Öffentliches Auftragswesen

Aufhebung von Vergaben birgt Schadensersatzmöglichkeit

Die Vergabekammer Sachsen hat über ein EU-Verfahren zu Bauarbeiten eines Schulgebäudes geurteilt, dass die Aufhebung eines Vergabeverfahrens ohne anerkannten Aufhebungsgrund eine Schadensersatzpflicht begründen kann.
Der Wirksamkeit der Aufhebung eines Vergabeverfahrens stehen sachliche Gründe außerhalb der rechtmäßigen Aufhebungsgründe des § 17 EU VOB/A 2016 nicht entgegen. Liegt jedoch kein rechtfertigender Aufhebungsgrund vor, können sich Bieter mit berechtigen Schadensersatzforderungen an öffentliche Auftraggeber wenden, obwohl die Vergabestelle nicht zur Beauftragung eines Bieters verpflichtet ist.
Die Vergabekammer Sachsen stellt in diesem Zusammenhang gleichfalls klar, dass Änderungen der Eignungskriterien, wenn sie sachlich begründet sind, über europaweite Änderungsbekanntmachungen erfolgen müssen.
Tipp: Bevor Sie Ihr gutes Recht einklagen, kalkulieren Sie Aufwand und Kosten für eine Schadensersatzklage genau. Berücksichtigen Sie neben den rechnerischen Kosten auch den eigenen personellen Aufwand sowie ihr Ansehen bei der Vergabestelle hinsichtlich zukünftiger Aufträge.
Der Fall:
Der öffentliche Auftraggeber schrieb im Supplement zum Amtsblatt der EU im Wege eines offenen Verfahrens Bauarbeiten für einen Staukanal i. R. d. Modernisierung und Erweiterung eines Schulgebäudes aus. Auf die Vorgaben zur technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit wurde in Ziff. III. 1.3 der Bekanntmachung verwiesen. Danach standen die Auftragsunterlagen für einen uneingeschränkten und vollständigen direkten Zugang gebührenfrei unter einer eVergabe-Plattform zur Verfügung.
Einziges Wertungskriterium für den Zuschlag war der Preis. Nach erfolgter europaweiter Bekanntmachung informierte die Vergabestelle unter Hinweis auf eine Bieterfrage über den Vergabemanager, dass die vorgegebenen Eignungskriterien um die Vorlage eines weiteren Gütesiegels mit der Klassifizierung AK1 der Gütegemeinschaft Kanalbau ergänzt werde. Eine Berichti-gung der Bekanntmachung erfolgte nicht.
Ein Bieter reichte fristgerecht ein Angebot ein. Diesem lag jedoch nicht der Nachweis des Gütesiegels AK 1 bei. Der Bieter wurde zur Nachforderung aufgefordert, hat den geforderten Nachweis jedoch nicht eingereicht. In der Folge wurde dieser Bieter über den Ausschluss von der weiteren Wertung informiert.
Gegen die Vorgehensweise wandte sich der Bieter zunächst mit einer Rüge an die Vergabestelle, in der Folge mit einem Nachprüfungsverfahren an die Vergabekammer. Trotz fortbestehender Beschaffungsabsicht hob die Vergabestelle das Vergabeverfahren auf Grund der nachprüfungsbedingten Verzögerungen und einer damit einhergehenden Umstellung des Bauablaufs auf.
Die Vergabestelle begründete es damit, dass durch die Verzögerungen bei der Vergabe es zu erheblichen Änderungen für die Durchführung der Leistung gekommen sei, weshalb es der Bieterin nicht mehr zumutbar sei, an der bisherigen Kalkulation festgehalten zu werden. Eine Aufhebung des Verfahrens sei unumgänglich. Gegen die Aufhebung des Verfahrens wendet sich der Bieter und begehrt die Feststellung einer Rechtsverletzung.
Die Vergabekammer Sachsen gab der Einreichung teilweise Recht und begründete ihr Urteil so: Die Aufhebung eines Verfahrens stellt stets die Ultima Ratio dar. Eine Aufhebung der Aufhebung kann deshalb nur dann erfolgen, wenn die Vergabestelle die Vergabe des Auftrags weiterhin beabsichtigt und ihr auch keine sachlichen Gründe für eine Aufhebung, mithin keine Erforderlichkeit wesentlicher Änderungen der Vergabeunterlagen, zur Seite stehen. Eine wesentliche Änderung der Vergabeunterlagen gemäß § 17 EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A 2016 liege dann vor, wenn eine ganz entscheidende Abänderung der bisherigen Absicht zur Leistungserbringung erforderlich wird.
Dass Kostensteigerungen von ca. 5% erwartet werden, erfülle jedoch nicht den Tatbestand der grundlegenden Änderung der Vergabeunterlagen i. S. d. § 17 EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A 2016. Jedoch kann der Auftraggeber bei einer Änderung des Beschaffungsgegenstands nicht gezwungen werden, wie im vorliegenden Fall, den Zuschlag auf ein Leistungssoll zu erteilen, das er so nicht mehr realisieren will. Für diesen Fall muss der Auftraggeber die Ausschreibung aufheben können.
Er ist insoweit nicht auf das Verfahren zur Vereinbarung eines neuen Preises gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B verwiesen. Mithin ist die Aufhebung, auch ohne das Bestehen eines Rechtsgrundes, wirksam erfolgt. In der Umstellung des Bauablaufs liege ein die Aufhebung sachlicher rechtfertigender Grund. Darüber hinaus ist auch ein schwerwiegender Grund für eine Aufhebung nicht gegeben, da seitens der Vergabestelle insbesondere keine gravierenden Änderungen der Preisermittlungsgrundlagen vorgetragen worden seien.
Ein Anspruch der Antragstellerin auf Fortsetzung des Vergabeverfahrens ist insoweit nicht gegeben. Die Antragstellerin ist jedoch in ihren Rechten verletzt, da eine Änderung der Eignungskriterien außerhalb der EU-Bekanntmachung vorgenommen wurde. Die Vorlage eines Gütesiegels AK1 als Eignungskriterium sei unstrittig in den Vergabeunterlagen und der Auftragsbekanntmachung nicht enthalten gewesen.
Dem Grundsatz, dass Vergabeunterlagen während des Vergabeverfahrens nicht geändert werden dürfen, wurde insoweit nicht entsprochen, als die Vergabestelle Eignungskriterien und die damit verbundene Angabe, welche Nachweise vorzulegen sind, im Vergabeverfahren ohne gesonderte Berichtigung erweitert hat. Hierbei handelte es sich auch nicht um einfache Präzisierungen, sondern vielmehr um die Verschärfung bzw. die Neueinfügung von Eignungskriterien. Dies ist vergaberechtlich nicht zulässig. Ein sachlicher Grund für eine Änderung der Kriterien lag zwar vor, diesem Bedürfnis könne jedoch nur durch eine Änderungsbekanntmachung Rechnung getragen werden.
Quelle: Auftragswesen AKTUELL – Newsletter der Ständigen Konferenz der Auftragsberatungsstellen und IHKs).
  • Vergabekammer Sachsen, Beschluss vom 17.01.2019
Stand: 11.01.2023