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Naturerlebnis Fluss
Celle hat viel zu bieten: Das imposante Schloss und die historische Fachwerk-Altstadt locken zahlreiche Touristengruppen in die Stadt an der Aller. „Aber dass Celle auch eine alte Schifffahrtsstadt ist, das wissen nur wenige Besucher“, sagt Udo Kosch. Wenn er darüber erzählt, wie im Hafen noch bis 1965 die Frachtschiffe mit Getreide und Kali anlegten, wie aus dem einstigen Warenumschlagplatz ein attraktiver Yachthafen entstanden ist, dann ist er ganz in seinem Element. Genauer: in einem seiner Elemente. Denn die Historie der Celler Schifffahrt ist das eine, „eine ganz spannende Geschichte“, wie er findet. Das andere Element ist das Wasser. Kosch ist Kapitän. Und er ist Eigentümer des einzigen Celler Fahrgastschiffs: Seit 25 Jahren bietet er Schiffstouren und Linienfahrten auf der „MS Wappen von Celle“ an.
Noch liegt das Schiff fest vertäut im Hafen. Zu tun hat der Kapitän dennoch genug: Er nutzt den Winter sowohl für Wartungsarbeiten als auch für die Teilnahme an Lehrgängen und die Planung der neuen Saison. Wenn es im Mai dann wieder „Leinen los“ auf der Aller heißt, herrscht klar Schiff an Bord: Während am Oberdeck die bunten Fähnchen flattern und die perfekte Aussicht lockt, bietet das Unterdeck wettergeschützte Plätze und die Möglichkeit, sich bei einem Imbiss zu stärken. Die „Wappen von Celle“ startet fünfmal wöchentlich ab Celle und fährt mit Zwischenhalten bis nach Oldau oder Winsen und zurück. Zudem kann das Schiff für private Feiern gechartert werden.
„Unseren Hauptumsatz machen wir mit den Linienfahrten“, sagt Kosch, der sich zur Saison personelle Verstärkung für Gastronomie und Matrosenarbeiten an Bord holt. Zu den Fahrgästen zählen Tagesausflügler aus der Region, Radfahrende, die auf dem Aller-Radweg unterwegs sind, oder Busgruppen aus ganz Deutschland, Holland und der Schweiz, die ihre Reise in die Südheide mit einer Schifffahrt abrunden. Er werde von Reiseveranstaltern oft gefragt, was es denn auf der Aller zu sehen gebe, sagt Kosch und schmunzelt: „Wälder, Felder, Natur und sonst nichts, sage ich dann.“ Und das sei genau das Besondere. „Die Aller ist nicht die Mosel. Aber sie ist Teil einer wunderschönen Naturlandschaft. Der Fluss wurde vor 50 Jahren ganz der Natur überlassen und ist heute noch schiffbar. So etwas gibt es kaum noch.“ Dazu liegt mit der Oldener Schleuse und dem ältesten Wasserkraftwerk Europas noch ein technisches Highlight auf der Route. Die vielen positiven Rückmeldungen bestätigen dem Kapitän, dass sein Gesamtpaket aus Flussfahrt, Wissenswertem und Gastronomie offenbar stimmt. Dazu treffe er wohl auch einen Nerv, vermutet Kosch: „Die Aller hat kaum Strömung. Mit nur zehn Stundenkilometern gemächlich durch die Natur dahinzugleiten, das entschleunigt total.“
Es ist nicht so, dass der Kapitän nichts von der Welt gesehen hätte. Im Gegenteil: Er ist in einer Schifferfamilie aufgewachsen. Nach der Ausbildung beim Vater und dem Abschluss als Schiffsführer mit Rheinpatent war er viele Jahre mit eigenem Güterschiff auf allen europäischen Wasserwegen unterwegs. Als er Ende der Neunziger Jahre „ein bisschen sesshafter“ werden wollte, stieß er auf das Angebot aus Celle. „Als ich das erste Mal mit dem Vorgänger auf der Aller gefahren bin, habe ich noch gedacht: Hilfe, wie komme ich denn um diese engen Kurven“, sagt er lachend. Mittlerweile fühlt er sich in seiner Mehrfachfunktion als Kapitän, Fremdenführer und ein bisschen auch Alleinunterhalter pudelwohl: „Das muss man wollen. Für mich ist es der ideale Mix, der mir wirklich Spaß macht.“
Kosch kann zufrieden sein: Das 40 Jahre alte Schiff ist gut in Schuss, Passagierzahlen und Umsatz stimmen. Häufiger werden jedoch extreme Pegelstände als Folge des Klimawandels. Dank ihres geringen Tiefgangs konnte die „Wappen von Celle“ bisher auch bei Niedrigwasser stets fahren, Hochwasser seien selten, sagt Kosch. Noch ist die Aller-Schifffahrt also nicht gefährdet und der Kapitän in seinem Element: „Wasser hat eine besondere Anziehungskraft. Wer wie ich schon als Kind damit zu tun hatte, den lässt das Wasser ein Leben lang nicht los.“
Ute Klingberg
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