Verkehr intelligent steuern

Es gibt Trends im Bereich urbaner Mobilität, die funktionieren zwar in Metropolen wie Hamburg oder Berlin – aber nicht in Städten wie Wolfsburg. Car-Sharing zum Beispiel. „Für solche Angebote fehlt die Dichte“, sagt Dr. Sascha Hemmen. „Wir brauchen andere Bausteine, wenn wir über den Verkehr der Zukunft nachdenken.“
Hemmen leitet das Referat Digitalisierung und Wirtschaft, das in Wolfsburg für die Umsetzung des „Modellprojekts Smart Cities“ des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen verantwortlich ist.
Im Herbst 2019 mit der Strategiephase gestartet, begann Anfang 2022 die Umsetzung des Projekts. 15 Millionen Euro stehen für Phase zwei aus Berlin bereit, damit Wolfsburg unter anderem smarte Verkehrslösungen entwickelt, die später auf andere Kommunen übertragbar sein können.
Sascha Hemmen steht mit einem Bein auf einem E-Roller, mit dem anderen auf dem Radweg.
Ob E-Roller, Bus oder Rad - viele Verkehrsmittel führen in Wolfsburg ans Ziel. Sascha Hemmen von der Stadt Wolfsburg arbeitet mit seinem Team an einem multimodalen Angebot, bei dem die Menschen an Stationen die Verkehrsmittel flexibel wechseln können. © Andreas Tamme/tonwert21.de
Baustein Nummer eins ist dabei die Schaffung eines multimodalen Angebots, um den Anteil des Individualverkehrs zu senken, erklärt Hemmen: „Es geht darum, Verkehrsmittel zu mixen. An Mobilitätsstationen, also Verkehrsschwerpunkten, sollen die Menschen flexibel wechseln können: zum Beispiel vom Auto auf den E-Scooter oder vom Rad auf den Bus.“ Zurzeit arbeite die Stadt an einem Konzept für solche Stationen.
Baustein Nummer zwei besteht aus Ideen, den nicht verzichtbaren Individualverkehr flüssiger zu gestalten. „An großen Kreuzungen und den wichtigen Einfallstraßen könnten wir das Verkehrsaufkommen zählen, zum Beispiel per Sensorik an den Autos oder an den Ampeln“, sagt Hemmen. Aus diesen Daten ließen sich Modelle entwickeln, die den Verkehr dynamisch steuern. Eine vierspurige Einfallstraße etwa könnte je nach Verkehrsaufkommen in drei und eine Spur je Richtung geteilt werden, und über die Navigationsgeräte könnten Autofahrer auf andere Straßen gelenkt werden, die gerade weniger voll sind als die genutzte.
„Zurzeit überlegen wir, auf welchem Weg sich die Daten am besten erheben lassen“, sagt Hemmen. Modellberechnung, Steuerung und Prognosen seien noch Zukunftsmusik. Die dafür notwendige Datenplattform haben die Stadtwerke Wolfsburg entwickelt. Die sogenannte Offene Digitale Datenplattform können auch andere Kommunen verwenden. Genutzt wird sie bereits jetzt bei der Tiefgarage des Kunstmuseums Wolfsburg: Dort befinden sich 55 Wallboxen zum Laden von E-Autos. Ob davon welche frei sind, wird zukünftig vor der Einfahrt auf einer Anzeigentafel zu sehen sein. Und wenn Sascha Hemmen einen Wunsch frei hätte, dann wüssten bereits die Navigationsgeräte, ob alle Ladesäulen besetzt sind oder nicht.
Wenn der Referatsleiter an den Verkehr der Zukunft denkt, dann denkt er auch an den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). „Die Kolleginnen und Kollegen des Referats Daten, Strategien und Stadtentwicklung arbeiten schon an dem Konzept der flexiblen Bedienformen.“ Auch die Logistik bleibe ein spannendes Feld: Könnte der Bus nicht auch Pakete ausliefern? „Das Thema ist komplex, eine Lösung gibt es noch nicht“, sagt Hemmen. „Aber wir geben nicht auf.“ Carolin George
IHKLW-Positionspapier “Urbane Mobilität”
Die Vollversammlung unserer IHK Lüneburg-Wolfsburg (IHKLW) plädiert im Thesenpapier “Urbane Mobilität” (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 349 KB)für einen ganzheitlichen Ansatz, der alle Verkehrsträger und deren mögliche Nutzerinnen und Nutzer einschließt.