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Nachhaltigkeit als Notwendigkeit
Steigende Energiepreise, Lieferkettengesetz, Klimaschutz und Green Deal – die Anforderungen, denen kleine und mittelständische Unternehmen ausgesetzt sind, werden immer anspruchsvoller. Wer heute keine betrieblichen Maßnahmen ergreift, um seine Energieeffizienz zu steigern und sich regenerativen Energien zu öffnen, läuft Gefahr, in der Zukunft den Anschluss zu verlieren. Spätestens der Krieg in der Ukraine hat gezeigt, wie wichtig ein gewisses Maß an Autarkie ist. Und so ist nachhaltiges Wirtschaften in all seinen Facetten längst kein Lippenbekenntnis mehr – sondern absolute Notwendigkeit.
Ein Betrieb, der dies bereits vor Jahren erkannt hat, ist die Koetke-Unternehmensgruppe, zu der mittlerweile 300 Mitarbeitende im In- und Ausland zählen. „Als energieintensives Unternehmen ist das Thema Effizienz natürlich eines, das uns ständig begleitet“, sagt Thomas-Marten Kötke, Geschäftsführer der Kunststoffverarbeitung Koetke GmbH, die 1979 von seinem Vater gegründet wurde. Allein in dem von ihm geleiteten Unternehmenszweig in Reinstorf werden pro Jahr 3,3 Millionen Kilowattstunden verbraucht. „Wir setzen auf eine sogenannte strukturierte Beschaffung, kaufen also einen Teil des Stroms auf dem Termin- und den anderen auf dem Spotmarkt ein.“ Da man sukzessiv komplett auf CO2-neutralen Strom umgestellt habe, habe man in den vergangenen acht Jahren 95 Prozent der CO2-Emissionen vermeiden können.
Tatsächlich verfügt Koetke seit 2015 über ein zertifiziertes Energie- und seit 2022 über ein Umweltmanagementsystem. Stellschrauben gebe es viele – einige davon „Low Hanging Fruits“, wie der 50-Jährige es nennt. Dazu gehöre der Einkauf von CO2-neutralem Strom genauso wie die Umstellung auf LED-Leuchten, die bessere Isolierung beheizter Maschinen oder Mülltrennung. „Wie in der Branche üblich, verfügen auch wir über einen internen Recyclingkreislauf“, sagt Kötke. Aufwendiger war da etwa schon der Umbau der bestehenden Druckluftanlage, deren Abwärme durch einen Wärmetauscher in den Heizungskreislauf der eigenen Büro- und Verwaltungsgebäude eingespeist wird. „Wir konnten den dortigen Verbrauch auf diese Weise um 85 Prozent reduzieren.“
Die unabhängige Nutzung erneuerbarer Energien, ein persönliches Anliegen von Thomas-Marten Kötke, gestaltet sich bis dato schwierig: „Die Statik unserer Hallen macht eine Fotovoltaik-Anlage auf dem Dach unmöglich, und auch wenn im Landkreis Uelzen viel Fläche für Windkraft existiert, wird es noch eine Weile dauern, bis dort Windräder stehen.“
Planung ist wichtig: Ein interdisziplinäres Team prüft regelmäßig neue Schritte im Unternehmen. Langfristig geht es bei Koetke zudem um die Erschließung neuer Märkte – ein Großteil des Umsatzes wird durch Teile für Brennwertkessel erzielt, bei denen ein Rückgang zu erwarten ist. Allerdings produziert das Werk auch Kunststoffteile für die Autoindustrie, die besonders langlebig sind. „Es sind Weitblick und Offenheit gefragt, denn der Weg ist noch lang“, sagt der Unternehmer. „Jeder muss sehen, was er bewegen kann, und wir wollen den Hebel nutzen, der uns zur Verfügung steht.“
Treiber beim Nachhaltigkeitsthema sind längst auch die Unternehmens-Kund*innen, die etwa im Kontext des Lieferkettengesetzes ihren eigenen CO2-Fußabdruck im Auge behalten wollen. Und auch Banken wollen wissen, wie zukunftsfähig sich Unternehmen aufgestellt haben. „Wenn Betriebe bereit sind, Technologien umzustellen, wird auch die Förderkulisse interessant“, sagt Lars Böker, Berater für Nachhaltiges Wirtschaften in unserer IHK Lüneburg-Wolfsburg (IHKLW). Da Förderungen durch Land und Bund jedoch mit recht hohen Hürden verbunden seien, würden diese vergleichsweise wenig genutzt. „Laut einer aktuellen Umfrage zur Energieversorgung haben Wirtschaftshilfen gerade einmal 16 Prozent der Unternehmen erreicht“, so Böker. Damit noch mehr Unternehmen erfahren, wie sie ihren Energieverbrauch reduzieren, den Ressourceneinsatz optimieren und Geschäftsprozesse nachhaltiger gestalten können, besucht er zusammen mit weiteren Expert*innen Unternehmen – im Rahmen der „Beratungstour“ für das produzierende Gewerbe.
„Wir schauen ganz individuell, wo der Schuh drückt und suchen nach Lösungsansätzen. Natürlich gibt es eine Fülle an Themen, aber ein Transformationsprozess ist machbar“, sagt der IHKLW-Berater. Netzwerke seien dabei sinnvoll: Ein Beispiel ist das IHKLW-Industrieforum, zuletzt Gastgeber einer Veranstaltung zum Thema „Energieträger der Zukunft“ war Drewsen Spezialpapiere aus Lachendorf.
„Als einer der ältesten Papierproduzenten kann unser Unternehmen auf eine Tradition von 485 Jahren zurückblicken. Da denkt man automatisch an lange Zukunftsperspektiven“, sagt Ludger Benien, Leiter der Technik. Seit 2009 arbeitet der promovierte Ingenieur für Drewsen – der Transformationsprozess trägt auch seine Handschrift. Neben der Erschließung neuer Produktfelder unter dem Motto „Papier statt Plastik“, Beispiel Trinkhalme, geht es vor allem um die nachhaltige Energieversorgung der energieintensiven Papierproduktion. Das Ziel ist ehrgeizig: „Bis 2045 wollen wir komplett klimaneutral arbeiten. Und bis 2030 bereits 80 Prozent des Weges zurückgelegt haben.“
Damit diese Ziele erreicht werden, muss die Energieversorgung des Unternehmens komplett umgestellt werden. 120 Millionen Euro sind dafür in den kommenden zehn Jahren vorgesehen. Um unabhängiger zu werden, setze man auf Energiequellen wie Windkraft, Fotovoltaik und Biomasse. „Da jede Reise mit dem ersten Schritt beginnt, hat Drewsen im vergangenen Jahr drei bestehende Windanlagen gekauft. Fünf weitere Neuanlagen sind aktuell in der Genehmigungsplanung.“ Ende 2022 hat das Unternehmen die erste eigenen Fotovoltaikanlage in Betrieb genommen – 16.000 Quadratmeter groß. „Eine zweite Anlage mit der zehnfachen Leistung soll zum Jahresende folgen. Damit können wir den Fremdstrombedarf aus dem öffentlichen Netz schon decken.“
Das nächste Projekt? Biomasse wie Holz oder Stroh statt Erdgas. Erst vor Kurzem hat sich Benien ein entsprechendes Kraftwerk in Dänemark angeschaut, das als Vorbild dienen kann. „Eine herausfordernde, aber auch hochspannende Zeit“, findet der 58-Jährige. „Ich denke, in zehn oder 15 Jahren werden nur noch diejenigen erfolgreich sein, die den Wandel geschafft haben. Wegducken geht nicht.“ Alexandra Maschewski
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Sandra Bengsch