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Nachhaltiger Kaviar aus der Lüneburger Heide
Die Lüneburger Heide ist nicht unbedingt bekannt für Kaviar. Doch wer im Supermarkt ein 50-Gramm-Gläschen ASC-zertifizierten Forellenkaviar aus Deutschland kauft, hat es zumeist mit einem Produkt aus dem Heidekreis zu tun. Hier züchtet die Familie Winkelmann seit mehr als 40 Jahren Regenbogenforellen und betreibt mittlerweile die größte Forellenzucht Deutschlands.
900 Tonnen Forelle und knapp 100 Tonnen Forellenkaviar werden hier in Wietzendorf, das bislang vor allem für seine mehr als 100 Imkereien und das alljährliche Honigfest bekannt ist, jedes Jahr produziert.
Angefangen hat alles im Jahr 1972 mit einem Unwetter. „Es gab einen großen Sturm, bei dem Bäume auf unserem Landwirtschaftsbetrieb umgekippt sind“, erzählt Heide Winkelmann. Ihr Mann Stephan ist auf dem Leverenzhof aufgewachsen und hat die Heidefisch GmbH gegründet. „Der landwirtschaftliche Betrieb hatte damals nicht die finanziellen Mittel, die Krater wieder mit Erde aufzufüllen – stattdessen wurden sie mit Wasser gefüllt.“
Vor allem aufgrund ihrer Anpassungsfähigkeit, ihres schnellen Wachstums, der hohen Aufnahmebereitschaft für Trockenfutter und der guten Futterverwertung im Vergleich zur heimischen Bachforelle, zählt die Regenbogenforelle laut Deutscher Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) zu den wirtschaftlich bedeutendsten Salmonidenarten – der fachbegriff für lachs- und forellenartige Fische – in der Aquakultur.
In den ersten Jahren habe die Familie mit den Forellen aus den eigenen Teichen vor allem den Bekanntenkreis versorgt. Forellenkaviar sei damals noch nicht so en vogue gewesen wie heute und meist einfach entsorgt worden. „Erst als der Kaviar aktiv nachgefragt wurde, wuchs der Gedanke, den Forellenkaviar im Geschäftsmodell aufzunehmen“, so Winkelmann.
Weil nur weibliche Tiere Kaviar in sich tragen, werden für die Zucht ausschließlich weibliche Setzlinge verwendet. Das Geschlecht lässt sich bei den Regenbogenforellen unter anderem durch die Wassertemperatur beeinflussen.
Über die Jahre testete der Betrieb auch andere Fische, jedoch werde die Forelle am meisten nachgefragt. Manche Kund*innen erinnert die Handelsbezeichnung „Lachsforelle“ offenbar an Lachs. Denn auch die Farbe des Fleisches ist ähnlich. Doch Regenbogenforellen und Lachse sind verschiedene Salmonidenarten. Als Lachsforellen gelten die Fische ab etwas über einem Kilo Körpergewicht, sie sind größer als ihre Artgenossen, aber keine eigene Art. Die spezielle Züchtung bildet durch das mit Beta-Carotin angereicherte Futter ihre typische Fleischfärbung aus. Lachsforellen sind zudem günstiger zu haben als Lachse.
Der Gründer der Fischzucht, Hermann Winkelmann, ist im Frühjahr verstorben. Seither führen Heide und ihr Mann Stephan Winkelmann, Sohn des Gründers, den Betrieb zu zweit.
Als biologisch gelten die Produkte ihrer Heidefisch GmbH bislang nicht. „Eine Bio-Zertifizierung erlaubt derzeit nicht den Eintrag von Sauerstoff“, erklärt Heide Winkelmann. Da aber in den neuen Anlagen beinahe das gesamte Wasser wiederverwendet werde, müsse unbedingt Sauerstoff zugeführt werden. Forellen benötigen kühles, klares, sauerstoffreiches Wasser zum Wachsen.
Das Thema Nachhaltigkeit sei der Familie schon früh wichtig gewesen, erzählt Heide Winkelmann. „Das ist einfach zukunftsorientiert. Der Handel fordert nachhaltige Produkte, die Konsumenten wollen sie – und wir denken und planen auch für die Nachwelt.“ Der Betrieb sei der erste deutsche seiner Art gewesen, der direkt nach Einführung des ASC-Standards als „verantwortungsvolle Fischzucht“ zertifiziert wurde. Auch entsprechendes Futter wird verwendet, das ohne Beifang und mit wenig extra dafür gefangenem Fisch hergestellt wurde.
Seit jeher wollen die Winkelmanns außerdem so wassersparend wie möglich produzieren. „Betriebe in Bayern, Frankreich oder Spanien merken die Wasserknappheit mittlerweile sehr stark und mussten zum Teil unter dem Jahr schlachten, da die Anlagen ausgetrocknet sind.“ Frühzeitig sei deshalb mit spezieller Filtertechnik die Wasseraufbereitung ermöglicht worden. „Alle zwei bis drei Jahre sind wir weiter gewachsen und haben in neue Technik investiert, um unser System zu verbessern. So sind wir quasi von einem Prototypen zum nächsten übergegangen und konnten mit jeder neueren Anlage die Wasseraustauschrate reduzieren, sodass wir nun 90 Prozent des Wassers wiederverwenden“, so Heide Winkelmann. „Die Heidefisch GmbH setzt mit der ausgeklügelte Filtertechnik auch unter internationalen Gesichtspunkten neue Standards und ist in der Aquakultur-Anlagenberatung tätig.“ Die herausgefilterten Schwebstoffe werden als Dünger auf den zum Hof gehörenden Feldern genutzt, auf denen Mais angebaut wird.
Doch Aquakultur ist energieintensiv. Zudem sind die Produktionskosten wegen der gestiegenen Energie- und Futtermittelpreise in den vergangenen Jahren explodiert. Die neue Anlage hat deshalb eine Photovoltaikanlage auf dem Dach, deren Strom für die Reinigung und Filterung des Wassers genutzt wird. Die neuen Hallen sind auch wegen der tendenziell heißer werdenden Sommer wichtig, denn Forellen sind Kaltwasser-Fische. Bei den alten Anlagen, die auch noch überdacht werden solenl, erwärmen sich die frei liegenden Wasserbecken im Sommer um ein paar Grad Celsius.
Geschlachtet wird im November/Dezember und Januar/Februar. „Die Termine sind angepasst an den Moment, wenn der Kaviar so weit ist“, so Heide Winkelmann. Denn: „Wir gehören mittlerweile zur Top 5 der Kaviar-Produzenten in Europa.“ In der ersten Saison wird der sogenannte weichschalige Kaviar, der vor allem in Osteuropa beliebt ist, produziert. Danach der etwas reifere, hartschalige. Geschlachtet wird per Kiemenschnitt, nachdem die Tiere durch Nelkenöl im Wasser betäubt wurden.
Mehr als 90 Prozent ihrer Fischerzeugnisse vertreibt die Heidefisch GmbH heute nach eigenen Angaben im Ausland. Tagesfrisch wird außerdem über den Werksverkauf und im Online-Shop verkauft: Lachsforelle und Kaviar aus der Lüneburger Heide. Anne Klesse
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Sandra Bengsch