Schiedsgutachten

Ziel und Aufgabe eines Schiedsgutachtens

  • Ziel des Schiedsgutachtens ist es, Meinungsverschiedenheiten von Vertragsparteien über den Inhalt, die Auslegung oder die Anpassung eines Vertrages durch einen unabhängigen, unparteiischen und fachlich kompetenten Sachverständigen verbindlich klären zu lassen. Der Gang zum Gericht soll dadurch vermieden werden, bleibt aber unter bestimmten Voraussetzungen möglich.
  • Aufgabe des Schiedsgutachters ist es, im Rahmen eines Rechtsverhältnisses für die Vertragsparteien zweifelhafte oder umstrittene Punkte zu klären. Gegenstand kann dabei im Grundsatz alles sein, was sich durch Sachverständige begutachten lässt und nicht gegen zwingende gesetzliche Normen verstößt. Im Gegensatz zum Schiedsgericht, das über einen entstandenen Rechtsstreit anstelle eines staatlichen Gerichts entscheidet, stellt der Schiedsgutachter nur Umstände fest. Er entscheidet nicht über die sich daraus ergebenden Verpflichtungen der Parteien und die Rechtsfolgen.

Beispiele für gutachterliche Tätigkeiten

  • Tatsachengutachten
    Die Parteien beauftragen den Schiedsgutachter, tatsächliche Zustände und Eigenschaften von Anlagen, Einrichtungen, Warenlieferungen oder Werkleistungen zu untersuchen und zu beurteilen, Abrechnungsdifferenzen aufzuklären sowie Geschehensabläufe zu rekonstruieren, Ursachenzusammenhänge zu analysieren und das Ausmaß von Schäden festzustellen.
  • Wert- oder Schätzgutachten
    Die Parteien beauftragen den Schiedsgutachter, den angemessenen Kauf- oder Marktpreis einer Ware, den Verkehrs- oder Beleihungswert eines Grundstücks oder den Wert einer Arztpraxis oder eines Unternehmens festzustellen.
  • Anpassungsgutachten
    Die Parteien beauftragen den Schiedsgutachter, den Erbbauzins, die vereinbarte Miete oder eine andere wiederkehrende Leistung im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses anhand eines vertraglich vorgegebenen bestimmten oder bestimmbaren Maßstabs den veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen anzupassen.
Möchten die Vertragsparteien bei Uneinigkeit über z. B. Sachmängel beim Kauf- oder Werkvertrag, Feststellung von Bauschäden anlässlich der Bauabnahme etc., den kostenaufwändigen Gang vor Gericht meiden, können sie die Einschaltung einer fachkundigen und neutralen Person (regelmäßig ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger) vereinbaren, die den umstrittenen Sachverhalt für beide Vertragspartner verbindlich feststellt.
Eine solche Vereinbarung für den Fall des Streits bezeichnet man als Schiedsgutachtenvereinbarung bzw. -abrede. Durch die Schiedsgutachtenvereinbarung bzw. -abrede verpflichten sich die beiden Vertragspartner, bestimmte Zweifels- und Streitfragen nicht vor die staatlichen Zivilgerichte zu bringen, sondern ihre Klärung einem Schiedsgutachter anzuvertrauen. Diese Vereinbarung bzw. -abrede wird üblicherweise in Form einer Klausel im Rahmen eines Gesamtvertrages weit vor Eintritt des Schiedsgutachtenfalls geschlossen. Sie ist deshalb auch meist nicht mehr als eine Klausel oder ein Abschnitt in einem Gesellschafts-, Werk-, Liefer- Miet- oder Pachtvertrag und meist als Regelung für den Fall getroffen, dass später bei der Abwicklung oder Durchführung des Vertrages zwischen den Parteien etwas streitig oder unklar wird.
Bei Auftreten von Streitigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten zwischen Vertragspartnern kann eine Vereinbarung bzw. -abrede aber auch erst nach Eintritt des Streitfalls geschlossen werden.

Antragstellung

Mit einem Antrag auf Benennung eines Schiedsgutachters bei der in der Schiedsgutachten-vereinbarung bzw. -abrede genannten IHK ist die Vorlage folgender Unterlagen zwingend erforderlich:
  • Antragsschreiben
    Kurze Schilderung des Sachverhalts (was genau soll begutachtet werden). Ladungsfähige Anschriften aller Vertragsparteien, ggf. Nennung der Prozessbevollmächtigten.
  • Kopie des in Bezug genommenen Vertrages
    Kopie des gesamten Vertrages, in dem die Schiedsgutachterklausel enthalten ist bzw. Kopie der Vereinbarung zwischen den Parteien, dass die Benennung eines Schiedsgutachters durch die IHK Karlsruhe erfolgen soll.
  • Versicherung
    Der/die Antragsteller versichern schriftlich, dass der Schiedsgutachtenfall gemäß der vertraglichen Regelung eingetreten ist

