Entwicklungen in Echtzeit testen

Was ungewiss begann, ist zum größten Projekt seiner Art in Deutschland geworden: Im Landkreis Harburg steht Unternehmen und Hochschulen jetzt die schnellste Technologie für Datenübertragung zur Verfügung, die es zurzeit gibt. Im sogenannten 5G-Reallabor können Firmen und Forschungseinrichtungen ihre Entwicklungen testen und dafür das Campusnetz der WLH Wirtschaftsförderung im Landkreis Harburg GmbH nutzen. Es ermöglicht Datenübertragung in Echtzeit und erleichtert damit die Kommunikation von Maschine zu Maschine.
Eröffnung des 5G-Campus im TIP Innovationspark (v.l.): Landrat Rainer Rempe, Francie Petrick, Mit-Geschäftsführerin des Serviceproviders Media Broadcast und mitverantwortlich für den Aufbau der technischen Infrastruktur, sowie WLH-Geschäftsführer Jens Wrede. © Carolin George
Als im Jahr 2018 die Projektskizze für den TIP Innovationspark in Buchholz in der Nordheide entstand, waren „ziemlich kühne Worte“ darüber zu lesen, was dort auf „ziemlich grüner Wiese“ entstehen sollte. Mit Humor erinnerte Jens Wrede bei der feierlichen Eröffnung des 5G-Reallabors an die ungewissen Anfänge des Projekts. „Neues zu kreieren, stärkt die Wettbewerbsfähigkeit“, sagte Wrede. „Für uns steht der Erfolg von Unternehmen im Vordergrund. Wir möchten es ihnen möglichst einfach machen, hier eigene 5G-Anwendungen zu entwickeln und zu testen.“
Mit 1,1 Millionen Euro bezuschusste das Land Niedersachsen das 5G-Campusnetz, weitere 900.000 Euro investierte die WLH selbst. Anders als bei Mobilfunknetzen vergibt die Bundesnetzagentur im Bereich 5G auch private Lizenzen. „Das ist ein Wettbewerbsvorteil“, betonte der Landrat des Landkreises Harburg, Rainer Rempe. „Einer der wenigen im Bereich Digitales, den wir haben.“ Dadurch sei ein „einzigartiges Versuchsfeld für Zukunftstechnologie“ entstanden, um neue, marktgängige Produkte zu entwickeln und zu testen. Das spiegelt der Name „Reallabor“ wider: ein Ort für wissenschaftliche Tests innerhalb eines echten Gewerbegebiets. „Für den Landkreis ist dieses Projekt zukunftsweisend. Wir wollen den Anteil wissensbasierter Arbeitsplätze stärken, um die klugen und gut ausgebildeten Köpfe in der Region zu halten.“
Das im TIP Innovationspark verlegte 5G-Netz ist dabei nicht mit den 5G-Netzen aus dem Mobilfunk zu vergleichen, in dem es hauptsächlich um Download-Geschwindigkeiten geht, erklärte WLH-Innovationsmanager Dr. Timo Maurer. „Mit 40 Kilometer Glasfaserkabel und 129 Antennen ist das Netz überdimensioniert und daher maximal flexibel. Die Abdeckung unseres 25 Hektar großen Gebiets ist immer gewährleistet.“
Fünf Forschungsprojekte mit einem Gesamtvolumen von fast elf Millionen Euro haben sich bereits im Innovationspark eingebucht, auch die ersten Gewerbeansiedlungen sind da. Mit weiteren Unternehmen sei die WLH im Gespräch, „große internationale Technologiekonzerne haben ihr Interesse bekundet“, so Maurer. Anders als üblich ist dieses Campusnetz kein sogenannter Closed Shop für eine begrenzte Gruppe, sondern die WLH freut sich über weitere Forschungseinrichtungen und Unternehmen, die es nutzen möchten. Die Kosten dafür stehen noch nicht fest. „Wir gehen mit jedem einzeln darüber ins Gespräch und finden für jeden eine individuelle Lösung“, sagte Maurer unserer IHKLW.
Accelery-Geschäftsführer Christoph Söhnlein hat sein Wirtschaftsinformatik-Studium für die Gründung des eigenen Unternehmens unterbrochen. Die GmbH bezieht im September ihre neuen Geschäftsräume im TIP Innovationspark Buchholz. © Carolin George
Einer, der die Technologie nutzen wird, ist Christoph Söhnlein mit seinem Team. Gemeinsam mit Christoph A. Reimers gründete der Buchholzer 2018 die Accelery GmbH und baut gerade für 3,6 Millionen Euro einen neuen Firmensitz. „Die Infrastruktur hier ist für uns sehr spannend“, sagte Söhnlein. „Wir arbeiten mit kollaborativen Robotern und wollen monotone Prozesse automatisieren. Nur so ist für uns Skalierung möglich.“
Was 5G leisten kann, zeigte während der Hannover-Messe der Flug einer Drohne: Gesteuert von Hannover aus, lieferte die fliegende Kamera Bilder von einem gestellten Verkehrsunfall in Buchholz – und zwar in Echtzeit. Denn das ist das Besondere an 5G: Die Übertragung von Daten ist mit nahezu Null Latenz möglich, also ohne merkbare Verzögerung.
Das 5G-Reallabor im TIP Innovationspark steht weiteren Unternehmen offen. Interessierte erhalten weitere Informationen bei Dr. Timo Maurer vom WLH-Innovationsmanagement, Tel. 04181 92360, maurer@wlh.eu. Carolin George