„Es geht um die Zufriedenheit bei der Arbeit“

Die Bewegung der „New Work“ hat ihre Ursprünge Ende der 1970er-Jahre, das „Agile Arbeiten“ Anfang dieses Jahrtausends. Trotz dieser langen Zeiträume scheinen sich noch immer viele Unternehmen schwer zu tun mit den Themen – oder wie ist Ihr Eindruck?

Herr Hillmer, die Bewegung der „New Work“ hat ihre Ursprünge Ende der 1970er-Jahre, das „Agile Arbeiten“ Anfang dieses Jahrtausends. Trotz dieser langen Zeiträume scheinen sich noch immer viele Unternehmen schwer zu tun mit den Themen – oder wie ist Ihr Eindruck?
Auch wenn sich die Bedeutungen der Begriffe mit der Zeit verändert haben, ist beides noch Thema in der Arbeitswelt. Im Grunde ist agiles Arbeiten Teil der Digitalisierung. Sie ist die Ursache dafür, dass sich unsere Welt immer enger vernetzt, Entwicklungszyklen von Produkten immer kürzer und Leistungen immer schneller werden. Dass alles quasi in Echtzeit passieren muss. Wenn wir in der sich schneller drehenden Welt aber noch mit Arbeitsmethoden aus der alten Welt arbeiten – und das tun viele Unternehmen –, dann funktioniert das nicht. Dann werden die Mitarbeitenden unzufrieden, die Unternehmen langsam und träge. Damit sie konkurrenzfähig bleiben können, müssen sie nicht nur ihre digitalen Tools anpassen, ihre Entwicklungszyklen und ihre Schnelligkeit in der Entwicklung, sondern auch die Art der Zusammenarbeit. Diese Art der Zusammenarbeit steckt hinter dem Buzzwort agiles Arbeiten.
Dazu gehören dann vermutlich nicht bloß der berühmte Kickertisch und ein Obstkorb im Aufenthaltsraum, sondern bestimmte Methoden, die angewendet werden, richtig?
New Work bedeutet sehr viel mehr als eine von oben verordnete Startup-Kultur. Ich finde die Metapher eines Baumes ganz passend: Die Früchte stehen vielleicht für den Kickertisch und den Obstkorb, die gemeinsamen Mittagessen, den Feierabenddrink. Doch die Äste, die die Früchte tragen, sind die Methoden, die Frameworks der Agilität zum Beispiel, Methoden wie OKR oder Scrum – die im Projekt- und Produktmanagement helfen und ursprünglich aus der Softwareentwicklung stammen. Stamm und Wurzel des Baumes stehen für die Werte, die ein Unternehmen für sich definiert und die hinter jedem Arbeitsschritt stehen. Letztendlich können keine Früchte entstehen, wenn Stamm und Wurzeln nicht so ausgerichtet sind, dass überhaupt Früchte entstehen können, also auf New Work einzahlen. Die Werte sind das Grundgerüst, auf dem das Ganze fußt. Ein Wertekanon kann beispielsweise Offenheit, Transparenz und Vertrauen beschreiben, eine angstfreie Unternehmenskultur. Der Gedanke des Begründers von New Work, Frithjof Bergmann, war, dass Arbeit uns Kraft geben soll, anstatt uns zu schaden. Dafür sind bestimmte Prinzipien der Zusammenarbeit wie das auf Augenhöhe arbeiten nötig. Ich fürchte, das haben noch viel zu wenige Unternehmen verinnerlicht. Gerade angesichts des Fachkräftemangels müssen sie sich die Frage stellen, welche Benefits sie ihren Mitarbeitenden geben, wie sie mit hybridem Arbeiten umgehen möchten, welche Angebote es rund um die Krankenversorgung gibt usw. Auch die Auseinandersetzung mit dem Thema Künstliche Intelligenz (KI) gehört dazu. KI scheint den Hype um agiles Arbeiten abgelöst zu haben, ist aber eigentlich Teil davon.
Nun ist der vermehrte Einsatz von KI in allen möglichen Unternehmensbereichen und Branchen ja Teil der Digitalisierung, die kein fester Zustand ist. Das heißt, die Bedeutung von New Work muss ebenso variabel gehandhabt und immer wieder neu angepasst werden?
