US-Wirtschaftspolitik wird Inland fokussieren

Vor allem im Falle eines Wahlsiegs von Donald Trump würden die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen schwieriger. Warum Unternehmen trotzdem in den USA investieren sollten, verrät Dr. Christoph Schemionek, Leiter der Delegation der Deutschen Wirtschaft in Washington DC.
Herr Dr. Schemionek, wie geht es der deutschen Wirtschaft in den USA, wie ist die Stimmung so kurz vor der Wahl?
Grundsätzlich ist die Stimmung bei den knapp 6.000 deutschen Tochterunternehmen hier in den USA gut. Ihre Anzahl steigt kontinuierlich, letztes Jahr waren es noch 5.800. Auch die deutschen Direktinvestitionen steigen, derzeit liegen sie bei 658 Milliarden US-Dollar. In den letzten zehn Jahren hat sich dieser Wert mehr als verdoppelt – schon vor den Bundesprogrammen, die Präsident Joe Biden zuletzt aufgelegt hat. Das zeigt: Der US-Markt ist unglaublich attraktiv. Laut der jährlichen Umfrage der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer unter deutschen Niederlassungen in den USA, dem , rechnen 91 Prozent der befragten Unternehmen mit Umsatzsteigerungen, 96 Prozent planen weitere Investitionen innerhalb der nächsten drei Jahre und suchen nach mehr Personal. Schon jetzt beschäftigen deutsche Un­ter­neh­men hier fast eine Million Ame­ri­kaner direkt. Dazu kommen drei- bis viermal so viele indirekte Jobs. Es gibt viele offene Stellen, aber es fehlen Ar­beits­kräfte. Das entwickelt sich zu­neh­mend zum größten Standortnachteil.
Und was macht den US-Markt trotzdem attraktiv für deutsche Unternehmen?
Hier gibt es genug Boden, es gibt genug Kapital, und theoretisch auch genug arbeitswillige Menschen – aber in der Praxis stehen viele dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, beispielsweise, weil sie nicht die nötigen Papiere haben. Die Marktattraktivität ergibt sich über drei Indikatoren: die Marktgröße – in den USA, der größten Volkswirtschaft der Welt, leben immerhin 330 Millionen Menschen. Außerdem attraktiv für deutsche Unternehmen, in den USA eine weitere Niederlassung zu eröffnen, sind die Kundennähe und die Marktstabilität: Insbesondere in den Einzelstaaten laufen die Geschäfte unabhängig von politischen Entwicklungen in Washington gut, Bundespolitik scheint weit weg. 35 bis 40 Prozent der Beschäf­tigten in den deutschen Unternehmen finden sich im produzierenden Gewerbe und der Industrie, viele davon im Bereich Chemie, Clean Tech, Elektronik, Maschinenbau und natürlich Transport und Automotive. Nicht nur die großen Autohersteller wie VW, auch viele Zulieferer haben hier Tochterunternehmen – letztendlich mittelständische Familienunternehmen, die sich in den USA ein weiteres Standbein aufgebaut haben und in den USA für die USA produzieren. Für viele sind die USA außerdem eine Ex­port­platt­form, von wo aus sie in die ganze Welt exportieren.
Wie blicken diese Unternehmen nun auf die anstehende US-Wahl, was erwarten sie von deren Ausgang in Bezug auf ihre Geschäfte?
Es ist ein Unterschied, ob sie in den USA oder mit den USA Geschäfte machen. Für Geschäfte in den USA sind, wie gesagt, eher die Bedingungen in den einzelnen Staaten wichtig: gute Beziehungen zu den Bürgermeistern, zu den Gouverneuren, vielleicht zu Abgeordneten, die in Washington sitzen. Mit den USA Geschäfte zu machen, wird seit Jahren schwieriger. Häufig genannt werden dabei Vorschrif­ten zu Inlandsanteilen im Geschäft mit der Regierung, Lokalisierungsbe­din­gun­gen in den industriepolitischen Programmen und der Druck in den USA zum Entkoppeln vom chinesischen Markt. Wenn dann sogar noch Zölle unter transat­lan­tischen Partnern erhoben werden, wird es noch schwieriger.
„America first“ ist das Motto der Stunde und könnte sich nach November noch verstärken – was kommt auf die Tochtergesellschaften deutscher Firmen jeweils zu, falls die Demokraten oder die Republikaner gewinnen?
„America first“ galt tatsächlich auch unter Präsident Biden, wenn auch in freundlicherem Ton als wir es von Donald Trump hören. So oder so werden wir hier in den nächsten Jahren und Jahrzehnten eine stark aufs Inland gerichtete Wirtschaftspolitik sehen. Die USA wollen sich unabhängig von China und anderen ausländischen Märkten machen. Sicherheit, auch wirtschaftliche, steht ganz oben auf der Agenda, bei beiden Parteien. Die Frage ist eher, was das kosten wird und wie das bezahlt werden soll. Trump hat angekündigt, hohe Zölle auf ausländische Güter zu erheben, das macht uns natürlich Sorgen. Denn das würde auch viele deutsche Mittelständler empfindlich treffen, die Handel mit den USA betreiben. Insbesondere Branchen, die kleine Gewinnmargen von fünf bis zehn Prozent haben und die davon aufgefressen werden würden, wären stark gefährdet. Bestimmte Branchen wären vermutlich besonders betroffen. Kamala Harris wiederum will, wie Biden, über steuerliche Anreize mehr Produktion in die USA verlagern. Trump will auf der anderen Seite die Unternehmenssteuern auf 20 oder 15 Prozent absenken, Harris will sie erhöhen. Trump steht eher für Deregulierung. Mit Trump würden die transatlantischen Wirtschaftsbe­zie­hungen wieder unruhiger. Führende Wirtschaftsinstitute sind sich einig, dass flächendeckende Zölle auch die US-Verbraucher belasten und die Inflation befeuern werden.
Und was sollten deutsche Unternehmen und Investoren jetzt tun, die ihre Handelsbeziehungen in den USA eigentlich gerne vertiefen möchten?
Investitionen in den USA lohnen sich auf jeden Fall – das Wirtschaftswachstum ist da, die Inflation ist runter. Präsident Biden hat viel Geld in die Energiewende gesteckt, was einen echten Run auf die Branche ausgelöst hat. Unternehmen aus aller Welt lassen sich hier nieder. In den USA gibt es bislang nicht die nötigen Technologien. Gerade Niedersachsen ist in dem Bereich aber stark: Niedersächsische Unternehmen können in den USA jetzt gut Geschäfte machen, ob im Bereich Elektromobilität, autonomes Fahren, Clean Tech oder digitale Produktionstechnologien.
Anne Klesse
IHKLW-Brennpunkt USA
Über das Ergebnis der Wahlen in den USA und die wirtschaftlichen Perspektiven spricht Dr. Christoph Schemionek, Leiter der Delegation der Deutschen Wirtschaft in Washington DC, beim digitalen IHKLW-Brennpunkt am Dienstag, 3. Dezember, 17 bis 18.30 Uhr. Die Teilnahme an der Online-Veranstaltung ist kostenfrei. Anmeldung: IHKLW-Brennpunkt USA
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