Hauptaufgabe: Nachfolgeplanung

Beatrice Rodenstock über strauchelnde Unternehmen, die keine Nachfolger*innen finden – und wie vorgesorgt werden sollte.
Frau Rodenstock, das Thema Nachfolge beschäftigt die Wirtschaft seit Jahren. Weil sich keine geeigneten Nachfolger*innen finden, erwägt ein Viertel der Unternehmer*innen, den Betrieb vorzeitig zu schließen. Wie konnte es so weit kommen?
Die Nöte der Unternehmen werden sogar eher noch größer. Familienintern wollen immer weniger diese Verantwortung übernehmen. Es gibt so viele Herausforderungen, das wollen sich viele junge Leute nicht antun. Manche wünschen sich auch einfach eine andere Work-Life-Balance als ihre Eltern, andere finden es nicht reizvoll, zu Hause im Familienbetrieb zu bleiben, sondern wollen in die weite Welt. Bei vielen Unternehmen stehen große Investments an, etwa bei der Digitalisierung oder im Risikomanagement, die potenzielle Nachfolgende abschrecken. Also müssen andere Lösungen wie Beteiligungen von Mitarbeitenden, Verkäufe etc. gefunden werden. Dass deswegen aber tatsächlich die Schließung ansteht, habe ich bei meinen Kunden bisher zum Glück noch nicht erlebt. Aber ich weiß, wie schwer es gerade in dieser wirtschaftlichen Situation ist, passende alternative Lösungen zu finden, und dass die letzte Konsequenz die Schließung des Unternehmens ist.
Sie selbst haben das Unternehmen Ihrer Familie, den Brillenhersteller Rodenstock GmbH, damals nicht übernommen. Warum nicht?
Mein Vater war Geschäftsführer und wir hatten die Übergabe geplant. Parallel dazu stand ein Finanzierungsschritt an und wir haben uns damals entschieden, einen Finanzinvestor mit ins Unternehmen zu nehmen. Nach der Auswahl des Investors haben wir dann familienintern entschieden, dass es für uns das Beste ist, uns aus dem Management vollständig zurückzuziehen. Grundsätzlich halte ich es aber für ein großes Geschenk, ein Familienunternehmen übertragen zu bekommen – Nachfolgerinnen und Nachfolgern rate ich aber, ehrlich zu sein und sich zu fragen: Traue ich mir das wirklich zu? Habe ich das unternehmerische Herzblut und die Passion, die nötig sind? Das ist ja kein „nice-to-have-Job“, das muss man schon wollen. Und zwar nicht nur, um die Erwartungen der Eltern zu erfüllen. Das trägt nicht. Man muss sich fragen: Innerhalb welcher Rahmenbedingungen kann ich mir das vorstellen? Bei mir war es damals eine Konstellation, in der es nicht möglich war, das Familienunternehmen selbst weiterzuführen. Aber meine Erfahrungen helfen mir heute bei der Beratung anderer Familien.
Es gibt ja vielfältige Versuche, das Nachfolge-Problem in Deutschland zu lösen – zum Beispiel mit Kontaktbörsen, auf de­nen sich Unternehmen und Nachfolgeinteressierte ken­nenlernen können. Hilft das alles denn gar nicht?
Es ist auf jeden Fall positiv, dass sich solche Netzwerke ausgeweitet und differenziert haben und viele unterschiedliche Möglichkeiten für Familienunternehmen, bei denen der Generationenwechsel ansteht, geschaffen wurden. Neben Netzwerken zum Austausch gibt es ja auch solche für Verkäufe oder Übernahmen durch Familienunternehmer oder Business Angels. Manche Familienunternehmer wollen sich diverser aufstellen in ihrem Portfolio und sind interessiert daran, kleinere andere Familienunternehmen zu übernehmen. Das hat dann den Vorteil, dass die Unternehmenskultur oft bereits ähnlich ist, man sozusagen auf im Wertekreis Gleichdenkende trifft.
Müsste der Bereich Nachfolge fester Bestandteil des Unternehmensmanagements sein?
Das Thema Talentmanagement spielt oft eine viel zu kleine Rolle. Unternehmerfamilien, Vorstände und Inhaber müssen das von Beginn an mitdenken, es muss Priorität sein. Dieser Prozess muss ständig und neben den anderen Themen, die da sind, immer mitgedacht werden. Die rechtzeitige Nachfolgeplanung ist die Hauptaufgabe eines Unternehmers.
Anne Klesse