20.06.2024

BEG IV als Chance für spürbaren Bürokratieabbau nutzen

Bürokratieabbau ist der beste Weg, um aus dem derzeitigen Konjunkturtief zu kommen.
Für einen spürbaren Abbau der Bürokratie hat die Wirtschaft viele Vorschläge eingebracht. Jetzt sollten sie vom Bundestag umgesetzt werden.
Am 5. Juni 2024 hat die DIHK als Sachverständige an der Anhörung des Rechtsausschusses des Bundestages zum Vierten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) teilgenommen. In ihrer Stellungnahme, die die DIHK dem Rechtsausschuss zur Verfügung gestellt hat, stellt sie die wachstums- und innovationshemmenden Wirkungen der hohen Bürokratiebelastungen der Wirtschaft dar. Insbesondere angesichts der noch bevorstehenden bürokratischen Belastungen durch das europäische Lieferkettengesetz und der derzeit noch in der Umsetzung befindlichen Nachhaltigkeitsberichterstattung benötigen die Unternehmen dringend einen ambitionierten Befreiungsschlag zum Bürokratieabbau. Initiativen wie das BEG IV, der Deutschland-Pakt oder die Anhebung der KMU-Schwellenwerte sind zwar wichtige Schritte zum Bürokratieabbau, sollten jedoch in der Praxis zu spürbaren Entlastungen führen. Hierfür sollten die grundsätzlich zu begrüßenden Maßnahmen des BEG IV nachgebessert und das Gesetz um weitere Entlastungen angereichert werden.

Richtige Maßnahmen mit Nachbesserungspotenzial

Eine zentrale Maßnahme des BEG IV ist die Verkürzung der handelsrechtlichen und steuerlichen Aufbewahrungspflichten für Buchungsbelege und Rechnungen von zehn auf acht Jahre. Da die revisionssichere Aufbewahrung der relevanten Unterlagen in physischer oder digitaler Form erhebliche Kosten verursacht, ist die Maßnahme grundsätzlich ein richtiger Schritt. Allerdings existieren weitere Fristläufe, zum Beispiel im Bereich der steuerlichen Festsetzungsverjährung, die ebenfalls angepasst werden sollten.
Besser wäre es deshalb, wenn der Gesetzgeber das BEG IV nutzen würde, um die Aufbewahrungsfristen von Buchungsbelegen im Handels-, Steuer- und Strafrecht einheitlich auf fünf Jahre zu reduzieren. Das hätte zudem den positiven Effekt, dass der Gesetzgeber der vielfach von den Unternehmen eingeforderten Beschleunigung von Betriebsprüfungen Rechnung tragen könnte. Aus unserer Sicht wäre es durchaus möglich, dass Finanzbehörden Betriebsprüfungen auch innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren abschließen, wenn Finanzbehörden und Unternehmen in einem kooperativeren Ansatz zusammenarbeiten würden.
Außerdem sollte das Nachweisgesetz weiter nachgebessert werden. Der Regierungsentwurf des BEG IV enthält noch den Vorschlag, die Informationspflichten nach dem Nachweisgesetz anstatt durch einen schriftlichen Arbeitsvertrag durch einen in elektronischer Form geschlossenen Arbeitsvertrag beziehungsweise Änderungsvertrag zu erfüllen, soweit dieser die wesentlichen Vertragsbedingungen enthält. Ende März wurde angekündigt, dass diese Nachweispflicht künftig auch in Textform erfüllt werden kann. Diese Ankündigung ist aus Sicht der Wirtschaft ein richtiger Schritt, denn der Zweck des Nachweisgesetzes ist es, den Arbeitnehmer über geltende Regelungen zu informieren. Eine besondere Beweis- oder Warnfunktion ist also zu verneinen, weil es ausschließlich um eine Dokumentation geht.
Gleichwohl sollte die Erleichterung auch für Arbeitsverträge gelten, die eine Altersbefristung vorsehen und eine entsprechende Klarstellung im BEG IV aufgenommen werden. Grundsätzlich ist der Abschluss von Arbeitsverträgen formfrei möglich – es sei denn, sie sind befristet. Nach § 14 Abs. 4 TzBfG bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrages aber der Schriftform. Dieses Schriftformerfordernis gilt laut Bundesarbeitsgericht auch für Arbeitsverträge, die eine Altersgrenzenregelung enthalten – und zwar eine solche, die das Arbeitsverhältnis mit Erreichen der Altersgrenze beendet. Deshalb führen die angekündigten Nachbesserungen am Nachweisgesetz für Arbeitsverträge mit Altersgrenzenregelung zu keinen Entlastungen. Hier eine andere Form als die Schriftform zuzulassen, wäre eine echte Erleichterung für die Unternehmen und die Arbeitnehmenden.

