Öffentliches Auftragswesen

Leistungsfähigkeit kann durch Eignungsleihe nachgewiesen werden

In einer Entscheidung der Vergabekammer des Bundes wird der Unterschied zwischen allgemeiner Eignung und Eignungsleihe im öffentlichen Auftragswesen deutlich gemacht.
In einem Vergabeverfahren muss ein Bieter eigene Leistungsfähigkeit nachweisen – dies schließt Eignungsleihe, das heißt von einem anderen Marktteilnehmer zur Verfügung gestellte Ressourcen, nicht aus. Der Umstand, dass der Auftraggeber in Ausschreibungsunterlagen formuliert, der Bewerber habe "seine" Leistungsfähigkeit nachzuweisen, ist kein Hinweis auf einen Ausschluss der Eignungsleihe.
Grundsätzlich können jedoch Auftraggeber eine Eignungsleihe ausschließen, wenn besondere oder außergewöhnliche Umstände vorliegen, die die Selbstausführung durch den Auftragnehmer erfordern. Diese können sich auch aus der Eigenart oder den Zielen des zu vergebenden Auftrags ergeben. Dann muss der Auftraggeber diesen Ausschluss in den Vergabeunterlagen deutlich formulieren.
Der Hintergrund:
Durchgeführt wurde ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb zur Vergabe der telemedizinischen Versorgung nach SGB V. Zum Nachweis der Eignung hatten Bewerber unter anderem Referenzprojekte anzugeben. Dazu hieß es in der EU-Bekanntmachung: "Der Bewerber weist detailliert seine Eignung bezüglich der Durchführung vergleichbarer Referenzprojekte für gesetzlich Krankenversicherte nach." Ein Bieter sollte den Zuschlag erhalten. Ein nichtberücksichtigter Bieter stellte daraufhin einen Nachprüfungsantrag mit der Begründung, dass der Bestbieter die Referenz nicht selbst vorweisen könne und eine Eignungsleihe in der Ausschreibung nicht vorgesehen sei.
Die Vergabekammer des Bundes kam zu dem Beschluss, dass der Antrag unbegründet sei. Nach § 47 VgV kann sich ein Bieter zum Nachweis seiner Leistungsfähigkeit grundsätzlich auf die Kapazitäten anderer Unternehmen berufen, wenn er nachweist, dass ihm die erforderlichen Mittel tatsächlich zur Verfügung stehen. Ob ein Ausschluss der Eignungsleihe - wie ihn der öffentliche Auftraggeber zunächst erwogen hat - in vergaberechtskonformer Weise nach § 69 Abs. 4 Satz 3 SGB V möglich wäre, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
Ein ausdrückliches Verbot der Eignungsleihe hat der Auftraggeber weder in der Bekanntmachung noch in den Vergabeunterlagen ausgesprochen. Der Umstand, dass der Auftraggeber formulierte, der Bewerber habe "seine" Leistungsfähigkeit nachzuweisen, ist kein Hinweis auf einen Ausschluss der Eignungsleihe. Die Eignungsleihe bewirkt gerade, dass sich ein Bieter auf fremde Fähigkeiten berufen darf, um die eigene Eignung, also "seine" Leistungsfähigkeit, zu belegen.
Die Vergabeunterlagen enthalten sogar an zahlreichen Stellen Hinweise darauf, dass die Eignungsleihe zugelassen ist. Der Bestbieter hatte seine Eignung durch Vorlage der Referenz und der Verpflichtungserklärung des Eignungsverleihers nachgewiesen. Dieser verfügt über eine Referenz, die den Anforderungen der Ausschreibung genügt. Er hat zudem mit seiner Erklärung die verbindliche Zusage gegeben, dem Bieter die für die Ausführung des Auftrages erforderliche Mittel uneingeschränkt zur Verfügung zu stellen. Dabei ist unerheblich, dass im Rahmen des Referenzauftrags andere Personen tätig waren. Im Übrigen ist jede Ausschreibung isoliert zu betrachten. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Auftraggeber in früheren Vergabeverfahren abweichende Vorgaben gemacht hat.
  • VK Bund, Beschluss vom 29. April 2021 (AZ: VK 2-5/21)/
Stand: 03.01.2023