Regionale Wirtschaft im Herbstblues
Die Unternehmen im Wirtschaftsraum Nordostniedersachsen blicken mit großen Sorgen in die Zukunft. Die konjunkturelle Stimmung hat sich im dritten Quartal 2024 erneut eingetrübt. Das zeigt die Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg (IHKLW), bei der im September und Oktober 212 Betriebe aus den Landkreisen Harburg, Heidekreis, Lüneburg, Lüchow-Dannenberg, Uelzen und Celle ihre aktuelle und künftige Wirtschaftslage eingeschätzt haben. Der IHK-Konjunkturklimaindikator hat sich um vier Punkte abgeschwächt und fällt auf nur noch 80 Punkte. Damit liegt der Wert deutlich unter den 106 Punkten unmittelbar vor Beginn der Coronapandemie.
„Die Unternehmen haben sowohl die aktuelle Geschäftslage als auch die erwarteten Geschäfte in den kommenden zwölf Monaten pessimistischer eingeschätzt als im Vorquartal“, fasst IHKLW-Hauptgeschäftsführer Michael Zeinert zusammen. Hinzu kommt, dass 41 Prozent der Unternehmen beabsichtigen, weniger zu investieren und nur 22 Prozent planen, ihre Investitionen zu steigern. „Diese schlechte Stimmung und die ausprägt schwache Investitionsbereitschaft der regionalen Wirtschaft sind ein toxisches Gemisch und zugleich deutliches Alarmsignal an die Politik“, sagt Zeinert. „Wenn Unternehmen sich in einer Zeit der Transformation hin zur Klimaneutralität, Künstlicher Intelligenz und zunehmender Digitalisierung gegen Investitionen entscheiden, offenbart das die schlechten Rahmenbedingungen. Für mehr Investitionsbereitschaft brauchen die Unternehmen dringend spürbar niedrigere Energiepreise und erhebliche bürokratische Entlastungen. Deshalb hoffen wir, dass die neue EU-Kommission das Versprechen einlöst, die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und die EU-Bürokratielasten um 25 Prozent zu reduzieren.“
Zeinert bezieht sich auf den Bericht des ehemaligen Chefs der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, der weit über 100 Vorschläge zum EU-Bürokratieabbau und zur Entschlackung von Melde- und Berichtspflichten enthält. „Es ist höchste Zeit, endlich Maßnahmen umzusetzen, damit die Wirtschaftsstandorte in der EU nicht von China und den USA abgehängt werden“, sagt Zeinert. Mit Blick auf die Bundestagswahl in Deutschland mahnt der IHKLW-Chef: „Die Unternehmen stellen sich ihrer Verantwortung bei Innovation und Fortschritt, viele gehen beispielsweise beim Klimaschutz auch ohne politische Vorgaben eigenverantwortlich erfolgreiche Wege. Gerade angesichts multipler Krisen muss die Politik mehr auf das unternehmerische Engagement und die Kreativität im Land setzen, statt die unternehmerische Freiheit durch komplexe Regeln, sich widersprechende Vorschriften und Detailsteuerung auszubremsen.“
Die aktuell geringe Dynamik des Konjunkturgeschehens zeigt auch ein Blick auf die einzelnen Wirtschaftsbereiche. Die Konjunkturklimaindikatoren für alle betrachteten Branchen liegen deutlich unter dem neutralen Wert von 100. In der Industrie drücken das schwächelnde Exportgeschäft und geringere Auftragseingänge auf die Stimmung. Die Industrieunternehmen verzeichnen mit einem Indexwert in Höhe von 74 Punkten einen Rückgang um neun Punkte. Zwar wird die aktuelle Geschäftslage nicht so skeptisch eingeschätzt wie im Vorquartal, aber die Zukunft wird skeptisch beurteilt: lediglich acht Prozent der Industriebetriebe erwarten ein steigendes Geschäftsvolumen, während 42 Prozent in den kommenden Monaten mit schlechteren Geschäften rechnen.
Ein kleiner Lichtblick im regionalen Konjunkturgeschehen ist die verbesserte Stimmung und Zuversicht der Einzelhändler in Nordostniedersachsen. Denn der Konjunkturklimaindex des Einzelhandels ist aufgrund des vergleichsweise guten Geschäfts des regionalen Online-Versandhandels gegen den Landestrend um sieben Punkte auf aktuell 92 Punkte gestiegen. Sowohl die aktuelle Geschäftslage im Herbst als auch die Geschäfte in den kommenden Monaten schätzen die Einzelhändler in der Region optimistischer ein als noch im Sommer.
Auch der Wert des Großhandels hat sich um einen Punkt auf 62 Punkte verbessert, verharrt damit jedoch auf sehr niedrigem Niveau. Der Klimaindikator der Dienstleistungswirtschaft ist um 5 Punkte auf 91 Punkte gesunken.
Neben dem Konjunkturbericht für Nordostniedersachsen bietet die IHKLW gemeinsam mit der IHK Braunschweig einen Konjunkturbericht für den Wirtschaftsraum Wolfsburg-Braunschweig an. Beide Berichte mit weiteren Daten, Grafiken und Erläuterungen sind zu finden unter: www.ihk.de/ihklw/konjunktur.
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Lüneburg, 21. Oktober 2024