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„Nachhaltigkeit ist ein Prozess, kein Zustand“
Nachhaltigkeit ist Teil unserer DNA“, sagt Benjamin Redeleit, Geschäftsführer der Lüneburger Marketingagentur Redeleit und Junker. „Kein Kunde und keine Kundin kommt zu uns, ohne dass das Thema behandelt wird.“ Und nicht nur einmal hat die Agentur die Zusammenarbeit abgelehnt, weil sich Produkte oder Geschäftspraxis der Auftraggebenden nicht mit den eigenen Nachhaltigkeitszielen vereinbaren ließen. Ein Beispiel: Als ein Unternehmen, das konventionelle Düngemittel vertreibt, seine Bio-Alternative separat bewerben wollte, verzichtete das Agenturteam dankend. „Das passt nicht zu uns“, sagt Redeleit.
Es passt aber umso besser zu Redeleit und Junker, dass das Unternehmen sich 2017 als Benefit Corporation (B Corp) zertifizieren lies – als erste Agentur in Deutschland. B Corps sind Unternehmen, die nicht nur auf Gewinn achten, sondern ebenso die positive Wirkung auf Gesellschaft und Umwelt in den Mittelpunkt rücken. Die Non-Profit-Organisation B Lab vergibt das Siegel an Firmen, die Nachhaltigkeitsstandards in allen Bereichen des Unternehmensalltags integrieren. Zurzeit gibt es mehr als 5.000 B Corps in 77 Ländern, darunter bekannte Marken wie The Body Shop, Ben & Jerry’s, Patagonia, Weleda, Alpro und Ecover.
Anspruchsvolle Zertifizierung
Für die Zertifizierung müssen Unternehmen einen Fragebogen mit Punktesystem beantworten und dabei 80 bis 200 Punkte erreichen. Obwohl das gesamte Team bei Redeleit und Junker Nachhaltigkeit sehr ernst nimmt, reichte es nicht auf Anhieb für eine Zertifizierung. „Wir mussten uns ordentlich anstrengen“, erinnert sich Benjamin Redeleit. Beim zweiten Anlauf klappte es dann, aber nur knapp mit 81 Punkten.
Allerdings ging es dem Agentur-Chef ohnehin nicht primär um das Siegel, sondern um die konsequent-nachhaltige Ausrichtung der Agentur anhand transparenter Kriterien. „Ein Grund, sich für B Corp zu entscheiden, war der Austausch mit anderen, die den Weg, den wir gehen wollten, längst beschritten haben.“ Nur waren das bisher vor allem Industrieunternehmen. Was also bedeutet es, nachhaltige Dienstleistungen anzubieten? Wie lassen sich Werte bemessen? Fragen, die das gesamte Agentur-Team bewegten, vor allem aber Michaela Menk. Sie ist Assistentin der Geschäftsführung und verantwortet den bis zu acht Monate dauernden Zertifizierungsprozess, für dessen Koordination und Aufbereitung sie selbst allein einen Monat Arbeitszeit investiert. „Das ist schon sehr bürokratisch, alles muss dokumentiert werden, alle Zahlen nachvollziehbar sein“, so Menk.
Redeleit und Junker arbeitet klimaneutral
Ein paar Fakten aus dem Emissionsbericht 2021: Pro Person hat das 16-köpfige Agenturteam 1,33 Kubikmeter Wasser verbraucht und insgesamt 2.261 Kilowattstunden Ökostrom. Die Agentur arbeitet klimaneutral, unvermeidbarer CO2-Ausstoß wird über Klimaschutzprojekte kompensiert. In der Agentur-Küche finden sich ausschließlich Bio-Produkte, der Müll wird akribisch getrennt, alle notwendigen Fahrten zu Kunden werden über Rad, Bahn oder – im Ausnahmefall – einen Mietwagen zurückgelegt. Firmenwagen gibt es nicht.
