Konjunktur im Südwesten kommt nicht in Schwung
Der Konjunktur Baden-Württembergs fehlt in der BWIHK-Umfrage zu Jahresbeginn noch immer jede Dynamik. Hohe Zinsen, Strompreise, Inflation, schwächelnde Nachfrage im In- und Ausland, Fachkräftemangel, eine unplanbare Wirtschaftspolitik und eine zunehmende Bürokratieflut belasten die Wirtschaft. Die Unternehmen erwarten unterm Strich weiterhin eine Verschlechterung ihrer Geschäfte. Dies hat sich im Vergleich zur Herbstumfrage nicht wesentlich verbessert. Nur jeder fünfte Betrieb (18 Prozent) hofft auf bessere Geschäfte im kommenden Jahr – fast jeder dritte erwartet eine Verschlechterung (29 Prozent). An der Konjunkturumfrage haben sich im Januar landesweit 3.573 Unternehmen aller Größen und Branchen beteiligt.
„Der Blick auf die nächsten Monate bleibt deutlich eingetrübt und der Frust in den Betrieben wächst“, sagt Claus Paal, Vizepräsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK) und Präsident der für die Volkswirtschaft federführenden IHK Region Stuttgart. „Das hat nicht nur etwas mit der wirtschaftlichen Lage zu tun, denn die ist immer noch im positiven Bereich, wenn sie auch schwächelt. Sondern die Politik schafft Probleme: Unsere Unternehmen brauchen Planbarkeit und Verlässlichkeit. Maßnahmen ankündigen, darüber öffentlich streiten, sie verändern oder zurückzunehmen – und dass alles kurzfristig – führt zu Verunsicherung und zwangsläufig zur Vollbremsung bei Investitionsentscheidungen. Die jetzt notwendigen Maßnahmen liegen glasklar vor uns: eine sichere und bezahlbare Energieversorgung, endlich konkrete schnelle Schritte zum Bürokratieabbau, Maßnahmen zur Fachkräftesicherung und die Modernisierung unserer Infrastruktur, um nur einige Beispiele zu nennen.“
Ein Aufschwung ist nicht in Sicht – im Gegenteil: Die Auftragseingänge aus dem In- und Ausland, die Investitionspläne wie auch die Beschäftigungsabsichten bleiben wie in der Vorumfrage unterm Strich im negativen Bereich.
Wirtschaftspolitik für vier von zehn Befragten ein Risiko
„Fast 40 Prozent der Unternehmen und damit deutlich mehr als in der Vorumfrage haben die Wirtschaftspolitik als Geschäftsrisiko genannt. Das geht durch alle Branchen und zeigt deutlich, dass die Unsicherheit und die Belastung der Betriebe seit dem Vorjahres-Herbst sogar noch zugenommen haben“, so Claus Paal. „Alle reden vom ‚One in, one out‘-Prinzip. Für jede neue Regulierung muss eine Regulierung gestrichen werden. Die EU entwickelt sich genau in die andere Richtung und ist jetzt bei ‚Four in, one out‘ angekommen. Alle Hilferufe und Warnungen werden ignoriert. Geht die EU-Lieferkettenrichtlinie in der ausgehandelten Version durch, wird das für alle Unternehmen schlimme Folgen haben, genauso wie die Datenschutzgrundverordnung bis heute für Verunsicherung und Unklarheit sorgt. Ärgerlich ist auch, dass jeder kleine positive Reformimpuls der Politik sofort gestoppt wird – wie beim dringend benötigten Wachstumschancengesetz. So wird Deutschland nicht fit und gefährdet seine internationale Wettbewerbsfähigkeit!“
Der Blick auf die Auftragslage und die Erwartungen der Branchen zeigt nur noch Nivellierungen im negativen Bereich. Insbesondere in der Baubranche, im Groß- und Einzelhandel so-wie bei den Unternehmen aus Transport- und Verkehr überwiegen die pessimistischen Einschätzungen weit. Einzig bei den Dienstleistern halten sich negative und positive Einschätzungen knapp die Waage dank leicht positiven Auftragseingängen. Eine Branche, die Zugpferd aus dem Stillstand sein könnte, ist nicht in Sicht.
