Wertschätzung ist die Währung des 21. Jahrhunderts

Für Unternehmen können interkulturelle Teams eine Bereicherung sein. Eine zukunftsfähige Unternehmenskultur muss jedoch die Werte der Generation Z berücksichtigen, sagt Prof. Mike Hoffmeister von der Ostfalia-Hochschule. In seinem aktuellen Forschungsprojekt untersucht er die (inter-)kulturellen Einflüsse unterschiedlicher Werte und Einstellungen der GenZ.
Porträt von Mike Hoffmeister
Mike Hoffmeister ist seit 2003 Professor an der Ostfalia für das Lehrgebiet International Management. Zuvor war er 12 Jahre lang im internationalen Vertrieb und Marketing der Volkswagen AG tätig. © privat

Herr Professor Hoffmeister, welches Forschungsergebnis hat Sie am meisten überrascht?
Prof. Mike Hoffmeister: In meinem aktuellen Forschungsprojekt untersuche ich die Herausforderungen der Führung interkultureller Teams mit dem Fokus der GenZ. Hierzu habe ich rund 350 junge Studierende aus unterschiedlichen Kulturkreisen der GenZ online befragt. In der Untersuchung möchte ich unter anderem von den Studierenden wissen, welchen interkulturellen Hintergrund die Eltern haben, denn sie haben einen starken Einfluss auf Werte und Einstellungen im Job. Bemerkenswert finde ich hier das Ergebnis, dass bei der Generation Z rund jeder Dritte interkulturelle Wurzeln hat und somit deutlich über den Bundesdurchschnitt liegt. Diese hohe Zahl hat mich überrascht.

Sie haben die Generation Z im Fokus ihrer Forschung. Mögen Sie uns eine knackige Profil-Definition geben?
Hoffmeister: Das ist die Altersgruppe zwischen 18 und Ende 20, die als technologie-affin gilt, spielerisch leicht mit Smartphone, WhatsApp, Tablets und Spotify umgeht, schnell und stets erreichbar ist. Sie ist gesundheitsbewusst und setzt sich für nachhaltige Umweltprojekte ein. Die GenZ legt großen Wert auf persönliche Weiterentwicklung, Autonomie und Selbstbestimmung.

Ihre Forschungsarbeit nimmt die Werte in den Fokus. Welche Ergebnisse liegen Ihnen vor?
Hoffmeister: Bei den von mir befragten Deutsch-Türken und Studierenden mit arabischem Hintergrund sind Familie und Ehre die absoluten Top-Werte. Die Themen Wertschätzung und Weiterentwicklung im persönlichen und beruflichen Kontext haben für die Generation Z aus allen Kulturen grundsätzlich eine sehr große Bedeutung. Diese sollten in der Unternehmenskultur berücksichtigt werden. Es muss eine echte Transformation geben, nicht nur schöne Worte auf der Unternehmens-Website. Authentische Wertschätzung ist die Währung des 21. Jahrhunderts.

Die GenZ prägt den Begriff Life-Life Balance statt Work-Life-Balance. Ist diese Anspruchshaltung an Job und Arbeitgeber aus Ihrer Sicht überzogen?
Hoffmeister: Der Begriff Work-Life-Balance passt schon einmal überhaupt nicht. Das Gegenteil von Leben ist der Tod und das Gegenteil von Work ist Freizeit. Die Menschen aus der Generation Z mit ihren unterschiedlichen kulturellen Hintergründen werden zu Unrecht als arbeitsfaul abgestempelt. Wir vergessen, dass auch ihr Leben geprägt ist durch kriegerische Auseinandersetzungen in Europa und auf der Welt, ein Rechtsruck in der europäischen und deutschen Politik, Klimawandel, Inflation und wirtschaftliche Krisen. Die Sehnsucht nach Glück und Zufriedenheit ist deshalb hoch und damit verbunden das Bedürfnis, die Tage nicht nur mit viel Arbeit zu füllen.

Wir haben in vielen Branchen einen hohen Fachkräftebedarf, den wir mit qualifizierten Menschen aus anderen Kulturkreisen auffangen könnten. Warum tun sich viele Unternehmen dennoch schwer, dieses Potential zu nutzen?
Hoffmeister: Ich behaupte, dass nicht nur in den Chefetagen, sondern auch in vielen Abteilungen bei der Belegschaft nur eine unzureichende interkulturelle Kompetenz gibt. Ängste, Vorurteile und Vorbehalte überwiegen und damit die Bereitschaft, sich offen und neugierig auf Kolleginnen und Kollegen mit einem anderen kulturellen Hintergrund einzulassen. Ich nenne als Beispiel meine Erfahrungen mit einer Gruppe von Studierenden aus Indien, die an unserer Ostfalia-Hochschule studieren. In den Workshops mit ihren deutschen Kommilitonen sind die differenten Arbeitsstile eine Ursache für gegenseitige Irritationen. Die Deutschen arbeiten stark nach Regeln und Standards, während die Gruppenorientierung bei den indischen Studenten von Harmonie und den Aufbau von Beziehungen dominiert wird. Bei den indischen Studierenden kam der Eindruck auf, dass die Deutschen nicht beziehungs-, sonders sehr aufgabenorientiert den Workshop durchführen. Hier besteht ein großes Konfliktpotential.

Wie können Unternehmen von interkulturellen Teams profitieren?
Hoffmeister: Die Forschungsergebnisse bestätigen einmal mehr, dass interkulturelle Teams wesentlich kreativer sind. Um diese Potentiale zu nutzen, brauchen wir meiner Ansicht nach die vorgeschaltete Phase des „warming“ für den Aufbau einer zwischenmenschlichen Beziehung. Beispielsweise Interesse an der Familie zeigen. Wir müssen ein Gefühl für Menschen aus anderen Kulturen entwickeln. Das braucht Zeit und Geduld.

Hilft die Positive Psychologie für eine motivierende Haltung?
Hoffmeister: Die positive Psychologie ist ein relativ neues Wissenschaftsgebiet aus den USA, das erforscht, was das Leben lebenswert macht. Es ist der Oberbegriff für verschiedene Forschungsrichtungen, die sich mit dem Thema Glück und erfülltes Leben beschäftigen. Die Positive Psychologie will Menschen motivieren, aus ihrer Opferrolle herauszukommen und zum Schöpfer ihres Lebens zu werden und das subjektive Wohlbefinden zu fördern. Eine Haltung, die ich auch Unternehmern wünsche. Fülle, Freude und Sinnhaftigkeit sind drei wichtige Glücks-Säulen. Im Arbeitskontext ist daher die Psychologische Sicherheit sehr wichtig.
Zum Schluss möchte ich Sie bitten, eine Forderung, abgeleitet aus Ihren Forschungsergebnissen, zu stellen.
Hoffmeister: Unternehmerinnen und Unternehmer, seid offen für junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus anderen Kulturen, nutzt deren einzigartige Stärken und Potentiale und seid dankbar für das, was ihr von diesen Menschen lernen könnt! Das ist ein wertvolles Geschenk auf Gegenseitigkeit.
Nicola Sieverling