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Baustoff der Zukunft
Ohne Beton geht beim Bauen nichts. Soll der in Deutschland dringend benötigte Wohnraum entstehen, wird der Baustoff dabei eine wichtige Rolle spielen. Allerdings ist dessen Klimabilanz miserabel: Mit einem Anteil von etwa acht Prozent an den globalen CO2-Emissionen gilt Beton als einer der größten CO2-Treiber. Höchste Zeit also, den wichtigsten Werkstoff der Bauindustrie neu zu denken, nämlich ökologisch optimiert, universell einsetzbar und dennoch kostengünstig. Diese Kriterien erfüllt der innovative Beton, der künftig in Soltau produziert wird: Das Unternehmen Bton hat dort jetzt die erste Fabrik für klimapositive Betonfertigteile in Deutschland eröffnet.
Zehn Jahre Entwicklungsarbeit stecken in dem Projekt. „Wir wussten immer, dass wir die Bauwirtschaft dekarbonisieren können, das hat uns motiviert“, sagte Antonio Catarino, einer der drei Bton-Geschäftsführer, anlässlich des Festaktes zur Eröffnung. Die Vorreiterrolle, die das Soltauer Werk für die Bauwirtschaft einnehme, unterstrich Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) in seinem Grußwort: „Klimaschonender, CO2-armer Beton ist ein ganz wichtiger Baustein, auf den wir aufbauen, um unsere Klimaschutzziele zu erreichen.“
Bton-Geschäftsführer Antonio Catarino will den Markt mit “Bton” revolutionieren.
© Mio Mcqueen
Die graue Halle im Gewerbegebiet Soltau-Ost wirkt unspektakulär. Ins Auge sticht lediglich der grasgrüne Turm, der derzeit an der Stirnseite emporwächst. Thomas Sievers steht vor dem Gerüst und deutet nach oben: „Das wird das Herz unserer Fabrik“, sagt er. „Hier entsteht unsere neue Mischanlage, 27 Meter hoch.“ Sievers bildet mit Thomas Demmel und Antonio Catarino das Geschäftsführer-Trio bei Bton. Und er ist der Kopf hinter der neuen Technologie: In seinem Betonlabor in Adendorf bei Lüneburg wurden mehr als 5.000 Rezepturen getestet und die patentgeschützte Hybrid-Mischtechnologie entwickelt. Aktuell werden in der neuen Fabrik die ersten Aufträge abgearbeitet: Die Fassaden-, Wand- und Deckenelemente sind um 70 Prozent CO2-reduziert und für das Bauvorhaben einer Hamburger Wohnungsbaugesellschaft vorgesehen. „Serielles Bauen ist die Zukunft“, sagt Sievers. „Fertigbetonteile beschleunigen den Bauprozess und machen ihn preisgünstiger.“
© Mio Mcqueen
Verantwortlich für die negative CO2-Bilanz von Beton ist vor allem der Zementanteil des Baustoffs. Bton senkt ihn in seinen Rezepturen deutlich ab, setzt klinkerarme Zemente und Zementersatzstoffe ein. Es geht noch einen Schritt weiter: Durch den Einsatz kohlenstoffsenkender Materialien lassen sich klimapositive Betonsorten herstellen, sie absorbieren also mehr CO2 als bei der Herstellung erzeugt wird. Einbußen in der Qualität gebe es nicht, betont Demmel: „Alle unsere Produkte erfüllen die Normen für die jeweiligen Beton-Klassen.“ Der neue Beton ist zudem bei gleicher Festigkeit wesentlich leichter und auch damit ressourcenschonender. Wie das funktioniert, demonstriert Sievers an einer Muster-Fertigwand: Bei genauem Hinsehen sind am seitlichen Rand wenige Zentimeter lange, weiße Fasern sichtbar: „Das sind statisch wirksame Makro-Fasern. Vier Kilogramm davon ersetzen 120 Kilogramm Stahl“, sagt der Betonexperte. Auf eine Stahlbewehrung könne man so verzichten. „Dabei erreichen wir sogar eine höhere Druckfestigkeit als gefordert und verbessern zusätzlich die Wärmeisolierung.“ Co-Geschäftsführer Demmel lenkt den Blick noch auf einen anderen Beton-Rohstoff, der vielerorts bereits knapp werde, nämlich Sand: Für die herkömmliche Produktion seien nur bestimmte Sandsorten geeignet, für die neue Technologie nahezu jeder Sand nutzbar: „Wir müssen keinen Sand von A nach B fahren, sondern können an jedem Standort der Welt mit lokalen Ressourcen hochwertigen Beton kostengünstig produzieren.“
Eröffnung des Bton-Werks Anfang Mai in Soltau: Rund 200 Gäste ließen die Vorteile des seriellen Bauens mit dem neuen Werkstoff erklären.
© Mio Mcqueen
Die drei Unternehmer hatten Bton 2021 gegründet. Seither wurde die Halle im Gewerbegebiet Soltau-Ost umgebaut und erweitert. Für die industrielle Fertigung werden nun 100 Prozent Ökostrom eingesetzt, geliefert von Fotovoltaik und Solarthermie auf dem Gebäude. Insgesamt wurden neun Millionen Euro in das Vorhaben investiert, davon flossen 1,25 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Mitte März startete mit 18 Beschäftigten die Produktion, ein schrittweiser Ausbau auf 50 Arbeitsplätze und eine Kapazität von 1.000 Quadratmetern Fertigbeton am Tag ist geplant. Parallel beginnt das Unternehmen mit der internationalen Vermarktung seiner Technologie. Der Standort Soltau soll später auch als Zentrum für Schulung und Entwicklung dienen.
Ute Klingberg
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