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Mit der GenZ in die Zukunft
In Zeiten des Fachkräftemangels stehen Unternehmen auch bei der Ausbildung in Konkurrenz zueinander. Bei der Berufsbildung sei stärkere Transformation nötig, um attraktiv und sinnstiftend zu sein, sagt Harald Hantke, Professor für sozialwissenschaftliche Bildung an der Leuphana Universität Lüneburg, im Interview.
Die Arbeitswelt befindet sich angesichts der Klimakrise, weltweiter Konflikte, des demografischen Wandels und technologischer Neuerungen im Wandel. Ganze Branchen stehen vor einem Umbruch, Berufsanforderungen ändern sich zum Teil radikal. Ist das berufliche Bildungssystem darauf eingestellt?
Hantke: Die skizzierten gesellschaftlichen Herausforderungen haben unmittelbare Auswirkungen auf unsere Art des beruflichen Handelns, des Wirtschaftens. Die berufliche Bildung ist dazu herausgefordert, Menschen in Aus- und Weiterbildung einen berufsbezogenen Umgang mit diesen Herausforderungen zu ermöglichen. Eine Berufsbildung, die dies einlöst, würde ich als transformative Berufsbildung bezeichnen, da sie sich proaktiv diesen gesellschaftlichen Transfor-mationsprozessen stellt. Das berufliche Bildungssystem hat dies durchaus erkannt und macht sich zunehmend auf den Weg, diesem Anspruch gerecht zu werden. Und das ist auch aus einem anderen Grund notwendig. Denn gleichzeitig fragen sich vor allem junge Menschen, die am Übergang von der Schule in den Beruf stehen: Was ist mein Part in diesem Wandel?
Und was ist die Aufgabe der sogenannten Generation Z inmitten dieser umfassenden Transformation?
Hantke: Grundsätzlich werden mit einer transformativen Berufsbildung erst einmal die Ansprüche der jungen Menschen ernstgenommen. Sie wollen die Welt mitgestalten, Teil der Transformation sein – aktiv, und nicht passiv. Die Unternehmen wiederum sind herausgefordert, sich in diesem Wandlungsprozess entsprechend zu verändern und neu aufzustellen. Sie brauchen Fachkräfte, die diesen Wandel kooperativ mitgestalten können, die ihn wollen, weil sie die Notwendigkeit verstehen. So gesehen kann hier von einem gemeinsamen Interesse gesprochen werden, das sich übrigens auch bereits im Bildungsauftrag der dualen Berufsbildung widerspiegelt: Berufsbildung heißt, nicht nur gewohnte Arbeitsprozesse nachzuvollziehen, sondern auch das Hinterfragen dieser, mit Blick auf die Zukunft.
Ist Deutschland gut aufgestellt? Unter anderem bei IT- und technischen Berufen – also denjenigen, auf die wir bei der digitalen und ökologischen Transformation angewiesen sind – sind demnächst die größten Fachkräfteengpässe zu erwarten...
Hantke: Im Ausland ist das deutsche Berufsbildungssystem durchaus sehr beliebt. Viele Länder der Welt wollen sich daran orientieren. Gleichzeitig wird der Wert dieses Berufsbildungssystems in Deutschland nicht in der Breite wahrgenommen. Dabei ist die Berufsbildung meines Erachtens in unserem Land systemisch ganz gut aufgestellt, um den Zukunftsherausforderungen zu begegnen. Schauen wir beispielsweise auf das duale System: Der erwähnte Bildungsauftrag wird von Unternehmen und Berufsschulen gemeinsam wahrgenommen. An beiden Lernorten werden junge Leute dazu befähigt, durch ihren Beruf die Gesellschaft mitzugestalten. Flankiert wird dieser Bildungsauftrag durch neue Standardberufsbildpositionen für alle anerkannten Ausbildungsberufe, die explizit Nachhaltigkeit und Digitalisierung in der Berufsbildung einfordern. Unternehmen und Berufsschulen sind dazu aufgefordert, eine Auseinandersetzung unter anderem mit diesen beiden Herausforderungen im Querschnitt ihrer Berufsbildungsprozesse zu implementieren. Das ist eine nicht zu unterschätzende Innovation, die auf Bundesebene im Rahmen der sogenannten Sozialpartnerschaft aus Arbeitnehmervertreter*innen und Arbeitgebervertreter*innen gemeinsam auf den Weg gebracht wurde. Man war sich einig, dass es diese Weiterentwicklung braucht. Jetzt sind wir gefordert – auch ich, der im akademischen Bereich unter anderem Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen und betriebliches Berufsbildungspersonal aus- und weiterbildet –, diejenigen zu befähigen, die diese Ansprüche einlösen sollen.
Werden denn die Ausbildungsordnungen schnell genug angepasst?