Spürbaren Bürokratieabbau durch zusätzliche Maßnahmen

Der Regierungsentwurf des BEG IV prognostiziert eine Entlastungswirkung von etwa 1 Milliarde Euro und ist zentraler Teil eines 3 Milliarden Euro umfassenden Bürokratieabbau-Pakets der Bundesregierung. Angesichts jährlicher Bürokratiekosten, die laut dem Nationalen Normenkontrollrat bei 65 Milliarden Euro liegen, sollte das BEG IV um weitere Entlastungsmaßnahmen erweitert werden. Entsprechende Vorschläge hat die Wirtschaft beispielsweise im Rahmen der Verbändeabfrage des Bundesministeriums der Justiz aus dem Frühjahr 2023 vorgelegt. Auch in ihrer Stellungnahme nennt die DIHK erneut etwa 90 bürokratische Normen, die angegangen werden könnten.
Am 1. Januar 2023 hat die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) die Papierfassung der AU ersetzt. Um die eAU an den Arbeitgeber zu bringen, melden die Arztpraxen der Krankenkasse die notwendigen Informationen wie Dauer der Krankschreibung. Insbesondere für kleinere Betriebe führt diese Regelung jedoch häufig zu Belastungen. Immer wieder kommt es zu Abrufen, die erst im späteren Verarbeitungsprozess auffallen und dann sowohl bei Beschäftigten wie auch in den Unternehmen zu erneuten Melde- und Abrufprozessen führen. Komplex wird es auch, wenn Betriebe ihre Gehaltsabrechnung von externen Dienstleistern durchführen lassen. Die Lösung: Die Dauer der Krankschreibung sollte automatisch und datenschutzkonform von der Krankenkasse an den jeweiligen Arbeitgeber übermittelt werden.
Ein anderes Beispiel für Ergänzungsmöglichkeiten liegt im Energieeffizienzgesetz. Das Energieeffizienzgesetz verpflichtet Unternehmen mit einem jährlichen Gesamtenenergieverbrauch von mindestens 2,5 GWh zur Vermeidung und Nutzung von Abwärme. Dabei mangelt es jedoch an einer Fokussierung auf wesentliche und relevante Abwärmepotenziale, weshalb selbst Wasserkocher oder Toaster von der Regelung erfasst sind. Da relevante Abwärmethemen ohnehin im Rahmen von Energieaudits und -managementsystemen berücksichtigt werden, könnte der maßgebliche Paragraph im Energieeffizienzgesetz sogar gänzlich gestrichen werden (§ 16 EnEfG).

Schnellere Verwaltungsvorgänge durch Digitalisierung

Auch die Digitalisierung ist ein zentraler Schlüssel für den Abbau von Bürokratie. Vollends digitale Verfahren ermöglichen schnellere Prozesse und öffnen die Tür für Weiterentwicklungen, zum Beispiel durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz. Allerdings stellen Schriftformerfordernisse noch für viele Digitalisierungsprojekte der öffentlichen Hand eine Herausforderung dar und sind aus Sicht der Unternehmen eines der Haupthemmnisse für Verwaltungsdigitalisierung. Deshalb sollten diese im Unternehmenskontext umfassend abgebaut beziehungsweise ersetzt werden.
Die Stellungnahme der DIHK ist unter folgendem Link zu erreichen:
Aus dem Steuer-Newsletter der DIHK (Ausgabe Nr. 6/2024)