Genau so ist es. Man kann nicht sagen: Jetzt sind wir fertig mit der Digitalisierung. Das ist ein laufender Prozess. Genauso ist es auch mit agilem Arbeiten, das darauf ausgelegt ist, dass sich die Dinge immer wieder ändern und man sich immer wieder anpasst. KI ist jetzt ein Megatrend, der unser aller Leben zu einem erheblichen Maße beeinflussen wird. Agiles Arbeiten ist die Antwort auf die Digitalisierung. KI und agiles Arbeiten müssen Hand in Hand gehen
Das heißt, sich mit New Work zu beschäftigen, zahlt sich unterm Strich auch finanziell aus?
Natürlich lassen sich die Auswirkungen von agilem Arbeiten schwer in Euro messen. Das sind sekundäre Effekte, die da greifen. Es geht um die Zufriedenheit bei der Arbeit. Dazu gibt es zahlreiche Studien, die belegen, dass Mitarbeitende, die zufrieden sind, exorbitant mehr leisten, effektiver sind, effizienter sind. Die Zufriedenheit der Mitarbeitenden rührt dann auch daher, dass sie intrinsisch motiviert sind. Ich glaube fest daran, dass die meisten Menschen Verantwortung übernehmen wollen und motiviert werden, wenn man sie ihnen gibt. Wenn ein Mitarbeiter weiß, dass der Erfolg des Produkts oder der Dienstleistung ganz bei ihm liegt und auf ihn zurückfällt, steckt der natürlich einen ganz anderen Aufwand hinein, als wenn er seine Arbeitsschritte im Namen des Chefs macht und noch nicht einmal weiß, warum er das macht. Ein höheres Commitment zu dem, was man tut, führt zu größerem Unternehmenserfolg.
Wie können Methoden wie Scrum dabei helfen?
Die Arbeit in crossfunktionalen Teams hat viele Vorteile. Beispielsweise geht die Produktentwicklung schneller, da das Team alle Fähigkeiten hat, ein Produkt von Anfang bis Ende zu entwickeln – und nicht zwischendurch Dinge von der Grafikabteilung designen oder von der Rechtsabteilung prüfen lassen muss. LEGO® SERIOUS PLAY® ist ein recht neuer Hype. Für mich ist es eine inspirierende Verbildlichung für New Work, eine Workshopmethode, mit der man spielerisch Herausforderungen angeht. Dabei wird auf Augenhöhe gearbeitet – man sitzt nicht in einem Meetingraum, lehnt sich zurück und drei Leute reden über die gezeigte Powerpoint-Präsentation. Sondern alle sind aktiv beteiligt und leiten am Ende konkrete To-Dos ab.
Für die Weiterbildung kann man sich das gut vorstellen – inwiefern müsste das agile Arbeiten mit solchen Methoden auch in der Ausbildung implementiert werden?
Scrum ist beispielsweise eine wichtige Basis für den weiteren Berufsweg, die agiles Zeit-, Selbst- und Projektmanagement lehrt. Es ist wichtig, dass sich Mitarbeitende so früh wie möglich mit den Skills beschäftigen, als Teil der Berufsausbildung. Immerhin stecken Unternehmen Zeit und Geld in die Ausbildung ihrer Nachwuchskräfte – da haben sie auch etwas davon, wenn diese dem Unternehmen so lange wie möglich erhalten bleiben, weil sie ihre Arbeit mögen und nicht nach einer Zeit ausgelaugt das Handtuch werfen. Ich finde es wichtig, dass jede und jeder das arbeiten kann, was sie oder er wirklich will. Dass Arbeit kein notwendiges Übel ist, um sich das leisten zu können, was man im Leben, in der Freizeit will, sondern dass Arbeit Spaß macht.
Anne Klesse
Wie aus langweiligen Meetings kreative Workshops werden
Ob New Work, agiles Arbeiten oder Kreativmethoden wie Scrum und Objectives and Key Results (OKR): David Hillmer füllt die Schlagwörter der aktuellen Arbeits-, Aus- und Weiterbildungswelt mit Leben und erklärt, worum es dabei in Theorie und Praxis tatsächlich geht – beim GedankenGut-Netzwerkabend unserer IHK Lüneburg-Wolfsburg am Dienstag, 19. November, ab 18 Uhr im Hotelcamp Reinsehlen bei Schneversingen. Hillmer wird von konkreten Beispielen der gelungenen Veränderung berichten. Abschließend kann in einem LEGO® SERIOUS PLAY®-Workshop gemeinsam spielend die Welt der Weiterbildung erkundet werden. Die Teilnahme ist kostenfrei, melden Sie sich jetzt an: GedankenGut in Schneverdingen