Fest im Sattel

Nach dem Turnier ist immer vor dem Turnier. „Oft bekomme ich schon am letzten Veranstaltungstag von den Helfern kleine To-Do-Listen für das nächste Jahr zugesteckt“, sagt Julia Otto und lacht. Bei der Geschäftsführerin der TGL Turniergesellschaft Luhmühlen mbH (kurz:TGL) laufen rund ums Jahr alle Fäden zusammen, damit die „Longines Luhmühlen Horse Trials“ als internationales Top-Ereignis der Vielseitigkeitsreiterei reibungslos über die Bühne gehen.
Vom 15. bis 18. Juni 2023 wird sich das Dorf Luhmühlen wieder im Ausnahmezustand befinden. Mit rund 25.000 Besuchern strahlt das Fünf-Sterne-Niveau des Reitevents nicht nur in der Sportwelt. Auch die Tourismuswirtschaft in der Region profitiert regelmäßig: „Unsere Lage zwischen Hamburg, Lüneburg und der Heide ist ideal“, sagt die 53-Jährige. „Viele Besucher verbinden das Turnier mit einem Städtetrip oder einem Kurzurlaub.“
Die Durchführung und Vermarktung von großen Reitturnieren ist seit nunmehr 25 Jahren das Geschäftsfeld der TGL, Otto seit 20 Jahren als Geschäftsführerin dabei. Routinesache also, sollte man meinen. Doch die spontanen To-Do-Listen verraten viel über die Motivation, die die vielen ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiter und die zahlreichen Dienstleister an den Turniertagen antreibt. „Luhmühlen hat ein enorm starkes Team, in dem jeder weiß, was zu tun ist. Die wissen einfach alle, wie die Reiterei tickt“, sagt die Team-Chefin. „Dabei haben wir ja auch den Anspruch, immer ein bisschen besser zu werden. Das Turnier will ständig weiterentwickelt werden. Daran zu arbeiten, ohne dass man immer den gleichen Ordner aus dem Schrank zieht, das ist die spannende Herausforderung.“
Julia Otto steht an einem Hindernis auf dem Turniergelände Luhmühlen.
Bei Geschäftsführerin Julia Otto laufen die Fäden für die Turnierorganisation zusammen. © Hans-Jürgen Wege
Ein Blick zurück zeigt, dass man Herausforderungen in Luhmühlen schon immer gern sportlich nahm: Nationale und internationale Meisterschaften organisierte der örtliche Pferdezucht- und Reitverein schon seit 1958. Weil die Veranstaltungen und damit das wirtschaftliche Risiko für den Verein immer größer wurden, wurde 1982 umstrukturiert und Ausrichtergesellschaften gegründet. Im März 1998 übernahm die TGL mit den vier Gesellschaftern Karl Rabeler, Michael Spethmann, Rolf Seidel und Jochen Döhle diese Funktion. Die Geschäftsführung übergab Rabeler 2002 an die Hotelfachfrau Otto, die zuvor in Hamburg im Management von große Reitveranstaltungen gearbeitet hatte. Mit dem Aufstieg in die „Champions League“ ging es 2005 über eine ganz große Hürde: „Wir gehören seither zum Kreis der sieben größten Turniere weltweit. Man kann in der Szene von Australien bis Amerika fragen, wo Luhmühlen liegt: Die meisten wissen es sofort“, sagt Otto: „Das ist eine Faszination, mit der man arbeiten kann.“
Den guten Ruf hat sich die TGL mit hervorragender Organisation erarbeitet. Ohne das einzigartige Gelände wäre dieser Erfolg aber nicht denkbar, sagt die Geschäftsführerin: „Unser fantastischer, sandiger Heideboden lässt sich sehr gut bereiten. Das ist ein großes Plus, das die Reiter zu schätzen wissen.“ Dazu kommen Top-Bedingungen auch abseits der 6,5 Kilometer langen Strecke durch Wald und Heide: Rund elf Millionen Euro flossen 2011 aus Fördermitteln von Land und Bund in die Modernisierung des Turnierplatzes und der Reitanlagen im Ausbildungszentrum Luhmühlen. Zusätzlich richtete die TGL 1999, 2011 und 2019 die Europameisterschaften in der Vielseitigkeit aus.
„Wir stehen stabil da“, sagt Otto, „und wir sind heute viel mehr als ein Turnier.“ Mit der Unterstützung zugkräftiger Sponsoren ist es gelungen, Zielgruppen mit unterschiedlichen Ansprüchen zu bedienen: „Besucher bringen verstärkt Freunde und Bekannte mit, die nicht viel mit Pferdesport am Hut haben und einfach bei uns einen schönen Tag verbringen wollen.“ Dazu tragen die Verkaufsausstellung, Gastronomie, Showprogramm und Aktivitäten für Kinder bei. Die Zügel lockerlassen ist für Otto daher auch im Winterhalbjahr nicht drin: Sie muss Absprachen treffen mit Sponsoren und Dienstleistern. Und sie muss dabei mehr als die nächste Saison im Blick haben, etwa die Frage, wohin sich der Sport entwickelt. „Ein großes Thema sind die gestiegenen Anforderungen an die Sicherheit für Pferd und Reiter. Der Aufgabe wollen wir gerecht werden.“
Nachdem das Turnier 2020 ausfallen musste und 2021 vor einer Geisterkulisse ohne Zuschauer stattfand, war die Rückkehr 2022 doch etwas Besonderes. Kann die Managerin also noch irgendetwas nervös machen? To-Do-Listen jedenfalls nicht. „Höchstens das Wetter. Extreme mag ich nicht so gerne“, räumt Otto ein. Gut, dass die Routine auch dabei hilft: „Am Ende hat immer noch alles geklappt.“ Ute Klingberg