Die Ausbildungsordnungen der einzelnen Ausbildungsberufe werden meiner Ansicht nach leider nicht schnell genug an die dringendsten gesellschaftlichen Herausforderungen angepasst. Zurzeit wird beispielsweise an einer Novelle der Ausbildungsordnung für den Beruf der Industriekaufleute gearbeitet, der das letzte Mal vor über 20 Jahren neu geordnet wurde. Im Hinblick darauf, wie sich dieser Beruf in der Komplexität gewandelt hat, ein sehr langer Zeitraum! Ich würde mir grundsätzlich wünschen, dass die Ausbildungsordnungen schneller überarbeitet werden. Die bereits erwähnte Überarbeitung der Standardberufsbildpositionen kann jedoch als Gamechanger zur Implementierung von Zukunftsfragen im Querschnitt aller anerkannten Ausbildungsberufe bezeichnet werden. Denn damit geht auch die Empfehlung einher, die neuen Standardberufsbildpositionen auch in Ausbildungsberufen zu berücksichtigen, die bislang noch nicht novelliert wurden. Jetzt muss allerdings das in Schule und Unternehmen ausbildende Personal entsprechend professionalisiert werden.
Und da vermutlich nicht nur diejenigen, die aktuell ausgebildet werden, sondern auch alle, die bereits in dem Feld arbeiten?
Hantke: Genau. Das ist ein weiteres wichtiges Thema. Letztlich geht es nicht nur um Ausbildung, sondern auch um Weiterbildung im Sinne eines lebenslangen Lernens. Dabei geht es sowohl um Berufsschullehrkräfte und betriebliches Berufsbildungspersonal als auch um alle anderen Fachkräfte. Im Sinne der Fachkräftesicherung und für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen ist das im Moment ganz zentral.
Die sogenannte Babyboomer-Generation scheidet aus dem Erwerbsleben aus. Laut einer Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung in Zusammenarbeit mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung wird die Zahl der Erwerbstätigen bis zum Jahr 2040 um rund 600.000 Personen auf etwa 44,32 Millionen zurückgehen. Die Zahl der dual Ausgebildeten könne diesen Rückgang nicht auffangen. Zudem sind den jungen Menschen laut einer repräsentativen Umfrage der Wirtschaftsjunioren Deutschland unter dem Dach der IHK eigene Dinge wichtig: ein gutes Gehalt, die Work-Life-Balance und eine abwechslungsreiche Tätigkeit. Eine weitere Herausforderung für die Unternehmen...
Hantke: Letztendlich sucht die junge Generation noch mehr als die vorigen nach dem Sinn in ihrer Tätigkeit. Sie möchte ernstgenommener Teil der Gesellschaft sein und diese auch durch Berufsarbeit aktiv mitgestalten. Die Trennung von „Work“ und „Life“ verschwimmt diesem Verständnis nach zunehmend. „Work“ soll nicht mehr nur das notwendige Übel sein, mit dem man Geld für die Freizeit verdient, sondern selbst durch eine eigene Sinnhaftigkeit das Leben bereichern. Unternehmen haben die Chance, diese jungen Menschen für sich zu gewinnen, indem sie darauf eingehen, zum Beispiel in der Konfiguration von Stellen, aber auch durch die Transformation ihrer Arbeits- und Geschäftsprozesse in Richtung Nachhaltigkeit. Im Sinne der Fachkräftesicherung und der eigenen Zukunftsfähigkeit sollten Unternehmen der Generation Z also ein Angebot machen, wie man gemeinsam an einer guten Zukunft arbeiten kann.
Klimakrise, Fachkräftemangel, zu wenig Migration, um den demografischen Wandel auszugleichen – dazu noch eine Generation von Berufsanfänger*innen, die anders arbeiten wollen. Und immer mehr pflegebedürftige Alte, die wegen des Pflegekräftemangels von Verwandten gepflegt werden müssen, die gerade noch mitten im Erwerbsleben stehen. Wie ist dieser umfassende Wandel zu schaffen?
Hantke: Das ist natürlich eine große Herausforderung. Gerade dieser Drang nach Teilzeit, aus familiären Gründen oder einfach, weil man nicht 100 Prozent arbeiten möchte, hat großen Einfluss auf den kulturellen Wandel in der Arbeitswelt. Auf den muss man sich jedoch einlassen, denn der technologische Wandel wird nur einen Teil des Fachkräftemangels in bestimmten Berufen kompensieren. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Stärkung von Berufsorientierung oder beruflicher Integration und Inklusion als Teil einer transformativen Berufsbildung. An dieser Stelle liegt mir ein Wort zur jungen Generation am Herzen, die anders arbeiten will: Gerade in der älteren Generation wird sich gern darüber beklagt, dass die jungen Menschen nicht fleißig genug seien. Ich kann das nicht bestätigen. Es geht ihnen um andere Werte. Darum, dass Arbeit ein Teil des Lebens ist, aber nicht der einzige und vielleicht auch nicht der wichtigste. Wir sollten versuchen, die junge Generation in ihrer eigenen Werteentwicklung nicht zu verurteilen. Jede Generation hat ihre eigenen Voraussetzungen, Herausforderungen und Ansprüche. Eine transformative Berufsbildung, wie ich sie verstehe, nimmt diese ernst und gestaltet auf dieser Basis gemeinsam mit den sich bildenden Menschen, den berufsbildenden Schulen und den Unternehmen die gesellschaftlichen Transformationsprozesse. Daran arbeite ich unter anderem im Rahmen eines gestaltungsorientierten Forschungsansatzes, bei dem es mir um eine partnerschaftliche Wissenschaft-Praxis-Kooperation auf Augenhöhe geht. Von daher ist mir auch eine gute Kooperation mit der IHK wichtig, um unsere Region gemeinsam zukunftsfähig zu machen. Anne Klesse
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