Mit Kund*innen – dazu zählen der Bioverband Demeter, der Bauckhof Amelinghausen, die Naturkostsafterei Völkel und einige Hotels – wird im Sinne einer ganzheitlich-nachhaltigen Markenstrategie auch über den Öko-Standard des Papiers für Flyer diskutiert, bei Websites zu klimaneutralen Servern geraten. Einige B-Corp-Kriterien waren aber auch schwierig zu erfüllen, erzählt Menk: „Wir wurden bei der Zertifizierung auch gefragt, ob wir Mitarbeitende mit Behinderung oder mit Migrationshintergrund beschäftigen, weil Diversität und Chancengleichheit wichtige Bestandteile der Nachhaltigkeit sind. Aber solche Bewerbungen haben uns zum Zeitpunkt der ersten Zertifizierung gar nicht erreicht.“
Parität in der Geschäftsführung
Eine weitere B-Corp-Vorgabe ist, dass als Geschäftspartner*innen bevorzugt Firmen ausgewählt werden sollen, deren Führung paritätisch besetzt ist. “Uns ist bewusster geworden, dass diverse Teams bessere Unternehmens-Entscheidungen treffen, unsere Geschäftsführung aber lange Zeit auch aus zwei Männern bestand”, sagt Benjamin Redeleit, der die Agentur zusammen mit Nils Junker gegründet hat und mit ihm auch die Geschäftsführung übernommen hatte. Nach dem Rücktritt von Junker treffen jetzt Redeleit und drei Kolleginnen, darunter Michaela Menk, wichtige Entscheidungen. Langfristig soll eine Frau zweite Geschäftsführerin werden.
Bei der Rezertifizierung zur B Corp 2021 erreichte die Agentur 98 Punkte und wurde für die überdurchschnittliche Verbesserung im Bereich Unternehmensführung im vergangenen Jahr als „Best for the World“ von B Corp ausgezeichnet. „Darauf sind wir stolz, es war eine Teamleistung. So ein Zertifikat sagt allein ja nichts aus, wenn die Idee dahinter nicht von allen getragen wird“, betont Redeleit.
Nachhaltigkeit im Handeln des gesamten Teams verankert
Dass Nachhaltigkeit Teil der Organisationsidentität bei Redeleit und Junker ist, kann Dr. Iris Lietzke-Prinz bestätigen. Die Wissenschaftlerin der Leuphana Universität Lüneburg hat zusammen mit einer Kollegin das Agenturteam für ein Forschungsprojekt befragt. „Uns hat beeindruckt, wie tief im gesamten Team Nachhaltigkeit als Wert im individuellen und wirtschaftlichen Handeln verankert ist. Die B-Corp-Zertifizierung hat sicher dazu beigetragen, sich dessen bewusster zu werden und Prozesse noch weiter zu professionalisieren“, so Lietzke-Prinz.
Vorbild ohne missionarischen Auftrag
Die nächsten Ziele der Agentur: „Eine klimapositive Bilanz“, sagt Benjamin Redeleit, auch das Thema „Cradle to Cradle“ – die durchgängige und konsequente Kreislaufwirtschaft – bewege das Team. „Nachhaltigkeit ist ein Prozess, kein Zustand“, erklärt er den Willen zur kontinuierlichen Verbesserung. Für eine, wie er sagt, „enkeltaugliche Zukunft“ setzt sich die Agentur seit 2021 auch im Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (BNW) ein, „weil der BNW in die Politik hinein wirkt. Die Rahmenbedingungen mitzugestalten ist essenziell“.
Allem Engagement für eine nachhaltige Wirtschaft zum Trotz, will Redeleit sich nicht als „moralische Instanz“ verstanden wissen. „Das wäre überheblich. Und nur weil das, was wir machen, gut für unseren Wirkungsbereich ist, muss das nicht für alle gelten.“
Dass die Agentur kontinuierlich daran arbeite, sich zu verbessern, die Rolle einer „Klassenstreberin“ aber von sich weise, mache Redeleit und Junker besonders glaubwürdig, findet Leuphana-Wissenschaftlerin Lietzke-Prinz: „Die Agentur hat einen festen Standpunkt und ist dennoch nicht missionarisch unterwegs – fast schade eigentlich.“ Sandra Bengsch
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Sandra Bengsch