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Leidenschaft für zwei Räder
Dass er sich irgendwann selbständig machen würde, war Steffen Timm schon ganz früh klar: „Das kaufmännische Gen liegt bei uns In der Familie“, sagt der Inhaber des Motorradhauses Timm in Hollenstedt. „Schon mein Urgroßvater hatte ein Geschäft, mein Großvater und Vater ebenfalls.“ Also machte Timm es erst einmal genauso: Er lernte Fleischer im Schlachtereibetrieb des Vaters und baute sich als Meister später eine gut gehende Fleischerei auf. Dann die Kehrtwende: 1996 verkauft er sein Geschäft, verlässt seine schleswig-holsteinische Heimat und eröffnet im niedersächsischen Hollenstedt ein neues – ein Motorrad-Fachgeschäft. Mit Anfang 30 ist Timm angekommen: „Es ist das, was ich immer machen wollte“, sagt der 57-Jährige. „Motorräder sind meine Leidenshaft. Für mich ist das kein Beruf, sondern eine Berufung.“
© Hans-Jürgen Wege
Der Weg vom Wurst- zum Motorradhändler ist nur auf den ersten Blick kurios, auf den zweiten ist er konsequent - und durchdacht: „Ich habe die erste Branche benutzt, um mir einen guten Grundstein zu legen für die zweite.“ Mit dem Motorradgeschäft hat sich Timm seinen Jugendtraum erfüllt. Schon als Teenager bastelt er an Mopeds, das Konfirmationsgeld fließt ins erste Mofa, auf dem Dorfplatz werden heimlich Rennen ausgetragen. Weil es für seinen Berufswunsch Zweiradmechaniker keinen Ausbildungsplatz gibt, macht er ein Praktikum in einer Autowerkstatt, weiß aber ganz schnell: „Vier Räder sind zwei zu viel.“ Also bleibt das Motorrad ein Hobby, das Timm auch mit sportlichem Ehrgeiz betreibt: Er nimmt an Rennen und Marken-Cups teil.
Als der Hersteller Kawasaki ihm einen Händlervertrag anbietet, sattelt der Fleischermeister um. Trotz finanziellem Polster sei der Anfang nicht leicht gewesen, sagt Timm: „Ich habe das Geschäft aus einer Insolvenz heraus übernommen. Da ging es erst einmal darum, den schlechten Ruf loszuwerden.“ Das gelingt tatsächlich überraschend schnell. Er stellt einen Mechaniker ein und bietet neben dem Motorrad-Verkauf mit Werkstattservice die Veredelung von Rennmaschinen an. Kunden schätzen die Expertise, die Zuverlässigkeit und die Qualität, für die das Motorradhaus Timm in Hollenstedt bald steht. „Dazu kam, dass ich Ende der 90er Jahre Pro-Super-Bike-Rennen gefahren bin, die im deutschen Sportfernsehen übertragen wurden. Das war unser Aushängeschild, man kannte uns in der Szene.“
2007 wechselt Timm von Kawasaki zum Konkurrenten Suzuki und bleibt noch bis 2017 Vertragshändler für den japanischen Hersteller. Dann konzentriert er sich ganz auf gebrauchte Fahrzeuge, die er überwiegend aus Italien und England importiert. Das Konzept profitiert vom zunehmenden Onlinehandel: Das Motorradhaus ist auf den gängigen Internet-Portalen präsent, gewinnt so neue Kunden aus ganz Deutschland und dem Ausland. Über die Zeit baut sich Timm ein Netz von Lieferanten auf, kann in guten Jahren mehr als 300 Motorräder verkaufen. Doch zuletzt musste er einige Dämpfer einstecken: „2020 war noch ein sehr gutes Jahr. In der Pandemie haben viele Leute die Lust am Motorradfahren wiederentdeckt.“ Mittlerweile sei der Markt für Gebrauchte jedoch leergefegt, sagt der Händler: „Das Angebot ist knapp, die Preise entsprechend hoch.“ Der Import aus England scheidet wegen des Brexits aus, auch die Geschäftspartner in Italien liefern weniger Ware. Hinzu komme, dass es in der jungen Generation immer weniger Motorradfans gebe, sagt Timm: „Ich schätze, ich werde mit meinen Kunden in Rente gehen.“
Der 57-Jährige will abwarten, ob der Handel nächstes Jahr wieder in Schwung kommt. „Der Laden ist schließlich mein halbes Leben, da steckt Herzblut drin.“ Noch einmal umsatteln, auf Elektro-Zweiräder etwa, will er auf keinen Fall. Er ist auch so rundum zufrieden: „Wenn ich zurückblicke, dann ist eigentlich alles perfekt gelaufen. Ich würde es genau so noch einmal machen.“
Ute Klingberg
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Sandra Bengsch