Verfügbarkeit von Rohstoffen wird zum Risiko für den Aufschwung

In vielen Fällen kann die Nachfrage etwa nach Holz, Metallen und Mineralien und daraus gefertigten Vorprodukten nur teilweise gedeckt werden. Betroffen sind Unternehmen verschiedenster Branchen. Die knappe Verfügbarkeit von Rohstoffen ist zu einem Hemmschuh dafür geworden, bald wieder an die wirtschaftliche Entwicklung vor der Corona-Krise aufzuschließen.

Entwicklung belastet vor allem Industrie und Bau

Die akuten Preissteigerungen zeigen sich auch in der aktuellen DIHK-Konjunkturumfrage. Dort geben 42 Prozent der Unternehmen hohe Energie- und Rohstoffpreise als Geschäftsrisiko an. Besonders das verarbeitende Gewerbe ist betroffen: Zwei Drittel der Industriebetriebe sehen in Energie- und Rohstoffpreisen ein Risiko für ihre wirtschaftliche Entwicklung – deutlich mehr als noch zu Jahresbeginn 2021 (45 Prozent). Kein Faktor wird derzeit in der Industrie häufiger genannt. Im Vergleich dazu hat das zuletzt als sehr hoch eingeschätzte Risiko der Inlandsnachfrage an Bedeutung verloren (49 Prozent nach 61 Prozent zu Jahresbeginn 2021).
Auch bei den Unternehmen im Baugewerbe hat das Geschäftsrisiko Energie- und Rohstoffpreise mit 62 Prozent (Jahresbeginn 35 Prozent) enorm an Bedeutung gewonnen. Lediglich der Fachkräftemangel stellt in der Bauindustrie mit 67 Prozent aktuell noch mehr Unternehmen vor Herausforderungen.
Diese deutlichen Veränderungen im Vergleich zur Vorumfrage lassen sich weitgehend auf den sprunghaften Anstieg der Rohstoffpreise zurückführen. Daneben belasten bereits seit Jahren die hohen Energiekosten die Unternehmen (siehe beispielsweise Energiewende-Barometer 2020), doch sind hier die Preise in den vergangenen Monaten weniger stark gestiegen als bei vielen Rohstoffen.

Zahlreiche Branchen von Preissteigerungen betroffen

Am deutlichsten zeigt sich das Geschäftsrisiko hoher Energie- und Rohstoffpreise bei den Produzenten von Vorleistungsgütern wie der chemischen Industrie oder der Metallerzeugung und -bearbeitung. Sie sind unmittelbarer von schwankenden Preisen oder Lieferengpässen beeinflusst: Unter ihnen nennen im Durchschnitt drei von vier Unternehmen dieses Risiko. Besonders häufig sehen sich die Gummi- und Kunststoffhersteller (84 Prozent) und das Holzgewerbe (82 Prozent) mit Preissteigerungen konfrontiert.
Aber auch bei den Investitionsgüterproduzenten wie den Maschinenbauern (56 Prozent), dem Kraftfahrzeugbau (69 Prozent) oder der Elektrotechnik (54 Prozent) machen sich die Energie- und Rohstoffpreise als Geschäftsrisiko deutlich bemerkbar. Kostensteigerungen zeigen sich hier vor allem in den Zulieferprodukten.
Grafik1
Quelle: DIHK

