„Jeder Mensch muss anders abgeholt werden“

Es ist nicht immer ganz einfach, Meike Bergmann zu erreichen. An sechs Tagen pro Woche pendelt die Unternehmerin zwischen drei Edeka-Märkten in Lüneburg und Adendorf. Dazu engagiert sich die Mutter eines 5-Jährigen in Verbänden wie dem „Verein Lüneburger Kaufleute“. Gerade erst ist die 47-Jährige von der Edeka-Jahrestagung zurückgekommen: Drei Tage lang hat sie sich dort mit anderen Lebensmitteleinzelhändler*innen zu Themen wie „Die Zukunft verantwortungsvoll gestalten“ und „Wie gewinnen wir neue Nachwuchskräfte?“ ausgetauscht. „Ich bin äußerst empfänglich für Anregungen und bemühe mich, dass der Schub nicht verpufft und man danach nicht in alte Gewohnheiten zurückfällt.“
Seit Meike Bergmann 2002 ihren eigenen Markt im Loewe-Center und nach und nach die Gesamtverantwortung für die drei Märkte des Familienunternehmens – 1951 vom Großvater gegründet – übernommen hat, ist vieles in Bewegung gekommen. Themen wie Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind mittlerweile Teil der „Bergmanns-DNA“ und zeigen sich etwa im eigenen Müllkonzept, in der Einführung der Mehrwegfrischebox oder im sozialen Engagement vor Ort.
Wie wichtig der Leitung zudem ein Fokus auf regionale Lebensmittel ist, wird schon den Berufseinsteiger*innen vermittelt: „Unsere Azubis übernehmen jedes Jahr eine Apfelbaumpatenschaft. Jeder ist dabei für einen eigenen Baum unseres regionalen Apfellieferanten verantwortlich, und das von ihnen geerntete Obst wird später im Markt verkauft“, sagt Meike Bergmann. Abgesehen vom gemeinsamen Erlebnis erführen junge Menschen mit ganz unterschiedlichem Hintergrund auf diese Weise etwas über die Herkunft und den Aufwand, der hinter einem guten Produkt stecke. Werte wie Diversität seien übrigens eine Selbstverständlichkeit – nicht nur am „Deutschen Diversity-Tag“, der auch auf dem regelmäßig bespielten Instagram-Kanal von Edeka Bergmann gewürdigt wird.
Perspektivenvielfalt als Vorteil erkennen
Weil die fast 200 Mitarbeitenden Grundsätze wie diese nicht nur im Alltag mittragen müssen, sondern ein harmonisches Miteinander längst ein Wert an sich ist, sagt Meike Bergmann: „Ich sehe es als eine meiner Hauptaufgaben an, das Team zu stärken und für alle ansprechbar zu sein. Jeder Mensch ist unterschiedlich und muss deshalb anders abgeholt werden.“ Die Erkenntnis, dass ein Team aus unterschiedlichen Charakteren sogar einen großen Vorteil darstellt, hat Meike Bergmann auch ihrem Führungskräftetrainer zu verdanken: Normen Ulbrich begleitet Edeka Bergmann mittels regelmäßiger Workshops in die Zukunft.
„Die Entwicklung eines unterneh­merischen Leitbildes mit Vision, Werten und Mission funktioniert nicht von heute auf morgen, sondern ist ein Prozess, bei dem das Miteinander eine zentrale Rolle spielt“, sagt der 45-Jährige, der vor rund 15 Jahren in Bardowick sein Unterneh­men „imnu-Personalentwicklung“ gegründet hat. „Ich bin überzeugt davon, dass eine Perspektivenvielfalt absolut begrüßenswert ist, um flexibel zu bleiben.“ Das von Normen Ulbrich favorisierte „persolog® Persönlichkeitsmodell“ geht davon aus, dass jede Person die Aufgaben erhält, die ihr am besten liegen. Der eine arbeitet extrem strukturiert, der andere tut sich durch Empathie hervor – im Idealfall lässt sich zusammen noch besser ans Ziel kommen.
Der Teamentwickler begrüßt das Engagement von Unternehmer*innen wie Meike Bergmann nicht nur, er hält es sogar für essenziell, um wettbewerbsfähig zu bleiben. „Wir können uns nur weiterent­wickeln, wenn wir Veränderung als Teil unseres Alltags verstehen und unseren Komfortbereich verlassen.“ Dass ein „Weiter so“ nicht funktionieren könne, würden Krisen wie Corona und Ukraine-Krieg, aber auch Herausforderungen wie Fachkräftemangel oder das Thema Künstliche Intelligenz beweisen. „Wir leben in einer Welt, in der Transformationszustände in immer kürzeren Abständen aufeinanderfolgen. Das ist anstrengend und verursacht Stress, kann aber besser bewältigt werden, indem bestimmte Kom­mu­ni­kationsstrukturen etabliert werden.“
Kommunikation ist entscheidend
Für ein Mehr an Kommunikation im Alltag hat Meike Bergmann zum Beispiel mit der Einführung der gemeinsamen App „Slack“ gesorgt, in der alle wichtigen Informationen zügig geteilt werden können. „Ein Aspekt, der allen Mitarbeitenden am Herzen liegt“, sagt sie. Außerdem wurden wöchentliche „Jour fixes“ eingeführt. Neben der langfristig angelegten Begleitung durch Normen Ulbrich gibt es noch sogenannte Zielworkshops zum Jahresstart, bei denen es immer auch um gegenseitige Anerkennung gehe. „Gerade bei den Berufsanfänger*innen sieht man, wie wichtig der Faktor Wertschätzung ist.“
Zumal Edeka Bergmann bei der nachwachsenden Generation nicht mit Anreizen wie Homeoffice oder flexiblen Arbeitszeiten punkten könne. „Natürlich fällt es unserer geschulten Personalerin leichter, die Bedürfnisse einer Generation Z zu verstehen. Für einen älteren Marktleiter ist es in der Praxis mitunter schwer. Gerade deshalb müssen wir das Thema immer wieder erklären und dafür sensibilisieren.“
Selbst wenn sich Edeka Bergmann auch dank ideenreicher Marketing-Aktionen schon mehrfach über Initiativbewerbungen freuen konnte, ist die Zahl der Interessent*innen für einen Ausbildungsplatz in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. „Wir kämpfen um motivierte Mitarbeiter*innen, indem wir zum Beispiel Weiterbildungsmaßnahmen aufzeigen“, sagt Meike Bergmann. Die Zeit, die sie investiert, scheint sich durchaus auszuzahlen. Auf der Tagung, von der sie gerade zurückgekehrt ist, konnte sie gleich zwei Auszubildenden aus ihrem Familienunternehmen gratulieren: Die beiden Lüneburgerinnen zählen zu den zehn besten der bundesweit von Edeka gekürten „Mega-Azubis“.
Alexandra Maschewski