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Technik, die Menschen hilft
Es gibt Wissen, das nie veraltet. Archimedes kam vor über 2.000 Jahren auf den Gedanken, dass sich Wasser fördern lässt, wenn man es durch ein Rohr mit einer Spirale führt. Diese Technik haben sich die Forscher beim Medizinprodukte-Hersteller Qualimed zu Eigen gemacht: Ihr spiralförmiger Gallenweg- und Pankreas-Stent sorgt bei einem Durchmesser von maximal 3,4 Millimetern dafür, dass verengte Gallenwege wieder durchlässig werden. Der Name des Röhrchens ist eine Hommage an den alten Griechen: „Archimedes“-Stent.
Stent wird vom Körper abgebaut
Mit der Markteinführung 2019 war für Qualimed ein Meilenstein erreicht. Die Pandemie habe die weltweite Vermarktung zunächst ausgebremst, sagt Manfred Gülcher, einer der drei Qualimed-Gründer. „Aber jetzt steigen die Implantationen, mittlerweile liegen wir bei 9.500 durchgeführten Operationen. Was uns dabei am meisten freut: Die Komplikationsraten sind extrem gering. Das ist ein super Erfolg.“
Gut für Patienten ebenso wie für Kostenträger: Der „Archimedes“-Stent muss nicht wie herkömmliche Plastik-Implantate wieder operativ entfernt werden. Denn er besteht aus einem neuartigen Baustoff, einer Kombination von Milchsäure-Polymeren, die vom Körper vollständig abgebaut werden. Sowohl das Design als auch das Material sind mittlerweile weltweit patentiert.
Mehr als 70 Patente
Wer an medizintechnischen Innovationen arbeitet, begibt sich meist auf einen langen und riskanten Weg. Denn längst nicht alles, was als vielversprechende Idee beginnt, führt am Ende zu einem marktfähigen Produkt. Ein „12-Stufen-Plan“ dient den Forschern bei Qualimed als Leitfaden. Er führt von der Forschungslage und Risikoanalyse zunächst zum Prototypen und schließlich über die obligatorischen Testreihen bis zur Herstellung. „Damit machen wir uns selbst überprüfbar“, sagt Gülcher. „Es ist wichtig, dass wir an bestimmten Punkten entscheiden müssen, ob es noch Sinn hat, eine Idee weiter zu verfolgen.“ Dass in Winsen von Beginn an mit hoher Konzentration an Innovationen geforscht wurde, lässt sich auch in Zahlen ausdrücken: Mehr als 70 Patente für unterschiedlichste Produkte wurden in 25 Jahren angemeldet.
Eigener Vertriebszweig unter dem Dach der Q3 Medical Group
Als Ingenieur hat Gülcher die Produktentwicklung schon immer gereizt. Das war auch der Grund, warum er 1997 bei einem Hamburger Medizingerätehersteller kündigte und sich zusammen mit seinen Kollegen Martina Schmitt und Thomas Nißl selbstständig machte. In Winsen begann das Trio mit der Entwicklung und Herstellung von Herz-Kathetern und koronaren Stents, die bei verstopften Herzgefäßen eingesetzt werden. Mittlerweile hat sich der Schwerpunkt verlagert: „Der Markt für koronare Stents wird von großen amerikanischen Unternehmen dominiert, deren Preise weit unter unseren Herstellungskosten liegen“, sagt Gülcher. „Da konnten wir als kleines deutsches Unternehmen dauerhaft nicht mithalten.“ Qualimed holte vor mehr als zehn Jahren mit dem Amerikaner Eric Mangiardi einen Investor mit besten Branchenkenntnissen und einem internationalen Netzwerk an Bord.
Unter dem Dach der Q3 Medical Group Holding sind mittlerweile mehrere Töchterunternehmen gegliedert, darunter neben Qualimed ein eigener Vertriebszweig, auch eine Produktionsstätte in China ist im Aufbau. Man hat sich also viel vorgenommen. „Wir wollen weiterhin größer werden“, sagt Mangiardi. Schließlich sei der Ziel-Markt mit 7,5 Millionen Stents riesig: „Die Prognosen gehen von hohen Zuwachsraten aus.“
International ausgerichtet und dem Standort Winsen verbunden
Bis dahin braucht es jedoch einen langen Atem: „In den USA, China und Japan werden klinische Studien aus Europa nicht akzeptiert“, nennt Gülcher eine Schwierigkeit. „Da stecken wir noch im Zulassungsverfahren und müssen erneute Studien durchführen.“ Unterdessen befinden sich weitere Produkte aus bioresorbierbaren Materialien in der Entwicklung, etwa der magnesiumbasierte „Unity“-Stent. Am Ende gehe es bei aller Forschung um den Menschen, sagt Mangiardi: „Mich begeistert immer wieder, dass wir Werte schaffen, indem wir Menschen helfen.“
Trotz internationaler Ausrichtung soll der Standort Winsen seinen festen Platz im Unternehmen behalten: „Wir können hier spezialisierten Fachkräften aus der ganzen Welt attraktive Arbeitsplätze bieten“, sagt Gülcher. Denn international geht es in Winsen ohnehin schon lange zu: Die knapp 150 Mitarbeiter kommen aus 25 verschiedenen Nationen. Ute Klingberg
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Sandra Bengsch