Größte Geschäftsrisiken unverändert – nur Wirtschaftspolitik und geopolitische Spannungen legen weiter zu
Die Top-Risiken der Vorumfrage bleiben – ebenso ihre Reihenfolge. Durch die in allen Bereichen weiterhin hohen Preise verbleibt die schwächelnde Inlandsnachfrage mit marginalem Rückgang der Nennungen auf Platz eins (64 Prozent), gefolgt vom Fachkräftemangel (aufgrund der Konjunkturschwäche leicht, um 4, auf 59 Prozent gesunken).
Die inflationsbedingten Kaufkraftverluste und der Fachkräftemangel haben Löhne und Gehälter in die Höhe getrieben: Die Arbeitskosten bleiben auch zu Jahresbeginn das drittgrößte Geschäftsrisiko, fast unverändert mit Nennungen von 54 Prozent.
Auf Rang vier folgen die hohen Energiepreise. Sie geben landesweit weiterhin mehr als jedem zweiten Unternehmen Anlass zur Sorge (54 Prozent). In der Branche Transport und Verkehr sind die Energiepreise für 73 Prozent der Befragten weiterhin das größte Geschäftsrisiko. In der stark international vernetzten Industrie landen die im Vergleich mit vielen Ländern hohen deutschen Energiekosten auf Platz zwei und stellen für 58 Prozent der Betriebe eine Wettbewerbsbeeinträchtigung dar.
Während alle übrigen Risiken im Vergleich zum Herbst etwas weniger genannt werden, le-gen die Sorge um die Wirtschaftspolitik und um die geopolitischen Spannungen beide jeweils um sieben Prozentpunkte und einen Rangplatz zu und liegen in der aktuellen Um-frage nun mit 38 Prozent auf Platz fünf beziehungsweise mit 30 Prozent auf Platz sieben.
Export-Umsätze sind kein Selbstläufer im globalen Wettbewerb
„Die Umfrageergebnisse zeigen weiterhin, dass in Deutschland große konjunkturelle Herausforderungen auf langfristige strukturelle Schwächen treffen“, erklärt Claus Paal. „Das zermürbt unsere Unternehmer und führt derzeit zu weniger Investitionen, weniger Innovationen und auch weniger Wettbewerbsfähigkeit auf den Exportmärkten. Wir müssen beim Fachkräftemangel ansetzen, ebenso wie beim Bürokratieabbau – auch gegenüber dem Regelungsdickicht der EU-Lieferketten-Regulierungen“, macht Paal deutlich. „Denn hohe Exportumsätze sind keine Selbstläufer: Die Weltwirtschaft hat durchaus Alternativen zu deutschen Produkten. Die Unternehmen brauchen vielmehr Freihandelsabkommen, Anreize und Unterstützung von der EU für ihren Außenhandel. Ganz besonders wenn handelspolitische Ziele verfolgt werden sollen. Nicht eine Flut von Regulierungsvorschriften, die die Unternehmen blockieren und schwächen.“
Exporterwartungen verhalten positiv
Die Exportumsätze Baden-Württembergs sind 2023 geringer ausgefallen als im Vorjahr. Auch die Aufträge aus dem Ausland sind unterm Strich rückläufig. Dennoch blickt die Südwestwirtschaft nach dem Einbruch vom Herbst nun wieder vorsichtig optimistisch auf die kommenden Ausfuhren. Diese Stimmungsaufhellung wird vor allem von den positiven Erwartungen der Dienstleistungsunternehmen getragen. Denn in der Industrie haben sich die Erwartungen zwar mit den Auftragseingängen und dem sich stabilisierenden Welthandel ebenfalls verbessert. Doch halten sich dort positive und negative Einschätzungen die Waage. Positive Impulse erwarten die Betriebe in der kommenden Zeit vor allem aus den USA, wo die riesigen Förderprogramme die Nachfrage auch nach deutschen Investitionsgütern treiben, aus Asien sowie aus Lateinamerika.
(Stuttgart, Februar 2024)