Ablauf des Benennungsverfahrens

Sobald das Antragsschreiben der IHK vorliegt, prüft die IHK die Vollständigkeit der Unterlagen und fordert ggf. ergänzende Unterlagen nach. Sodann wird ein sachlich geeigneter Sachverständiger ermittelt. Durch Befragung des Sachverständigen durch die IHK wird u.a. sichergestellt, dass keine Besorgnis der Befangenheit besteht und der Sachverständige auch zur Gutachtenerstellung fachlich in der Lage und aus seiner Sicht bereit ist.
Hiernach erhalten die Parteien die abschließende schriftliche Benennung des Sachverständigen als Schiedsgutachter.
Hinweise: Unklar formulierte Schiedsgutachterklauseln (Schiedsgutachtenabreden) können von der IHK Karlsruhe anhand des Wortlauts sowie Sinn und Zweck der Regelung ausgelegt werden. Serviceleistung der IHK Karlsruhe ist ausschließlich die Benennung des Schiedsgutachters.
Die IHK Karlsruhe prüft nicht
  • die Gültigkeit oder das Vorliegen der Voraussetzungen der Schiedsgutachterklausel (Schiedsgutachtenabrede),
  • die Antragsberechtigung des Antragstellers,
  • den zugrundeliegenden Sachverhalt,
  • Rechtsfragen des zugrundeliegenden streitigen Rechtsverhältnisses
sowie diesbezügliche Einwendungen; solche sind im Verfahren auf Benennung eines Schiedsgutachters grundsätzlich unbeachtlich und damit für die IHK Karlsruhe ohne Belang. Die IHK Karlsruhe kann hierzu keine Stellung nehmen. Die rechtliche Klärung derartiger Fragen bleibt den Zivilgerichten vorbehalten.
Der Antragsteller sollte sicher sein, dass auch die andere Partei die Beauftragung des Schiedsgutachters wünscht. Zweifel sollten die Parteien gemeinsam im Vorfeld ausräumen. Die IHK Karlsruhe kann hierzu keine Stellung nehmen.
Der Schiedsgutachter selbst wird nach der abschließenden Benennung durch die IHK von der Partei / den Parteien zur Erstellung des Gutachtens beauftragt. Die einzelnen Modalitäten, insbesondere der Umfang der Sachverständigenleistung und dessen Vergütung, werden in einem Schiedsgutachtenvertrag geregelt.

Kosten eines Schiedsgutachtens

Der Schiedsgutachter kann mit den Parteien die Höhe der Vergütung in der Regel frei vereinbaren. Die zu erwartenden Kosten sollten vor der Auftragserteilung bei dem benannten Schiedsgutachter erfragt werden. Soweit nicht anders vereinbart, tragen die Parteien die Kosten je zur Hälfte.
Da es keine staatliche Gebührenordnung für die Tätigkeit des Schiedsgutachters (Sachverständigen) gibt, findet auch das JVEG keine Anwendung.
Gibt es jedoch für den privaten Gutachtenbereich Bestimmungen in anderen staatlichen Gebührenordnungen (z.B. § 34 Honorarordnung für Architekten und Ingenieure - HOAI), müssen diese auch bei Erstellung eines Schiedsgutachtens angewendet werden.

Formulierung der Schiedsgutachtenvereinbarung bzw. -abrede

Eine Bestimmte Form ist für die Schiedsgutachtenvereinbarung bzw. -abrede nicht vorgeschrieben. Es wird jedoch dringend empfohlen, die Klausel schriftlich niederzulegen, sie detailliert zu formulieren und von beiden Parteien unterschreiben zu lassen.
Die Schiedsgutachtenvereinbarung bzw. -abrede muss nicht in einer besonderen Urkunde erfolgen; es genügt die Aufnahme einer Schiedsgutachterklausel im Grundvertrag.
Es sollte in der Klausel klar definiert sein, dass die Parteien darin übereinstimmen, dass bei strittigen oder unklaren Fragen ein Schiedsgutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für beide Parteien bindend entscheidet.
Es sollte - wenn möglich - auch klar definiert sein, bei welchem Sachverhalt bzw. ab welchem Zeitpunkt der Schiedsgutachtenfall eintritt, der Schiedsgutachter also benannt und letztendlich auch beauftragt werden soll. Idealerweise ist im Vorfeld vereinbart worden, wer den Antrag auf Benennung eines Schiedsgutachters stellen kann, wer ihn auswählt und beauftragt.
Darüber hinaus empfiehlt sich eine Kostenvereinbarung zwischen den Parteien.

Beispiel für die Formulierung einer Schiedsgutachterklausel

Entstehen bei der Durchführung dieses Vertrages Unklarheiten oder Meinungsverschiedenheiten über tatsächliche Umstände oder ändern sich die dem Vertrag zugrunde liegenden Sachverhalte in wesentlichen tatsächlichen Punkten, so soll gem. §§ 317 ff. BGB ein für beide Parteien verbindliches Schiedsgutachten zur Entscheidung des streitigen Sachverhalts eingeholt werden. Als Schiedsgutachter soll auf Antrag einer Partei oder beider Parteien ein von der IHK Karlsruhe öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger benannt und sodann von den Parteien beauftragt werden.
Im Falle der Verhinderung oder des Vorliegens von Ablehnungsgründen wegen Besorgnis der Befangenheit soll von der IHK Karlsruhe ein Ersatzsachverständiger benannt werden. Die Kosten für das Schiedsgutachten tragen die Parteien je zur Hälfte

Anmerkungen

Nach Möglichkeit sollten der tatsächliche Umstand (z. B. Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse) und der Gutachtenauftrag (z.B. Neufestsetzung der Miete oder Pacht) sowie der Rahmen der Neufestsetzung (z.B. anhand der Punktzahl für die Kosten eines Vier-Personen-Haushalts) konkret angegeben werden.
Bei Weigerung zur Beauftragung des Schiedsgutachters durch eine Partei kann die andere Partei auch auf Zustimmung zur Beauftragung klagen.