 51 Prozent) als Geschäftsrisiken. Weiterhin bereiten die politischen Rahmenbedingungen mit überbordendender Bürokratie, fehlender Verlässlichkeit und ausbleibenden Wachstumsimpulsen mehr als jedem dritten Unternehmen große Sorgen (37 Prozent nach 38 Prozent im Januar) – vor einem Jahr traf dies noch nur auf knapp jedes fünfte Unternehmen zu (21,4 Prozent).
Investitionen rückläufig
„Die schwächelnde Konjunktur gepaart mit den frustrierenden Rahmenbedingungen hemmen auch Investitionspläne im Inland“, bedauert BWIHK-Präsident Erbe. 31 Prozent der investierenden Südwestunternehmen haben vor, ihre Investments in Deutschland zu verringern, und nur noch 25 Prozent planen eine Erhöhung. Damit setzt sich nach einer kurzen Erholung im Sommer 2023 der Negativtrend bei den Investitionsabsichten fort. Noch zurückhaltender sind die Investitionspläne der Industrie, welche sich derzeit durch die erschwerten Bedingungen auf einem bedenklichen Tiefpunkt ihrer Wirtschaftslage befindet. Hier geben 33 Prozent der investierenden Betriebe an, ihre Inlandsinvestitionen zu kürzen und nur 26 Prozent planen mehr Investitionen.
Erbe: Verlagerung ins Ausland stoppen – Kein Aufschwung ohne Investitionen
Besonders alarmierend: Die Industrie investiert überwiegend in Ersatzbedarf (67 Prozent), Rationalisierung (50 Prozent) und Digitalisierung (47 Prozent). Die Investitionen für Expansionen im Inland (23 Prozent) und die Investitionen in die für künftige internationale Wettbewerbsfähigkeit dringend benötigten Innovationen (35 Prozent) sind deutlich abgeschlagen. „Dazu kommt, dass angesichts von Konjunkturschwäche und hausgemachter Verunsicherung nicht nur Investitionen zurückgestellt werden – ein Teil der Budgets fließt stattdessen in Standorte im Ausland“, so Erbe. „Vierzehn Prozent der befragten Industrieunternehmen – das ist jedes siebte – haben in den vergangenen drei Jahren Investitionen im Inland gestrichen und dieses Geld im Ausland eingesetzt. Gerade die energieintensive Produktion dürfte mit dem Preisschock der vergangenen Jahre teilweise unwiederbringlich abgewandert sein. Aber es gehen auch andere“, ergänzt der BWIHK-Präsident und warnt, dass ohne Investitionen ein robuster Aufschwung und die Rückkehr zu den Wachstumsraten vor der Pandemie nicht zu schaffen seien. „Hier muss Deutschland endlich handeln und seine hausgemachten Konjunkturbremsen lösen. Denn ohne Impulse für Wachstum und eine unterstützende, verlässliche Wirtschaftspolitik gibt es keine Wettbewerbsfähigkeit, keine Investitionen, kein Wachstum und letztlich keine Zukunft – weder für unsere Wirtschaft noch für unser Land. Um die großen Zukunftsthemen wie Struktur- und Klimawandel, Demografie und Digitalisierung wirklich zu meistern, brauchen wir endlich wieder mehr Wachstum und private Investitionen in Deutschland.“