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Selbstbestimmt wohnen und leben im Alter
Es sind Fragen, die sich viele ältere Menschen stellen: Wie und wo will ich leben im Alter? Wenn das Haus zu groß, die Kräfte kleiner werden? Eine mögliche Antwort ist das Modell „Betreutes Wohnen“. Der Begriff habe sich nun mal durchgesetzt, sagt Andreas Ettwig: „Ich mag ihn aber trotzdem nicht, denn er klingt viel zu passiv.“ Und Passivität sei genau das Gegenteil dessen, wofür der Seniorenwohnsitz Bendestorf stehe: „Unser Angebot richtet sich an aktive Menschen. Sie betrachten das Älterwerden als einen neuen Lebensabschnitt, den sie bewusst gestalten wollen.“
Im kleinen Ort Bendestorf im Landkreis Harburg führt Familie Ettwig seit 50 Jahren eine Wohnanlage, die die Bedürfnisse älterer Menschen in den Mittelpunkt stellt. Kurze Wege in den Ort, dazu die Nähe zur Natur einerseits und zur Großstadt Hamburg mit ihrem Kulturangebot andererseits – das sind Pluspunkte, die das Leben hier für jede Altersgruppe attraktiv machen. Dazu kommt mehr: „Unser Schwerpunkt ist das Wohnen und der Erhalt der Eigenständigkeit“, sagt der Geschäftsführer, der lieber von „Service-Wohnen“ als von „Betreutem Wohnen“ spricht. Denn die Bewohnerinnen und Bewohner schließen zunächst Verträge über Miete und Grundservice ab, können dann aus einer Vielzahl von Dienstleistungen das auswählen, was zur eigenen Lebenssituation gerade passt. Das beginnt bei der Wohnungsreinigung, geht über den Einkaufs- oder Wäscheservice bis zur hauseigenen Gastronomie und einem breiten Angebot an Kurzreisen oder Ausflügen mit dem Hausbus.
In den 93 Ein- und Zweizimmer-Apartments leben derzeit knapp über 100 Bewohnerinnen und Bewohner. „Die Jüngsten sind gerade 70, die Älteste 97 Jahre alt, davon sind etwa 15 Personen pflegebedürftig“, sagt Ettwig. „Wir nehmen Menschen auf, die keinen pflegerischen Bedarf haben. Wenn der Fall dann aber eintritt, stellen wir die Pflege durch unseren eigenen Pflegedienst sicher. Das gibt unseren Bewohnern das sichere Gefühl, dass sie auf jeden Fall gut versorgt werden.“
Das Konzept trifft in einer alternden Gesellschaft auf eine hohe Nachfrage, die Liste der Interessenten ist lang: „Die Wartezeit beträgt je nach Wohnungsgröße derzeit ein bis fünf Jahre.“ Das war jedoch nicht immer so. „Der Anfang war sehr schwierig“, sagt Ettwig, „es dauerte einige Jahre, bis sich das Haus nennenswert gefüllt hatte.“ Das Konzept des Betreuten Wohnens war in den siebziger Jahren erklärungsbedürftig, Karl-Heinz Ettwig aber fest von der Idee überzeugt. Zuvor hatte das Ehepaar Ettwig einen Hotelbetrieb geführt, 1974 eröffnete es mit der Seniorenresidenz eine hotelähnliche Wohnanlage – mit Rezeption, Schwimmbad, Sauna, Veranstaltungsräumen und Gastronomie. Der Tod des Vaters 1994 durchkreuzte die Berufspläne der beiden Söhne: Andreas Ettwig, damals 23, hatte eine Ausbildung zum Bankkaufmann abgeschlossen, sein jüngerer Bruder Sven war noch Schüler. „Das Haus sollte von der Familie weitergeführt werden, da waren wir uns einig“, sagt der Ältere. Die Brüder teilen sich seither die Aufgaben als Geschäftsführer und Gesellschafter, Sven Ettwig konnte studieren und seinen Bruder halbtags unterstützen. Bis heute ist zudem auch Mutter Gisela Ewert (73) aktiv: „Sie ist immer noch täglich hier und eine wichtige Stütze für uns.“
Der zweiten Generation ist es mit den 23 Mitarbeitenden gelungen, die familiäre Atmosphäre zu bewahren. Gleichzeitig gehört Veränderung zum Programm. Das gilt für den Gebäudekomplex, in dessen energetische Sanierung und modernes Gewand planvoll und stetig investiert wird. „Rüschengardinen wie vor 40 Jahren gehen ja heute gar nicht mehr“, sagt Ettwig schmunzelnd. Moderne Bäder und bodentiefe Fenster, Wintergarten und Flure, die als Kunstgalerie genutzt werden, gehören dazu. Das gilt aber auch für die Menschen, die hier leben, sagt der 53-Jährige: „Geselligkeit war schon immer ein großer Vorteil unseres Wohnmodells. Gleichzeitig wird Individualität heute stärker gelebt. Und die Leute engagieren sich aktiv.“ Ergebnis: Es gibt einen Chor, Nachmittage für Spielbegeisterte oder eine Philosophierunde.
Es passiere gar nicht so selten, dass Kinder früherer Bewohner nun selbst ein Apartment beziehen, sagt der Betreiber: „Unser Modell ist ja auch einfach gut.“ Wobei längst nicht alles so einfach zu managen ist: Die Suche nach Personal sei schwierig. „Und wir tun viel, um mit dem Gebäude und den Inhalten immer zeitgemäß zu bleiben.“ Denn jede Generation bringe wieder neue Impulse ins Haus: „Viele starten hier nochmal richtig durch. Und das finde ich einfach großartig.“ Ute Klingberg
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Sandra Bengsch