Quell der Energie

Die Tiefengeothermie könnte entscheidend für die Energiewende sein. Im Heidekreis bereiten die Stadtwerke Soltau Bohrungen für die Suche nach einem Reservoir vor. Die Hoffnungen sind groß – aber das Risiko auch.
Island macht es vor – dort sind die wichtigste Energiequelle heiße Quellen. Erdwärme wird durch Geothermiekraftwerke für die Raumheizung, aber auch zur Stromproduktion genutzt. In Zeiten hoher Energiekosten wird diese Technologie nun auch in Deutschland immer interessanter.
Bislang ist Geothermie noch eher unterbelichtet, deutschlandweit gibt es laut Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) 42 Anlagen, davon 39 zur Wärmenutzung – jedoch mit einer Gesamtwärmeleistung von gerade mal 350 Megawatt. Etwa so viel wie die Leistung eines größeren Kohleheizkraftwerks. Ende 2022 startete das BMWK einen Konsultationsprozess zur besseren Nutzung von Erdwärme. Das „große Potenzial der Geothermie für eine klimaneutrale Wärmeversorgung“ sei bislang „nur unzureichend erschlossen“. Dieses soll nun näher untersucht und mit Bun-desländern, Verbänden und Unternehmen angegangen werden. Ziel ist es, bis 2030 zehn Terawattstunden aus Geothermie in die Wärmenetze einzuspeisen. Dafür müssen mindestens 100 entsprechende Projekte angestoßen werden.
Eine bereits bekannte Region mit bestehender tiefengeothermischer Nutzung ist das Norddeutsche Becken, das sich von Süd-Niedersachsen bis Nord- und Ostsee zieht und laut einem Strategiepapier von Fraunhofer Institut und Helmholtz-Gemeinschaft in 4.000 bis 5.000 Metern Tiefe Temperaturen zwischen 130 und 160 Grad hat. Bislang wird in Niedersachsen aber noch nicht mit Tiefengeothermie gearbeitet.
Das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) hat den Stadtwerken Uelzen GmbH das „Erlaubnisfeld Uelzen I“ und den Stadtwerken Soltau GmbH & Co. KG zum Dezember 2022 das knapp 109 Quadratkilometer große „Erlaubnisfeld Soltau“ zur Aufsuchung von Erdwärme zu gewerblichen Zwecken zugeteilt. Die Hoffnungen im Landkreis Heidekreis sind groß. „Erdwärme kann sich zu einer der wichtigsten Energiequellen der Zukunft entwickeln“, so LBEG-Präsident Carsten Mühlenmeier. Das LBEG, das nicht nur Bergbehörde, sondern auch Niedersächsischer Geothermiedienst ist, hat landesweit zehn Erlaubnisse zur Aufsuchung von Erdwärme erteilt, die Hälfte davon 2022.
Tatsächliche sogenannte Aufsuchungshandlungen dürfen allerdings erst nach Zulassung bergrechtlicher Betriebspläne erfolgen, für die unter anderem ein gesondertes Beteiligungsverfahren nötig ist. Dazu arbeiten die Stadtwerke Soltau nach einer positiv bewerteten Vorstudie nun mehr als ein Jahr nach Beginn des Projekts an der für die Probebohrungen geforderten, umfangreicheren Machbarkeitsstudie. Man sei „kurz vor Beauftragung“ – „2024 rechnen wir mit den Ergebnissen“, so der Leiter des Netzmanagements bei der Stadtwerke Soltau GmbH & Co. KG, Frank Brembach. Da­rauf folgende Schritte wären ein Rahmenbetriebsplan und die Genehmigungen für die Aufsuchung. „Es liegt also noch ein langer, kostenintensiver Weg vor uns, den wir jetzt Schritt für Schritt abarbeiten.“ Er rechnet mit weiteren fünf bis zehn Jahren Vorarbeit und „erheblichen Millionenbeträgen an Investitionen“.
Tatsächlich sieht auch das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung die hohen Investitionskosten neben dem Risiko, überhaupt etwas zu finden, das der erforderlichen Qualität entspricht, als die große Herausforderung. „Um die finanziellen Risiken abzumildern, möchte die Landesregierung ein millionenschweres, landesweites Förderprogramm zum Umsetzen mitteltiefer und tiefer Geothermie-Projekte in Niedersachsen aufstellen“, heißt es auf Anfrage aus dem Ministerium. Über die Instrumente – etwa Bürgschaften, Investitionszuschüsse oder anderes – werde noch abgestimmt.
Minister Olaf Lies ist aber sicher: „Geothermie ist eine Schlüsseltechnologie der Energiewende und dabei insbesondere der Wärmewende. Ich bin davon überzeugt, dass das erfolgreiche Umsetzen unserer ersten Leuchtturmprojekte einen kräftigen Impuls für vielfältige weitere Tiefengeothermie-Vorhaben in Niedersachsen aussenden wird.“ Schon jetzt gebe es aussichtsreiche Projekte, „die aber aufgrund der bestehenden Risiken bei einer Realisierung nicht umgesetzt werden können“. Da sollen die geplanten Programme ansetzen.
Die Tiefengeothermie steht also bislang noch am Anfang. Stromerzeugung lohnt sich ab etwa 110 Grad Celsius Wassertemperatur. „Ob wir in Soltau tatsächlich in 5.000 Metern Tiefe bis zu 150 Grad heißes Wasser finden oder nur in 1.200 Metern etwa 65 Grad heißes Wasser hochpumpen können, wissen wir jetzt noch nicht“, gibt Experte Brembach zu bedenken. Zudem müsse das Gestein entsprechend wasserdurchlässig sein, auch, um anschließend kaltes Wasser zurück-zupumpen – „das ist oft eine große Schwierigkeit“: „Insgesamt sind noch viel Ingenieursarbeit und Berechnungen zu leisten, um abschließend bewerten zu können, ob Geothermie in Soltau überhaupt wirtschaftlich ist.“ Falls dies aber der Fall wäre, könnte das Wärmenetz der Stadt unabhängig von fossilen Energien betrieben werden.
Experten wie Thor Növig, Vorstandsvorsitzender des Netzwerks GeoEnergy Celle e.V., kritisieren, dass sich die Politik bei den erneuerbaren Energien „in den letzten 25 Jahren einseitig auf Strom fokussiert und die Wärme sträflich vernachlässigt“ hat. Während die oberflächennahe Geothermie mit Wärme-pumpen eine gute Lösung für kleinere Gebäude sei, müsse die tiefer liegende Geothermie für große Heizzentralen mit industriellen Großwärmepumpen genutzt und durch noch auszubauende Nah- und Fernwärmenetze großflächig genutzt werden. Eine Schlüsselrolle haben demnach die Stadtwerke. „Sie müssen sich umbauen zu Wärmelieferanten. Das scheint in Soltau angekommen zu sein“, so Növig. Um bis 2030 die Hälfte der Heizwärme in Deutschland klimaneutral herstellen zu können, wie geplant, „gibt es noch viel zu tun“.
Anne Klesse
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