Hemmschuh für den wirtschaftlichen Aufschwung

Die wirtschaftlichen Aufholeffekte bei den Industriebetrieben sorgen derzeit für vorsichtigen Optimismus in der deutschen Wirtschaft. Laut DIHK-Konjunkturumfrage hat sich ihre Geschäftslage im Vergleich zum Jahresbeginn in der Industrie deutlich verbessert (Saldo aus "besser"- und "schlechter"-Anworten von 25 Punkten nach zuvor 6). Sogar die Baubetriebe bewerten ihre Lage noch leicht positiver als zuletzt (Saldo von 41 Punkten nach zuvor 39). Darüber hinaus haben die Industrieunternehmen ihre Geschäftserwartungen für die kommenden zwölf Monate im Durchschnitt nach oben geschraubt (Saldo von 16 Punkten nach zuvor 8).
Allerdings liegen die Erwartungen der von den Rohstoffknappheiten besonders betroffenen Branchen unter dem Mittel, teilweise sind diese Betriebe pessimistischer als zu Jahresbeginn. Hier zeigen sich also bereits deutliche Auswirkungen der jüngsten Entwicklungen in puncto Rohstoffverfügbarkeit.
Die gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise könnten sich mithin zu einer merklichen Bremse des wirtschaftlichen Aufschwungs entwickeln. So rechnen etwa die Gummi- und Kunststoffproduzenten, Metallerzeugungs- und -bearbeitungsbetriebe sowie die Kraftfahrzeugbauer nun mit weniger guten Geschäften als noch am Jahresanfang. Unternehmen im Holzgewerbe, der Glas-, Keramik- und Steineverarbeitung sowie der Nahrungs- und Futtermittelindustrie sind zwar zuversichtlicher als zuletzt, aber dennoch weniger optimistisch als die Industrie im Durchschnitt.

Gründe und Auswirkungen der globalen Rohstoffknappheiten

Als zentrale Ursache verweisen die Unternehmen auf ein Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage infolge der Coronavirus-Pandemie: Vielerorts war die Produktion nach unten angepasst und die Nachfrage teils aus Lagern bedient worden. Nicht immer kann die Erzeugung und Produktion rasch genug wieder auf die unerwartet schnell angesprungene und hohe weltweite Nachfrage angepasst werden.
Hinzu kommen fehlende Frachtkapazitäten und die Nachwirkungen der Suez-Kanal-Blockade, die zu Lieferschwierigkeiten beitragen. So geben beispielsweise im jüngsten AHK World Business Outlook, einer Erhebung unter deutschen Unternehmen im Ausland, 40 Prozent der Befragten Lieferkettenprobleme an – ein in der Umfrage so noch nicht gekannter hoher Wert.
Zusätzlich können bei einzelnen Rohstoffen Handelskonflikte die derzeitigen Engpässe verschärfen: etwa die europäischen Importeinschränkungen von Stahl und Aluminium durch die EU-Schutzmaßnahmen als Reaktion auf die "232"-Zölle der USA oder die Exporteinschränkungen von Holz durch Russland und die Ukraine.
Viele Betriebe können die Verfügbarkeiten der Rohstoffe nur noch schwer oder gar nicht mehr einschätzen. Die Sorge besteht, dass Lieferzusagen nicht eingehalten werden können. Der rasante Preisanstieg von Rohstoffen führt zudem zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Preiskalkulation für Produkte und Bauleistungen.

Ähnliche Situation zuletzt nach der Finanzkrise

Zuletzt hatten in den Jahren 2011 und 2012 ähnlich viele Unternehmen von hohen Energie- und Rohstoffpreisen als Geschäftsrisiko berichtet. Nach Überwindung der Finanzkrise waren die Rohstoffpreise auf breiter Front gestiegen. Allerdings erfolgte der Preiszuwachs etwas weniger sprunghaft als heute, sodass die Anpassungskosten für die Betriebe und die Wirtschaft insgesamt aktuell höher ausfallen dürften.
Zudem war seinerzeit das gesamte wirtschaftliche Umfeld weniger von protektionistischen Einflüssen geprägt. Eine besondere Herausforderung war damals die Versorgung mit Seltenen Erden, deren Export vom größten Förderland China (rund 95 Prozent der weltweiten Förderung im Jahr 2009) deutlich eingeschränkt wurde. Hinzu kamen stark steigende Strompreise aufgrund einer sprunghaft erhöhten EEG-Umlage.
Grafik2
Quelle: DIHK