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„Mobilitätspolitik darf nicht an der Stadtgrenze enden“
Die Mehrheit war nur knapp, aber beschlossen ist die Sache dennoch: 125 Parkplätze werden in Lüneburg abgeschafft, um Fußgängern und vor allem Radfahrern mehr Raum zu geben. „Der Anteil an Fahrrädern ist in den vergangenen Jahren in Lüneburg stark gestiegen. Um das weiter zu attraktivieren und die Verkehrsgerechtigkeit sicherzustellen, müssen wir mehr Raum für Radfahrer schaffen“, erklärte Ulrich Blank (Bündnis90/Die Grünen) gegenüber der Landeszeitung Lüneburg. Auf den ersten Blick sind die Argumente der Befürworter nachvollziehbar. Auf den zweiten Blick erscheint die Entscheidung voreilig, einseitig und nicht auf Basis von Fakten getroffen worden zu sein.
Voreilig deshalb, weil das Parkraumbewirtschaftungskonzept der Stadt erst für den Sommer erwartet wird und die Aufstellung des „Nachhaltigen Urbanen Mobilitätsplans“ (NUMP) – der eine Grundlage für neue Verkehrsplanungen sein soll – kann frühestens Mitte des Jahres beginnen. „Die Verwaltung geht den zweiten Schritt vor dem ersten. Bevor der eigene Mobilitätsplan Zahlen und Daten als Grundlage liefern kann, sollen bereits Fakten geschaffen werden. Das ist planlos, schadet der Innenstadt und ist daher nicht nachhaltig“, kritisierte Michael Zeinert, Hauptgeschäftsführer unserer IHK Lüneburg-Wolfsburg (IHKLW), als er sich vor der entscheidenden Sitzung des Verwaltungsausschusses gemeinsam mit vier weiteren Vereinen und Verbänden der Innenstadtwirtschaft an die politischen Entscheidungsträger gewandt hat.
Für die Innenstadtwirtschaft ist die Erreichbarkeit Lüneburgs ein Zukunftsthema. Oder anders gesagt: Ohne Erreichbarkeit sehen viele Geschäftsinhaber ihre Zukunft in Gefahr. Das unterstreicht eine gemeinsame Umfrage vom DEHOGA-Bezirksverband Lüneburg, Handelsverband Harz-Heide e.V., Lüneburger Citymanagement e.V. (LCM), Verein der Lüneburger Gastronomen e.V. und von unserer IHKLW: Demnach ist für 94 Prozent der Betriebe die Erreichbarkeit des Standorts wichtig bis sehr wichtig für den Geschäftserfolg. 74 Prozent des Umsatzes der Lüneburger Innenstadt sind auf Kunden aus dem Umland oder auf Touristen zurückzuführen. 73 Prozent der Innenstadtkunden kommen nach Einschätzung der befragten Unternehmer mit dem Auto. Unter dem Strich erwarten 80 Prozent der befragten Betriebe negative Auswirkungen durch die spürbare Reduzierung von innenstadtnahen Parkplätzen.
„Lüneburg ist Oberzentrum für vier Landkreise in der Region. Unsere Innenstadt lebt vor allem vom Umland und von den Touristen. Wenn wir diesen Kunden den Weg in die Innenstadt erschweren, wandern diese in den Online-Handel ab“, betonte Heiko Meyer, Erster Vorsitzender des LCM. „Allein von den Lüneburgern kann unsere Innenstadt niemals leben. Deswegen müssen wir die Kunden von außerhalb und deren Mobilitätsverhalten mitdenken. Unsere Mobilitätspolitik darf nicht an der Stadtgrenze enden.“
Der Innenstadtwirtschaft geht es dabei ganz bewusst nicht um ein „Auto first“ oder ein „Auto only“, sondern um einen vernünftig ausbalancierten verkehrsträgerübergreifenden Ansatz, der die verschiedenen Interessen aller Innenstadtkunden berücksichtigt.
„Wir brauchen innenstadtnahe Parkplätze und gerade für ältere oder eingeschränkte Personen auch in Zukunft Parkmöglichkeiten im Innenstadtkern. Das betrifft neben klassischen Innenstadtbranchen auch Ärzte, Notare und Anwaltskanzleien. Das Kurzzeitparken bleibt wichtig, auch in der unmittelbaren Innenstadt. Das Gleiche gilt im Übrigen auch für Ladezonen für den Handel, Hotellerie und Gastronomie“, so LCM-Vorstandsmitglied Cornelius Schnabel.
Wer also Parkplätze an zentraler Stelle reduziert, muss anderswo innenstadtnah neue Parkmöglichkeiten schaffen. Dabei wäre eine Konzentration auf die zentralen Parkhäuser und -flächen eine sinnvolle Alternative. Sollten deren Kapazitäten nicht ausreichen, wäre auch eine bedarfsgerechte Aufstockung innenstadtnaher Parkflächen möglich – zum Beispiel am Behördenzentrum oder den Sülzwiesen. Besucher, die von außerhalb mit dem Auto kommen, könnten auf direktem Weg zu freien Parkmöglichkeiten geführt werden. Die entsprechenden digitalen Verkehrsinformations- und -lenkungssysteme gibt es bereits und könnten weiter ausgebaut werden.
In Lüneburg scheint eine wesentliche Chance zur Belebung der Innenstadt vertan, doch wie heißt es so schön: Aus Fehlern kann man lernen, und vielleicht bewahrt das Beispiel Lüneburg andere Städte unseres IHKLW-Bezirks – Winsen, Uelzen oder Buchholz – vor demselben Fehler. Natürlich stehen die Kommunen vor der Herausforderung, Mobilität neu zu denken. Zur Dekarbonisierung beitragen können sie aber auch, wenn sie den Wandel zu E-Mobilität durch den weiteren Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur unterstützen.
Jörg Laser, Vorsitzender des Vereins der Lüneburger Gastronomen e.V., bringt die Idee kleiner elektrischer Shuttles ein. Diese könnten Kunden in kurzen Abständen von den Parkflächen in die Innenstadt bringen oder auf einer Ringbuslinie durch die Innenstadt fahren: „Warum probieren wir solche Ansätze nicht einfach einmal aus, bevor finale Entscheidungen getroffen werden? Innovative Mobilitätsunternehmen und Autohersteller stünden sicherlich für solche Modellprojekte bereit.“
Neben neuen Ideen für Veranstaltungen und einem Mehr an Handwerk und Kultur in der Innenstadt geht es gemäß DEHOGA-Bezirksverband Lüneburg und Handelsverband Harz-Heide e.V. vor allem darum, weitere Einschränkungen für Gastronomie, Hotellerie und Handel zu vermeiden. Als Geschäftsführer beider Branchenverbände äußert sich Heinz-Georg Frieling: „Zwei Jahre Corona-Pandemie haben der Innenstadt spürbar zugesetzt. Weitere Einschränkungen kann die Innenstadt derzeit nun wirklich nicht gebrauchen. Gemeinsam müssen wir nun versuchen, unsere Einkaufsstadt Lüneburg wieder zu beleben und attraktiver zu gestalten.“
Tobias Siewert, Jan Weckenbrock
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