DIHK-Konjunkturumfrage Frühsommer 2024
Deutsche Wirtschaft kommt nicht in Gang
Der Aufschwung bleibt weiter aus. Das ist das Ergebnis der DIHK-Konjunkturumfrage zum Frühsommer 2024, an der sich mehr als 24.000 Unternehmen aus allen Branchen und Regionen beteiligt haben. „Die aktuelle Lage der Unternehmen ist mau, in der Industrie sogar schlecht. Die Erwartungen zeigen keine kraftvolle Aufwärtsbewegung“, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben bei der Vorstellung der Umfrage am Donnerstag (23. Mai) in Berlin. „Die Hoffnung der letzten Monate, dass ein gutes Auslandsgeschäft oder eine wieder anziehende Inlandsnachfrage als Motor der heimischen Unternehmen wirken könnten, hat sich nicht bestätigt. Im Gegenteil: Eine schwache Binnenkonjunktur und handfeste strukturelle Herausforderungen halten die Wirtschaft weiterhin im Griff.“ Der neu entwickelte DIHK-Stimmungsindex zeigt einen unterdurchschnittlichen Wert von 97,2 an. „Das ist etwas besser als zu Jahresanfang. Es gibt aber weiterhin mehr Pessimisten als Optimisten“, so Wansleben.
Geschäftliche Lage und Erwartungen kommen nicht aus dem Keller
Nur noch 28 Prozent der Unternehmen (statt 29 Prozent zum Jahresbeginn) bewerten ihre Geschäftslage als positiv, während 23 Prozent (nach 22 Prozent) diese als schlecht einschätzen. Der Saldo der Lagebewertung zwischen positiver und negativer Einschätzung setzt damit den Abwärtstrend fort und sinkt von sieben auf nun fünf Punkte. „Damit bestätigen sich die negativen Geschäftserwartungen aus den vergangenen Monaten in der Gegenwart. Diese Eintrübung zieht sich fast durch die gesamte Wirtschaft“, erläuterte Wansleben. „Besonders besorgniserregend ist, dass sich die Situation der Industrie gegenüber dem Jahresbeginn verschlechtert hat und damit weiter negativ bleibt. Die Erosion der Industrie setzt sich fort.“ In der Industrie bewerten mit 28 Prozent mehr Betriebe ihre Lage negativ als positiv (23 Prozent). „Das ist bemerkenswert“, so Wansleben. „Denn üblicherweise ist die Industrie wegen ihrer international breit gestreuten Kunden und ihrer Bedeutung für die Investitionstätigkeit am Standort Deutschland unser wichtigster Konjunkturmotor.“
Allerdings zeigen sich bei den Geschäftserwartungen im Vergleich zum Jahresbeginn gewisse Verbesserun-gen. Vor allem der Anteil der Unternehmen mit negativen Erwartungen ist von gut einem Drittel auf ein Viertel zurückgegangen (26 Prozent nach zuvor 35 Prozent). Für sich genommen ist das ein gutes Zeichen. Allerdings überwiegen weiterhin die pessimistischen Einschätzungen. Der Anteil der Unternehmen, die positive Erwartungen haben, bleibt aber mit 16 Prozent niedrig. Der Saldo aus besseren und schlechteren Antworten steigt damit gegenüber der Vorumfrage von minus 21 auf minus zehn Punkte. „Wir sehen an den Zahlen, dass die Konjunktur nicht wegbricht. Ein Wachstumsschub ist aber bislang nicht erkennbar." Obwohl die Weltwirtschaft moderat wächst, verbessern sich auch die Exporterwartungen nur leicht - von minus sieben auf minus fünf Punkte. „Von den Exporten gehen aktuell keine positiven Impulse aus. Die DIHK prognostiziert beim Wirtschaftswachstum aufgrund der Ergebnisse allenfalls eine Stagnation für dieses Jahr“, so Wansleben. Auch auf dem Arbeitsmarkt sei wenig Bewegung zu erwarten.
Risiken bleiben hoch
Die Zahl der von den Unternehmen benannten Geschäftsrisiken bleibt unverändert hoch. Wegen der schwachen Binnenkonjunktur sieht jedes zweite Unternehmen ein Risiko in der Inlandsnachfrage (55 Prozent). „Aber auch die strukturellen Risiken bewegen sich weiterhin auf einem hohen Niveau“, sagte der DIHK-Hauptgeschäftsführer. Mehr als die Hälfte der Betriebe sind besorgt über die noch immer hohen Energie- und Rohstoffpreise, über das Dauerthema Fachkräftemangel und über die Arbeitskosten. Hinzu kommen unsichere wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen. „Das zeigt, wie stark die Wettbewerbsfähigkeit vieler Unternehmen und des Standortes insgesamt derzeit unter Druck ist“, so Wansleben.
Investitionspläne bleiben schwach
Trotz geringfügiger Verbesserung bleiben die Investitionspläne der Betriebe restriktiv. Nur ein Viertel (24 Prozent) der Unternehmen plant mit mehr Investitionen, drei von zehn (31 Prozent) müssen hingegen kürzen. Nur während der Finanzkrise und zu Beginn der 2000-er Jahre (Herbst 2003) lag der Anteil der Unter-nehmen, die in Kapazitätsausbau investieren will, noch niedriger. „Das sind alarmierende Anzeichen einer schrittweisen Deindustrialisierung“, warnte Wansleben. „Wenn wir nicht zügig gegensteuern, verliert Deutschland seine industrielle Basis. Und damit die Grundlage für unseren Wohlstand.“ Sorge bereitet der DIHK, dass die Investitionen insgesamt nach wie vor unter dem Niveau von 2019 liegen.
Die Unternehmen brauchen ein deutliches Aufbruchssignal
„Gerade auch weil die internationale Lage wegen der Vielzahl der Krisen so unsicher ist, brauchen die Unter-nehmen zumindest aus Berlin und Brüssel deutliche Aufbruchssignale. Die müssen in Richtung unternehmerische Freiheit zeigen – also mehr Innovation und weniger Bürokratie bringen“, so Wansleben. „Dazu gehören die im Pakt von Bund und Ländern vorgesehenen Maßnahmen zur Beschleunigung des Ausbaus von Breitband, Industrie- und Windkraftanlagen. Das muss von der Regierungskoalition endlich vollständig um-gesetzt werden.“ Notwendig sind aus DIHK-Sicht auch steuerliche Entlastungen, da die Steuerbelastung der Unternehmen im internationalen Vergleich sehr hoch ist. „Sinnvoll wären schnelle und wirksame Schritte: Die im Wachstumschancengesetz enthaltene degressive – also beschleunigte – Abschreibung sollte auch über den Jahreswechsel hinaus möglich sein. Außerdem brauchen wir die dort ursprünglich mal geplante Investitionsprämie. Und die Sofortabschreibung von sogenannten geringwertigen Wirtschaftsgütern sollte bis zu einem Wert von 5000 Euro möglich sein. Und nicht nur bis 800 Euro. Auch der Soli, der in seiner jetzigen Form überwiegend von Unternehmen gezahlt wird, sollte komplett abgeschafft werden.“